Donnerstag, 29. November 2012

Die Stimmen im Kopf.

Ich sitze in der Bahn und fahre heim. Den Rucksack voller Einkäufe, die im ÖPNV unverzichtbaren Kopfhörer auf und die aus den Kopfhörern schallenden Stimmen in den Ohren.

Am Barmbeker Bahnhof herrscht wie immer riesige Hektik. Sechzehn wollen aussteigen, dreiundzwanzig wollen rein. Und das möglichst schnell, möglichst gleichzeitig. Ein Schubsen, ein Drängeln, wutentbrannte verständnislose Blicke werden quer durch den Waggon geworfen, Münder gehen auf und zu, schreiend, fluchend und ich höre nur die Stimme von Axel Kurth, dem Sänger von WIZO, der mir ins Ohr brüllt, wie wenig er die Menschheit leiden kann. Ich erwische mich dabei, wie ich, ob der Anblicke, die sich mir hier grad bieten, zustimmend nicke.

Die Türen schließen, langsam rattert die U3 auf die Brücke hinauf, die über die Dächer Barmbeks gen Heimat führt. Ich schaue aus dem Fenster, sehe die Mundsburger Türme und am Horizont leicht verschwommen den Fernsehturm, der sich gegen den dunkler werdenden Abendhimmel als schwarze Silhouette abzeichnet. Eine schöne Aussicht.

Mir gegenüber sitzt eine junge Mutter Anfang zwanzig mit ihrer kleinen Tochter. Wie alt mag die sein? Zwei vielleicht?. Rosa Schleife im blonden Haar, rosa Jäckchen an, sie guckt mich an und freut sich, sie lächelt, ein Schneidezahn fehlt...

Die Stimme im Kopf singt über das Schlachten und Zerteilen von Schweinen. "Und dann spritzt das warme Blut aus dem Hals der letzten Sau..." (WIZO - Die letzte Sau)

...Die Kurze lächelt nun nicht mehr, sie strahlt mich an. Die Zahnlücke blitzt. Ab und zu beisst sie in ein Schokobrötchen, krümelt sich voll, saut sich und die Sitzbank mit Schokoflecken ein, über und über. Freudestrahlend hält sie mir das angekaute angesabberte Backwerk hin. Ob ich auch mal beißen möchte?...

Die Stimme in meinem Kopf singt über den Mord und das Verspeisen der Nachbarstochter. "Oh, Anneliese, mein Nachbarskind, du bist immer so gut drauf. Ich esse das Kind meiner Nachbarn auf." (WIZO - Anneliese Schmidt)

...Nein, ich möchte von ihrem Brötchen nicht beißen. Ich lehne lächelnd ab. Mutti wird aufmerksam, bisher hatte sie am Handy gehangen und der Situation keinen Blick geschenkt. Ihr Mund ging auf und zu und auf und zu. Nun weist sie ihr Kind zurecht, es soll mich nicht belästigen. Und sich nicht mit Schokolade beflecken.  Sie scheint laut zu sein, auf und zu, auf und zu, dazu Gestik, die gute Laune der Kleinen ist abrupt beendet. Jetzt weint sie. Tränen kullern. Was für eine großartige Mutter...

Die Stimme in meinem Kopf ruft nun zu Attentaten auf. "Kein Gerede, nur die Tat stoppt den skrupellosen Staat. Strommast sägen, Bomben legen, ab und zu ein Attentat. Sprengt die Knäste, sprengt Paläste, sprengt die Schweine in die Luft. Sprengt die Banken, sprengt die Schranken, jagt die Bonzen in die Flucht!" (WIZO - Kein Gerede...hier mal kein Link zum Lied. Indiziert und so.)

...Habichtstraße. Heimat. Ich mag diese kleine ruhige Station inmitten von Grün sehr gern. Mit den gelben Plexiglasfenstern an der Treppe und fast komplett ohne schlechte Kinder-Tags. Ich stehe auf, Mutti lächelt mich an, ihr Mund geht auf und zu, vermutlich hat sie mir einen weiterhin schönen Tag gewünscht, vielleicht hat sie mir auch einen Quickie im Gebüsch angeboten, ich habe keine Ahnung. Ihr Töchterchen sitzt weiterhin heulend neben ihr, wird aber gänzlich ignoriert. Was für eine großartige Mutter... Kopfschüttelnd steige ich aus der Bahn. Schau durchs Fenster wieder hinein in den Waggon, Mutti ist wieder plappernd am Handy, die Kurze weint immernoch bitterlich und als die Bahn ruckartig anfährt, fällt sie fast vom Sitz. Mutti bemerkt es nicht.

Und dann brüllt die Stimme in meinem Kopf "Hin und wieder stell ich fest, daß ich nicht mehr lachen kann, über Sachen, die ich früher lustig fand. Hin und wieder merk ich auch, daß ich keine Menschen brauch und lieber ganz alleine bin." (WIZO - Quadrat im Kreis)

Noch ein zustimmendes Nicken.

Ab nach Hause.



Mittwoch, 28. November 2012

Nichtvorweihnachtliche Gedanken.

Es ist dunkel. Windig, aber trocken. Auf dem Stadtteilweihnachtsmarkt, der obskurerweise schon eröffnet hat, diesmal nicht vor der Hertie-Ruine, dieses Jahr gegenüber, auf dem namenlosen Platz vor der Videothek, die mit miesen Leuchtreklamen Kunden anziehen möchte, vor dem Buchladen, in dem ich in den letzten zehn Jahren nicht einen einzigen Kunden gesehen habe, vor dem Sportwettenbüro, dessen Kunden sich die Kapuze tief ins Gesicht ziehen, wenn sie den Laden verlassen und andere Menschheit um sich herum entdecken.

