Montag, 27. Mai 2013

Die Bitch in der Bahn

Früher Sonntag Morgen. So gegen 1.30 Uhr. Heimweg.

Das Heimspiel in Wembley zwischen Pest und Cholera war sehenswerter als erwartet und zu meiner Verwunderung und Erleichterung sind so gut wie keine betrunkenen Fußball-Schreihälse unterwegs, ich sehe nur zwei Mädchen mit Bayerntrikots und Sektpulle und einen Typen in schwarz-gelb, der gesenkten Hauptes auf einer Treppe hockt. Ob er trauert oder sich übergeben muss, kann ich nicht erkennen. Es ist mir auch vollkommen egal.

Ich stehe auf dem Bahnsteig der U Sternschanze und warte. Vier Minuten noch.

Ein paar Meter weiter steht eng umschlungen ein Pärchen, sie so 22, er so 24. Sie komplett in schwarz, Lederjacke, Leggings, schwere Doc Martens und den unvermeidlichen Hipsterinnen-Dutt auf dem Kopf, der so gar nicht zum Rest passen will. Er hingegen ist farbenfroh gekleidet. Die sich anziehenden Gegensätze und so.

Beide können die Finger nicht voneinander lassen. Es wird geknutscht, gefummelt, am Ohrläppchen geknabbert, selbst wenn man wollte, man könnt's nicht übersehen.

Eine Gruppe Halbstarker beobachtet feixend, andere sehen eher genervt aus, einige schauen angeekelt. Kann man wohl als Neid interpretieren.

Und ich denk mir "Alter, der Typ wird heut Nacht noch verdammt glücklich!"

In der Bahn geht es so weiter.

Kurz vor der U Hoheluftbrücke wird's noch leidenschaftlicher, man könnte meinen, die beiden haben irgendwo eine Kamera versteckt und geben jetzt alles.

Die Bahn hält, er drückt sie an sich, schaut ihr verträumt in die Augen, sie strahlt zurück, eine letzte Umarmung, dann steigt er aus.

Das überrascht mich. Doch kein happy end für ihn.

Sie winkt, wartet, bis sich die Bahn in Bewegung setzt und den Bahnhof verlassen hat, setzt sich dann auf die freie Bank mir gegenüber, schaut mich an, lächelt unglaubwürdig schüchtern und guckt dann dreißig Sekunden lang Löcher in die Luft.

Dann holt sie ihr Handy aus der Tasche und drückt die Schnellwahltaste.

"Hi Süße, ich bin ihn endlich los! ... Ja, hat was gedauert. Der denkt echt, ich würd was mit ihm anfangen! Krass oder?? ... Ja, bin gleich bei dir! Dann Sekt und dann suchen wir uns richtige Kerle, heut mal China Lounge, ja?"

An der Kellinghusenstraße steigt sie aus, das Handy noch am Ohr, sie lächelt noch einmal schüchtern rüber und ich frag mich, wer ihr das jetzt eigentlich noch abkaufen soll?

Als sie die Bahn verlassen hat, prusten zwei Mittzwanziger im Sitzabteil gegenüber los, der eine presst von Lachkrämpfen geschüttelt "Meine Fresse, was für ne Schlampe!" hervor.

Fast möchte man zustimmen..

7 Kommentare:

  1. Das erinnert mich an einen Typen, den ich früher täglich in der Bahn gesehen habe. Er hatte immer das Handy am Ohr. Er säuselte einmal ins Telefon "Oh Schatz, es tut mir sooooo leid, aber ich muss heute wiiiiirklich arbeiten. Es ist soooo schade, aber wir können und leider leider leider nicht treffen." Legt auf, wählt eine neue Nummer und aus dem Kontext wird klar, dass er die nächste Frau in der Leitung hat, der er erklärt "So, sie hat es geglaubt, wir können uns heute Abend treffen."...

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    1. Wahnsinn, solche Leute. Ich will ja nicht auf Moralapostel machen, aber so'n Getue kann ich nicht leiden.

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    2. Ich auch nicht. Dieses bewusste Anlügen und Veralbern finde ich schlimmer als den ganzen moralischen Rest der Geschichte.

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  2. Immer wiederkehrendes Szenario am Flughafen Bangkok, Abflugterminal:
    Unattraktiver, meist fetter und/oder glatzköpfiger, in Buntshorts/Tennissocken/Adiletten gewandeter "Nichtasiate" und attraktive, junge Asiatin liegen sich weinend in den Armen, schwören sich ewige Liebe und ein baldiges Wiedersehen. Sobald der Touri traurig durch die Paßkontrolle entschwunden ist, strahlt das Mädel auf wie ein Scheinwerfer, schnappt sich das Handy und quasselt und gibbelt los-oder verabredet sich gleich mit dem nächsten Freier..

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    1. Und ich hab immer gedacht (besser: gehofft), solche Szenarien denkt sich RTL(2) für seine "real life documentaries" aus...

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