Kurz gesagt: Man kann einen Weihnachtsmarkt schwerlich an einen unschöneren Ort setzen.

Gut, irgendwo zwischen die Plattenbauten von Osdorf oder Billstedt vielleicht. Feiert man da überhaupt Weihnachten? Klar, sicher, genug Kleinkinder sind ja da. Aber kein Kamin, durch den der Weihnachtsmann kommen könnte. Haste halt nicht im sechzehnten Stock. Und der olle bärtige Typ fährt garantiert in keinem vollgepissten Fahrstuhl hoch, um den Barbie-Ponyhof für Fatime oder das Springmesser für Ahmad abzuliefern. Das schickt er lieber per UPS. Und Kevin zieht Ahmad das Messer dann ja eh wieder ab, weil er einen Kopf größer und zwei Jahre älter ist, trotzdem aber in dieselbe Klasse geht. Deswegen will Ahmad Kevins Mutter ficken oder zumindest Kevins Schwester, Shaqira, die das aber gar nicht will, weil sie auf Hussein steht, der mit seinen vierzehn Lenzen schon Oberlippenflaum aufweisen kann und männlich und auf seine und die Familienehre bedacht agiert, wie sonst kaum wer, denn er hat zum Beispiel seine drei Jahre ältere Schwester mal so geschlagen, das sie erstens ein blaues Auge hatte und sich zweitens aus Angst von ihrem nicht-islamischen Freund getrennt hat, um stattdessen ihren Cousin aus einem Ghetto-Vorort von Alanya zu heiraten, 36 Jahre alt, immer noch Bettnässer und am Rücken behaart wie der Yeti. Ja, ich bin mir sicher, genau das wollte sie immer...

Weihnachtsmarkt also. Auf diesem elenden Platz. In meiner Hood. Ich zähle drei Buden, die Alk verkaufen, zwei mit Fraß und zwei weitere mit Kerzen und ähnlichem Zeug, das hier an diesem Platz nun wirklich niemand will. Mit der Hertie-Ruine als Panorama im Rücken und vor einem, von halbseidenen Typen, die allesamt garantiert irgendwas auf dem Kerbholz haben, frequentierten Wettbüro...und das sind keine leeren Worte, ich habe lange Jahre in so einem Ding gearbeitet - die Vorurteile stimmen durch die Bank.

Als Kerzenverkäufer hat man da garantiert grad den ruhigsten Job der Stadt...ab und an mal nen Suffi vertreiben, damit der nicht vor die Bude reihert, ansonsten...Füße hochlegen und kassieren. Alle drei Stunden mal.

Und auf dem Weg zum Discounter muss ich da durch. Für TK-Fritten, ne Buddel Wein und zwei Kiwis. Fast hätt ich auch noch den Pfefferschinken mitgenommen, der ist im Angebot. Aber sechs eingeschweißte Scheiben für 1,39 ist mir dann doch immer noch zu teuer. Das reicht ja grad mal für drei Brötchen!!

Auf dem Rückweg wieder über den Weihnachtsmarkt, einer der Typen ist inzwischen umgefallen, liegt da und sabbert sich voll, seine "Freunde" scheints nicht zu stören, vielleicht kennen die das schon? Ich geb ihm im Vorbeilaufen auch nur einen Blick und frag mich, wie kaputt man sein muss, um so zu enden. Genug Kohle, um sich mit Glüh"wein" für 3,50 pro 0,25l-Tasse abzuschiessen, nicht genug "Freunde", die bereit sind, einen vom feuchten, laubbedeckten Boden aufzuheben und in ein Taxi zu setzen. Oder in die Bahn. Traurig. So richtig traurig.

Als ich am Bahnhof Barmbek auf meinen Bus warte, ich muss nur zwei Stationen weit fahren und habe nur sechs Minuten Wartezeit, darf ich nochmal lauschen.

Er, Mitte/Ende 40 am Handy. "Ja, das war ne tolle Nacht!...Und wie gut du das gemacht hast!!...Auf jeden Fall wieder, klar!!... Nein, meine Frau kann das nicht so gut, hab ich doch schon gesagt!...Ach, du nervst, reg mich nicht auf, das weißt du doch!!...ja ja, gute Nacht!"... er (solariengebräunt, Geheimratsecken, Berufsjugendlicher) geht ein paar Schritte zu einem hübschen dunkelhaarigen Mädchen, das ein Buch lesend an der Haltestelle steht und dessen Vater er sein könnte, er fragt schmierig "Hi Süße, was liest du denn da??", legt dabei seine Hand auf ihre Schulter. Sie schaut ihn an, ist irritiert und erschrocken, in ihren Augen Verwirrung, sie geht weg, sie flüchtet. Er gestikuliert, gibt dann auf, motzt noch einen älteren Herren mit "Schau doch nicht so!" an, ich vermute, das er auf Koks unterwegs ist, alle Anzeichen sind vorhanden...ich hoffe, das er mich auch dumm anmacht, denn dann kracht es. Dann bügel ich sein Grinsen weg. Ich hab die passende Laune. Er schaut mich an, lange, sagt aber nichts. Schade irgendwie. Dann geht er.

Ich fühl mich so richtig vorweihnachtlich jetzt. Nachher schlepp ich alte Omis zum vermöbelt werden nach Osdorf, piss auf einen Betrunkenen oder ich bagger ne Minderjährige an...ich folge meine Vorbildern von letzter Nacht. Denn offensichtlich machts ja Spaß.

Vorweihnachtszeit? My ass!

Samstag, 24. November 2012

Ohne Worte.

Es war ein toller Tag. Wir waren früh auf den Beinen, haben viel erlebt, tolle Menschen kennengelernt, das eine oder andere Bier vernichtet, wir haben nah der Schillingbrücke lange guter elektronischer Musik gelauscht, dabei getrunken und Mädels auf den Arsch geschaut. Wir haben in der Sonne gelegen, uns selbige auf den Bauch scheinen lassen und dabei haben wir gelächelt. Danach waren wir in einer "Beach Bar" an der Spree, haben da weitere Biere getrunken, weitere Ärsche bestaunt und weiter die Sonne genossen.

Die Sonne, die heute jemand, den ich nicht kannte und den ich nie kennengelernt habe, zum letzten Mal sehen wird.

Wir laufen angeschickert von der Oberbaumbrücke Richtung Warschauer Brücke, neues Bier in der Hand, wir machen billige Witze und haben einfach Spaß.

Ein Geräusch, das ich nicht beschreiben kann. Ein dumpfer Knall, bumm. Dann Stille. Das läuft alles in Zeitlupe ab. Als ich das Geräusch, den Knall, höre, drehe ich mich instinktiv um. "Etwas" fliegt durch die Luft und augenblicklich ist mir klar, daß das ein Mensch ist.

Ich renne los, lustigerweise die Bierflasche in meiner rechten Hand fest im Griff, die schäumt nichtmal über...M. ist direkt hinter mir, das bemerke ich aber gar nicht. Später erzählt er mir, das er nichts gesehen hat, ich hab wohl nur "Wart mal!" gesagt und bin dann losgerannt. Er rannte einfach hinterher.

Ich höre laute Schreie, verzweifelt, "Ich wollte das nicht, ich wollte das nicht!!". Es ist eine junge Frau, Mitte oder Ende 20, sie ist kaum zu bändigen, sie will weg von hier, sie schlägt immer wieder die Hände vors Gesicht, sie steht neben der Fahrertür ihres Wagens und kann sich kaum auf den Beinen halten, wird gestützt, die Frontscheibe ihres Autos, ein hellblauer Peugeot, ist zersplittert, das linke Vorderlicht ist auch kaputt, auf der Motorhaube sind Dellen. 

Keine zwei Meter vom Wagen weg liegt jemand auf dem Boden. Ein anderer Jemand beugt sich über ihn. Ich geh langsam näher. Ich sehe verdrehte Gliedmaßen und Blut. Das kommt aus der Nase, das kommt aus dem Mund, das kommt auch aus den Ohren. Ein junger Typ, 23 vielleicht. Höchstens. Er trägt Lederjacke, hat bunte Haare, an den Füßen Doc Martens. Ein Punk. Er jammert nicht, er stöhnt nicht, er bewegt sich nicht. Der Jemand, der sich über ihn beugt, schaut mich an, verzweifelt. "Ich hab ihn noch gewarnt, Mann! Ich wollt ihn festhalten, aber er war zu schnell! Ich war direkt hinter ihm!"

Und dann werd ich zum Feigling. Denn ich geh weg. Ich verpiss mich einfach.

Zum Glück sind direkt die Cops da, zwei Mannschaftswagen standen warum auch immer keine 50 Meter entfernt, die haben mitbekommen, was passiert ist und kommen angerannt. Kümmern sich. Um das Opfer, um den vollkommen verzweifelten Ersthelfer, um die immer noch schreiende und weinende Fahrerin.

Ein Polizist fragt nach Zeugen unter den inzwischen sehr vielen Schaulustigen, die die Szenerie teils sogar fotografieren oder filmen. Ich melde mich. "Hallo, ich habs gesehen...aber nicht alles."

Ich werde befragt, am ganzen Körper zitternd, kann aber weiter nicht beitragen zur Frage "Wer hatte grün?" Denn ich hab ja den Unfall an sich nicht gesehen, nur die Folgen.

Denn ich bin "Knallzeuge". Ich habe gehört, aber nicht gesehen. So die Definition.

Aber ich HABE gesehen. Ich hab ihn fliegen sehen, ich hab seine Verletzungen gesehen, ich hab gesehen und gehört, wie die Fahrerin weint und schreit, ich hab gesehen, wie die Sanitäter ihn versorgen, ich hab auch gesehen, wie sie sich Blicke zuwerfen, die nichts Gutes bedeuten...

Tage später, schon längst wieder in Hamburg, hab ich dann online in einer Berliner Zeitung die Nachricht entdeckt, daß er es nicht geschafft hat. Und das war schlimm. Das war richtig schlimm. So will ich mich nie wieder fühlen.

Nochmal eine Woche später kam dann ein Brief von der Berliner Polizei. Ich sollte meine Zeugenaussage machen. Ich habs beschrieben und es gab keine Antwort mehr.

Ich hab nicht nachgehakt.

Ich will nur die Bilder aus dem Kopf haben...

Freitag, 23. November 2012

Nahverkehrsgeschichten.

Berlin. U-Bahnhof Birkenstraße. Sommer 2011.

Mädchen, Anfang 20, ins Handy redend, laut..

 "Süße, hey, komm doch nachher zu mir rüber! Ich hab uns zwei Flaschen Alkohol gekauft!!"
...

 "Alter, ist doch wohl egal, was für Alkohol das ist, oder?? Der soll doch nur knallen!! Du bist echt ne Fotze!!"

Elternbesuch mit Pseudo-Promi-Scheiße.

Traditioneller Vorweihnachtsbesuch der Eltern. In der großen Stadt.

Meine Eltern können "große Stadt" nicht. Haben ihr ganzes Leben in Dörfern verbracht. Alles überfordert. Der Verkehr, die Menschenmassen, alles.

Es fliegen Sätze durch die Luft, die man von früheren Besuchen schon gewohnt ist. Erfahrungswerte.

"Hier, Sohn, ich hab dir Essen mitgebracht. Der gute Kohl, den du so magst! Ist noch Platz in der Truhe?"
"Ach, Junge, wie deine Wohnung aussieht! Du musst mal aufräumen! Und saugen, auch unter dem Schrank!"
"Papa, ich predige es seit zehn Jahren, wenn du in meiner Wohnung rauchen möchtest, dann bitte am offenen Fenster!"
Oder das sehr Mario Barth-esque "Doch, es hat Sinn, daß die Fernbedienung auf dem Bett und nicht neben dem Fernseher liegt...!", das sich so bei jedem einzelnen Besuch wieder abspielt, seit Jahren, immer gleich. Einstudierte Antworten.

"Wo möchtet ihr denn heute shoppen, Mutter?" - "Wo gibt es denn hier was?" Ich wusste natürlich, dass diese Antwort kommt, ein Duplikat der letzten Jahre, aber es gehört eben zum Spiel dazu.

Also heute mal wieder Innenstadt. Nicht EKZ Hamburger Meile, sonst ein gern genommenes Ziel meiner Altvorderen. Das haben sie irgendwann 2003 für sich entdeckt und seitdem immer wieder gern. Alte Liebe rostet nicht. Oder: Never change a winning team.

Heut also direkt ohne Zwischenstopp in die Spitaler oder die Mönckeberg. Straße. Dort durch die Gegend geirrt. Hier eine Kaffeepause. "Oben bei Karstadt? - Oben bei Karstadt." Dann noch C&A. H&M. C&P. Was gibts noch?

Klar, Kaufhof. Rein da. Alle Stockwerke durch, "nur mal gucken", wie Mutter das nennt. Heut guckt sie nicht nur, sie kauft. Drei Mal. Das gabs noch nie, Premiere, Daddy und ich schauen nur noch ungläubig aus der Wäsche. History in the making. Und wir waren dabei!

Fünfter Stock. Spielzeug, Restaurant, bla.

Ich habe keine Lust mehr, Spielzeugabteilung my ass, ich setz mich auf einen der wenigen angebotenen Lederklotzsitzplätze. Ich will meine Ruhe...

...und mein Blick fällt auf einen Typen. Der schaut sich den ferngesteuerten Kran neben der Rolltreppe an. Er dreht sich um und ich erkenne ihn. Ein "Promi".

Im TV sieht der immer so seriös aus, ist auch immer so angezogen, in all seinen Sendungen, immer Jackett, immer gut frisiert mit ner Menge Gel. So auf "Schwiegersohn, den man lieben muss". Aber auch auf "kleiner Chaot, witziger Typ, Komplettsympat", das soll die gegelte Wuschelfrisur aussagen. Ich hab den für harmlos gehalten. Und jetzt rennt der in der Spielzeugabteilung vom Kaufhof mitten im November in nem fast bis zum Nabel aufgeknöpften Hemd rum. Präsentiert seine schlecht rasierte Brust. Macht einen auf Macker. In meinem letzten Job hatte ich einige Typen mit solcher Optik, die waren nicht "Schwiegersohn", die waren nicht "Komplettsympat". Die waren Zuhälter.

Passend dazu erscheint eine bis zum Ende solariendurchgebräunte, auf Hippiehure gedresste Mittdreißigerin an seiner Seite, guckt verächtlich. "Ich bin besser als ihr, ich lass mich von nem C-Promi ficken!" sagt ihr Blick und sie fummelt am Ausschnitt des "Promis" herum. Er schaut in die Runde, die befummelte Brust stolz geschwellt. Er ist hier der Held, seine Gelfresse sieht man ab und an im TV. Er ist der Boss. Und seine Olle hat Silikontitten.

Sein Blick bleibt drei Sekunden bei mir hängen, unsere Blicke treffen sich. Er wartet, daß ich mich beeindruckt zeige. Tu ich nicht. Für eine Sekunde scheint er irritiert, dann fasst er sich, setzt ein Siegerlächeln auf und geht.

Eine Begegnung der dritten Promi-Art.





Mittwoch, 21. November 2012

Von Fischers Fritz nach Woodstock.

Heute war ich beim Discounter meines Vertrauens, der niemals im Leben nicht seine Mitarbeiter in irgendeiner Form überwachen oder für sonstwelche Skandale sorgen würde. Ich blieb an der Tiefkühltheke stehen, der Blick schweifte über die Auslage und blieb hängen an einer Packung tiefgefrorener Fischfrikadellen im Viererpack. Die Sorte von Fischfrikadellen, die wahrscheinlich nicht das kleinste bisschen richtigen echten Fisch enthalten (so ähnlich, wie die billigen Thun"fisch"pizzen). Spontan überkam mich warum auch immer die Kauflust.

Was verwirrend ist, da ich nämlich gar keinen Fisch esse. Alle Jubeljahre mal, dann in etwa, wenn mein Geburtstag und Ostern auf einen Tag fallen, was in meinem Leben bisher exakt EIN Mal passiert ist. Kurioserweise lag an diesem Tag zusätzlich auch noch Schnee und meine Oma hat unbemalte Eier im Garten versteckt. Knaller!.

Da stand ich und schaute mir die Packung Tiefkühl"fisch"frikadellen interessiert von allen Seiten an. "Es muss die Werbung sein" dachte ich mir, "runtergesetzt sind die, von 1,39 €uro auf 0,99 €uro, das sind nicht mal ein Viertel€uro pro Tiefkühl"fisch"frikadelle, da muss man doch zugreifen, selbst, wenn man das Zeug überhaupt nicht isst, ergo nicht braucht. An sowas kann doch kein Mensch vorbeigehen!"

Und dann.

Mein Blick fällt auf ein klitzekleines Feld, dessen Inschrift mich bisher noch nie auch nur ansatzweise gejuckt hat,  in ihm steht in Anführungszeichen und Kursivdruck

"Fangart: Schleppnetz"

...

Fünf Sekunden und ein energisches Kopfschütteln später sind die Tiefkühl"fisch"frikadellen zurück bei ihren tiefgefrorenen Leidensgenossen und -genossinnen gelandet und ich entferne mich in Richtung der Frischfleischtheke. Cordon Bleu wird nicht mit dem Schleppnetz gefangen.

Ich bin auf dem besten Weg zum Hippie. Ich geh jetzt einen Baum umarmen.

Freitag, 16. November 2012

Früher war alles besser. Oder: A tribute to Bobby.

Ich wohne in einem ruhigen kleinen Seitensträßchen in Barmbek-Nord. Es gibt hier nicht viel. Vierstöcker, Einzimmer-/Zweizimmer-Wohnungen. Fünf Gehminuten bis zur Fuhlsbüttler Straße, wo man alles bekommt, was man so im Alltag braucht. Diverse Discounter, Edeka, Döner-Dealer, Asia-Läden, die geschmacksverstärktes Zeug feil bieten, es gibt auch ein paar Bars, Restaurants, gute sogar, und man kann seine Kohle im ortsansässigen Sportwettenbüro auf den Kopf hauen oder bei "Orion" gegen weiß der Geier was eintauschen, das aber sicherlich "Schwung" in die Beziehung bringt. In welcher Form auch immer. Zur U Habichtstraße läuft man 6 Minuten, zur Bushaltestelle nur drei. Die beiden verkehrenden Buslinien sind berühmt-berüchtigt für ihre konsequente Verweigerung der auf dem Fahrplan ausgeschriebenen Zeiten. Gern fahren sie auch mal in Kolonne, vermutlich zum Sprit sparen, da der hintere 277er-Bus im Windschatten des vorderen 277er-Busses, der eigentlich zehn Minuten früher hätte hier sein sollen, fährt. Aber gut, man gewöhnt sich an so einiges.

Nicht gewöhnen werde ich mich daran, das Bobby nicht mehr den kleinen aber feinen Kiosk an der Ecke Herbstsweg/Nölkensweg betreibt. Bobby ist mein Freund seitdem ich vor mehr als zehn Jahren in diesen "Kiez" gezogen bin. Er war immer da mit seinem kleinen Eckladen. Ein kleiner "Tante-Emma-Laden"...in diesem Fall eben quasi ein "Onkel-Bobby-Laden". Das gibts ja kaum noch, das ist schade. Unsortiert, völliges Durcheinander, Chaos galore, man bekam vom Bier über TK-Pizza bis hin zu Toilettenpapier und Tampons so gut wie alles dort. Notfalls auch mal "auf Rechnung". Bobby war kulant, wenn er einen kannte.

Morgens auf dem Heimweg vom Club konnte man dort angetrunkenerweise "frische" Brötchen kaufen, einen "guten" Kaffee trinken. An der Eingangstür hatte Bobby einen Zettel geklebt: Hier "lecker" Kaffee!! Ich hab ihm sicher zehn Mal erklärt, daß das so derbe ironisch klingt und keiner den "lecker" Kaffee kaufen wird (außer mir, wenn ich angetrunken vom Club heim kam)...hat ihn nicht gejuckt. Der Zettel hing da bis zum Ende.

Auch schön, wenn man am Samstag Morgen komplett zerstört heim kam und bei Bobby strandete...der war meist genauso kaputt, weiß der Himmel, was der nachts getan hatte und wie er es geschafft hatte, seinen Laden pünktlich zu öffnen. Er hatte immer ein offenes Ohr. Die Frau hat dich beschissen? Bobby spendiert morgens um sieben nen Kurzen. Dein Verein hat verloren? Bobby spendiert morgens um sieben nen Kurzen.  Du schaffst die 60 Meter Fußweg und drei Stockwerke Treppen bis zu deinem Bett nicht mehr? Bobby lässt dich im verrauchten Hinterzimmer auf der Couch pennen. Ist mir nicht nur einmal passiert...das Aufwachen war immer ziemlich eklig. 

Freitag abends war immer Grillabend bei Bobby, es gab selbstgemachte afghanische Fleischspieße, ich weiß nicht, was für ein Fleisch das war und wie es gewürzt war, es war aber schlichtweg großartig lecker. Seine afghanischen Kumpels haben Salate gemacht (anscheinend können Männer sowas tatsächlich), und so bekam man für ganz wenig Geld unfassbar geiles Essen...ich will diese Zeiten SOFORT zurück!! Bei schlechtem Wetter oder im Winter bei Minusgraden wurd auch gern mal im Hinterzimmer gegrillt, da kannte Bobby nix. Fenster auf, Grill an und dann alle den Qualm gen Fenster wirbeln. Hat geklappt, es ist niemand gestorben und alle bekamen, was sie wollten: Tolle Stimmung, großartiges Gegrilltes...eine tolle Zeit.

Die gesamte Nachbarschaft zwischen 16 und 60 traf sich dort jeden Freitag vorm Laden, es wurde gegessen, getrunken, gefeiert...was für Abende! Bis spät in die Nacht manchmal. Nach zwölf Stunden Arbeit bin ich da teilweise noch bis nachts um drei hängengeblieben.

Zur WM 06 hatte sich Bobby eine Leinwand und ein Projektiergerät besorgt, seinen Laden zu den Spielen der deutschen Mannschaft komplett umgebaut und dann sowohl drinnen als auch draussen ein privates Public Viewing veranstaltet. Da war wahnsinnige Stimmung, die ganze Nachbarschaft im Trikot, mit Flagge und Gesichtbemalung, "Lotte", der Mops der Nachbarn wurde spontan zum "Sport-Mops" deklariert und lief von da an für den Rest des Turniers mit schwarz/rot/goldenem Iro durch die Gegend. Kurz: Das Public Viewing auf dem Heiliggeistfeld mit 60000 Fremden war ein Kindergarten dagegen. Bei allen Spielen der deutschen Mannschaft hatten meine Jungs und ich "reservierte" Plätze in der letzten Reihe, wir haben zusammen die Hymne gesungen und gejubelt, als wären wir bereits Weltmeister. Was haben wir zusammen gefeiert, uns in den Armen gelegen. Und Bobby mittendrin. Und was haben wir nach dem Halbfinale gegen Italien zusammen getrauert. Diese verdammten...

Und was hab ich geflucht, als im Achtelfinale "Schland", das von meiner kompletten Nachbarschaft grad bei Bobby nach vorn gebrüllt wurde, meine Jungs in blau und gelb schon in den ersten 15 Minuten vollkommen abfertigte. Das Spiel habe ich in weiser Vorraussicht anderswo gesehen, nicht bei Bobby, die Schmach wäre zu groß gewesen.

2008 bei der EM haben wir da auch alle zusammen gefeiert, nach dem 3-2 im Halbfinale gegen Türkiye gabs sogar einen Autokorso nur mit uns "Kiez-Freunden".

Au Mann, das waren ganz ganz tolle Zeiten "damals"...


...und dann gabs einen Besuch vom Ordnungsamt. Die Nachbarin, die über Bobbys Lädchen wohnte, hatte es gerufen. Und das Ordnungsamt wedelte mit dem Zeigefinger und sagte "Du darfst keinen Spaß haben!". Wie Ämter in diesem tollen Land eben so sind.

Und seitdem war Schluss. Nix mehr Grillabend, nix mehr abends vor dem Lädchen sitzen und gemütlich quatschen...Spaß haben war ja offiziell verboten. Die Nachbarin ist vier Monate später ausgezogen, man erzählt sich, einige "Vorfälle" hätten sie dazu veranlasst. Davon weiß ich nichts. Natürlich nicht.

Bobby hatte schon aufgegeben, als die Nachbarin verschwand...vermutlich zurück auf ihr kleines Dorf, aus dem sie gekommen war...da ist es ab 18 Uhr schön ruhig und keiner stört mehr.  Back to the roots quasi. Bobby verschwand auch. Er studiert jetzt wieder. Und ich vermisse ihn.

Den Laden hat dann ein Bekannter von Bobby übernommen. Ein Vietnamese, ich weiß nichtmal seinen Namen. Der macht seinen Job sehr gut, hat die Innenausstattung optimiert, hat die Öffnungszeiten optimiert (nun auch Sonntags), das Angebot beibehalten, wenn nicht gar verbessert und er gibt sich wirklich Mühe. Ich drücke alle erdenklichen Daumen, daß das weiterhin klappt! Und nicht nur ich, auch jeder in der Nachbarschaft.

Aber so wie zu Bobbys Zeiten wirds nicht wieder werden. Ein Freund ist weg. Und das ist schade.

Donnerstag, 15. November 2012

SVERIGE! SVERIGE!! Und nochmal...

...SVERIGE!!!

Denn SVERIGE strikes again! Bezwiehungsweise Zlatan Ibrahimovic, der großartigste Fußballer der Welt, strikes again.

Nicht nur hat er den 4:4-Sieg gegen das deutsche Team in Berlin eingeleitet, nein, jetzt macht er einen auf japanischer Kampfkunstbeherrscher und damit seiner gewagten Frisur alle Ehre.

Vier Tore gegen (zugebenermaßen) ein B-Team aus England. Völlig scheißegal. Das vierte von den vier Toren ist unfassbar. Das geht eigentlich gar nicht. Ich hab das Spiel per Livestream gesehen und mein Mund steht jetzt noch offen."Hat er nicht gemacht!" sagt mein Verstand, "das geht doch gar nicht! Und wer bist eigentlich du?" - "Ich, mein Freund, bin die Realität. Und ja, Alter, der HAT DAS SO GEMACHT! Ich checks ja selber nicht!!"




Für mich sieht das immer noch aus wie Science Fiction. Irgendwo in Hollywood produziert und dann nach Solna rüber projeziert, ins neue Stadion, wo meine "Tre Kronors" ab jetzt ihre Heimstätte haben. Das Spiel gestern Abend war das erste, die Einweihung. Und dann ein Sieg! Gegen England! Mit vier Buden von Zlatan! Und in der Nachspielzeit die Krönung durch das beste Tor aller Zeiten! Was soll das denn noch übertreffen?? Besser wirds kaum noch werden...

Schwedische Fußballgeschichte! Part zwei.

Mal wieder...


Denn Part eins fand vor ein paar Wochen im Olympiastadion zu Berlin statt.

Das emotionalste Spiel seit dem 8.5.2004. FC Bayern München - Werder Bremen 1-3. Was hab ich geheult. Und gesoffen. Und "Deutscher Meister, schalalalala!!!" gegröhlt. Und was bin ich am Tag drauf in einem Vorort Bremens in einem fremden Bett aufgewacht und was hab ich mich schnell aus dem Staub gemacht und was hab ich bis heute keine Ahnung, wie ich dorthin gelangt bin. Ich weiß nur noch den Namen auf dem Klingelschild.. Nachname "Nagel". Könnt ich jetzt ganz billige Witze reißen, erspar ich mir aber...

16.10.2012, Deutschland - Schweden, Berliner Olympiastadion.

So war et jewesen:

Meine Schweden, die Tre Kronors, die Männer in gelb und blau, treffen auf die deutsche Elf, auf "Schland", auf das Team, über das Gary Lineker mal sagte "Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen.". Naja, der Mann ist Engländer, ergo hat er aus seiner Sicht Recht. Außer damals in Wembley, aber wayne...

Ich saß bei einem Freund auf dem Sofa und mein Puls war bei etwa 146. VOR dem Anpfiff. Mein Kumpel ist rein fußballerisch eigentlich der "Intimfeind", HSVer, "Schland"-Fan, besitzt mehrere Trikots beider Teams. Und doch war ich der einzige, der hier ein Trikot trug, das zitronengelbe, an den Ärmeln blau abgesetzte, mit dem Wappen des SvFF (Svenska Fotbollsförbundet) auf der Brust. Seit ewigen Jahren "mein" Team, wie ich irgendwann zum schwedischen Fußball kam, weiß ich gar nicht mehr.

Gleich geht das Spiel los, mein Kumpel hat auf alles mögliche gewettet, "Schland" wird hoch gewinnen, Miro trifft, Mesut trifft, der Reus trifft, blablabrabra, mir alles wurscht. Ich sage "Da geht was für Sverige!" und möcht auch gern dran glauben...das Herz will das, das Hirn sagt "Alter, das wird so bitter heut! Zieh dein verdammtes Trikot aus, kauf dir harten Alk, damit du hinterher klarkommst und buddel dir schonmal ein Loch, in dem du dich vergraben kannst nach Abpfiff!" Und ich befürchte, das Hirn gewinnt gegen das Herz, ist ja irgendwie meistens so. Eigentlich ziemliche Scheiße.

Zuhause weht die schwedische Fahne aus dem Küchenfenster, die Spieler kommen aufs Feld und ich sitz da, schau mir die Stimmung im Stadion und vor allem in der schwedischen Kurve an und denk mir "Junge, da könntest du jetzt sitzen!"...hab dann aber vom Kauf einer Karte abgesehen, war zu teuer. So eine Scheiße...

Die Hymnen. Zuerst die schwedische. Ich stand auf. Jepp. Ich stand auf. Mein Kumpel und seine Freundin waren extrem belustigt, mir wurscht, wenn "Du gamla, du fria" läuft, wird aufgestanden. Mach ich bei der deutschen Hymne allerdings auch, wenns eben nicht grad gegen Sverige geht. Prioritäten muss man ja setzen. Sverige ist Priorität.

Mein Kumpel (ab jetzt F. genannt) lachte immer noch, während die deutsche Hymne läuft, normalerweise steht er da auch auf, aber er schien mich so richtig nicht ernstnehmen zu können und mochte mit Lachtränen in den Augen nicht die Hymne singen. Na gut. Darf er. Guter Mann. Nur eben von Fußball kaum Ahnung...HSV und Schland. Meine Fresse...

Die erste Hälfte ist schnell erzählt.
- Minute 8: 1-0 "Schland". Klose. Der, der wie ein Mädchen läuft. Aber schnell genug für die schwedische "Abwehr".
- Minute 15: 2-0 "Schland". Klose. Der, der wie ein Mädchen läuft. Die schwedische Abwehr agiert in etwa so wie Elche auf Schlittschuhen.
- Minute 39: 3-0 "Schland". Per Mertesacker. Bisher 83 Nationalspiele, ein Tor. Das der heut trifft sagt alles. Ich hake das Spiel ab.

Aber eigentlich hab ich das so kommen sehen. Es trifft mich kaum. Ich scherze mit F. und seiner Freundin, haha, die bekommen auch sechs Stück, so wie die Iren, haha, ach Gott, dieses Trikot, Unglück bringt es, haha, und generell, wie komm ich auf den verqueren Gedanken, die Schweden könnten hier IRGENDWAS reißen?? Ich find mich ja selber schon so'n bisschen lustig, wie ich da auf der Ledercouch sitze, in meinem Trikot, und das ganze mal schweigend, mal peinlich berührt lachend "ertrage".

Halbzeit zwei beginnt.

Unter schwedischer Flagge spielen zwei neue Gesichter und das macht sich bemerkbar. Die Tre Kronors rennen an, rennen an, rennen an, rennen...in nen Konter.

- Minute 55: 4-0 "Schland". Mesut Özil. Ich halte fest: Es haben ausschließlich ehemalige Spieler meines Herzensvereins getroffen. Froh macht mich das nicht. Ich versinke wieder in der Ledercouch, mach auf dem Handy Dinge, hab mich mit der Packung abgefunden.

"Lass das bloß nicht noch schlimmer werden!" denk ich, da haut irgendwer, ich glaub der Källström, mal einfach ne Flanke aus dem Halbfeld in den 16er und....IIIIIIBRAAAAAAAAHIIIIIIIIMOVIC!!! Der mit Abstand GEILSTE Spieler aller Zeiten hält seine Rübe samt Samurai-Zopf rein!

- Minute 62: 4-1 Sverige! Ibrakadabra!! Ich lächle. Und warte auf den Gegenschlag.

Der Gegenangriff läuft. "Schland" verliert den Ball im Mittelfeld. Hoher Pass in die Spitze, Badstuber verschätzt sich, der gute Mann mit dem Nachnamen "Lustig", Vorname Michael, haut aus spitzestem Winkel druff und Herr Neuer kriegt das Ding nicht zu fassen. DRIN!! Ich spring hoch vom Sofa und balle die Fäuste...da geht noch was!!

- Minute 64: 4-2 Sverige. Michael LUUUUUUUSTIIIIIIIIG!!! Wenn selbst DER schon trifft...! Ich bin wieder da, vor fünf Minuten noch gelangweilt auf dem Sofa gelümmelt, aber jetzt bin ich wieder am Start! Ich schreie die Freude raus! SVERIGE!!!

Eine Minute später vergeben die Jungs in gelb/blau gleich zwei 100%ige in 20 Sekunden, meine Omi hätte beide reingemacht. Drei Tore in fünf Minuten, das wäre es gewesen! Ich weine. Also fast.

Jetzt dreht "Schland" wieder auf und ich sink wieder tiefer in mein Sofa rein...ich schau schon gar nicht mehr hin. F.'s Kommentare reichen, der braucht noch ein Tor der Deutschen, um etwa 160 Taler reicher zu werden...er fiebert mit, er brüllt, er schreit, ich sitz nur da und schau selten hin...und dann...

...meine Jungs kontern. Das können sie nicht. Das geht IMMER in die Hose! Beobachte ich seit Jahren, zum Kontern sind die Schweden zu langsam!...und irgendwie murmelt der Ball durch zu Johan Elmander und der haut ihn irgendwie ins lange Eck.

- Minute 76: 4-3 Sverige. Johaaaaan EEEEEEEEEEELMANDEEEEEER!!! Adrenalin schießt rein, ich war lang nicht mehr so angespannt. Ich brüll es raus und werde zur Ruhe gerufen. "Alter, ich geh auch kaputt...aber die Kleine schläft!" Da war ja was...

Da geht noch was, das weiß ich. Das kann hier heut historisch werden! "Schland" schwimmt, Sverige drückt...und ich hätt live dabei sein können, verdammt! Ich hau mir zweimal vor den Schädel, dann ist der Gedanke weg. Hier gehts grad um Wichtigeres.

Der nächste schwedische Angriff rollt an. Kim Källström passt steil auf Zlatan, Neuer ist schneller, fängt den Ball - und verliert ihn! Zlatan passt auf irgendein verdammtes AXXXXloch, das es dann nicht schafft, den Ball im leeren Tor unterzubringen aus zehn Metern Entfernung. Der Ball geht zu hoch und zu weit rechts am Tor vorbei. Ich FASS es nicht!! Ich hätt den gemacht, meine Omi hätt den gemacht, jeder hätt den gemacht...aber der Spieler, dessen Namen ich glücklicherweise nicht weiß, haut den Ball sonstwohin, nur nicht ins Tor. Das war schwieriger, als zu treffen. Mein Gott...

Ich knie etwa eine Minute mit dem Rücken zum TV auf der Couch und schäme mich fremd...grad, als ich mich wieder zum Fernseher drehe, haut der Kroos den Ball aus ungefähr 80 Metern an den Pfosten.

Ich bin ein ziemlich kleines Häufchen Elend, das zusammengekrümmt auf einer Ledercouch in der Wohnung eines HSV-Fans liegt.

Das Spiel ist aus.

Fast.



Dritte Minute der Nachspielzeit.

Letzter Angriff. Irgendwer verliert in der Vorwärtsbewegung den Ball, meine Jungs spielen ihn links raus, ich springe auf, es ist die letzte Szene des Spiels und ich weiß, da passiert was...der Ball kommt flach rein, wird von nem deutschen Abwehrspieler touschiert, prallt hoch ab...die Sekunden, die er in der Luft schwebt sind lang, erscheinen wie Minuten...und Rasmus Elm steht am richtigen Platz, als der Ball runterfällt.  Rasmus Elm erwischt ihn...volley...flach links unten rauscht das Ding ins Netz. Manuel Neuer guckt nur doof hinterher.

Drin das Ding.

RASMUUUUS EEEEEEEEELLLLMMM!!!

Drin!! DRIN!!! DRIIIIIIIIIIIIN!!!!

Anstoß und direkt Abpfiff. Das Spiel ist aus. Aus! AAAUUUS!!!

4-4. Schweden gewinnt 4-4!!!

4-4 nach 4-0. ...!!! SVERIGE!!! Jag älskar dig!!!

Das muss ich jetzt erstmal realisieren. Das ist fucking history.

Ich genieße. Ich schreie nicht rum, ich brülle nicht. Die Kleine schläft! Ich nehm mir ganz ruhig ein Bier, im Vorbeigehen fistbump mit F., der relativ schockiert ist. Ich geh die drei Stockwerke runter, stell mich auf die Straße, mach mir das Bier auf, lass mein Handy die schwedische Hymne spielen, stoße mit mir selbst auf das geilste Spiel seit Anfang 2004 an...und dann BRÜLL ICH DIE GANZE FREUDE VERDAMMT NOCHMAL RAUS!!!!!!

Die Nachbarn hassen mich. Ich hab durch den Urschrei Minimum vier bumsköpfige Kleinkinder aufgeweckt, die nun Angst haben,  krakeelen und geliebt werden möchten.

Ich liebe auch. Und zwar grade alles und jeden. Und mein Team.

Tre Kronors! HEJA SVERIGE!!

Summe mich dann mit der schwedischen Hymne in den Schlaf.

Und träume hiervon.

                                    





Mittwoch, 14. November 2012

Der Tag, an dem es passte.

Anfang Juli 2012. Meine allerliebste Lieblingsband tourt endlich mal wieder durch Europa. Für mich heißt das: MUSS ich hin. Letztes Jahr hab ich sie noch in Frankfurt und in heimischen Gefilden gesehen, dieses Mal spielen sie nur in Berlin. Oder auf Festivals. Und ich hasse Festivals. Nicht ordentlich duschen können, nicht ordentlich kacken können, nicht ordentlich schlafen können, nicht ordentlich Musik hören können...denn die Band mit neunzigtausend anderen vor einer Bühne, groß wie ein Parkplatz, zu teilen...nein, das hat für mich nichts mit "Konzert" oder "Spaß" zu tun. Und dafür noch hundertirgenwas zahlen? Klar! Arschlecken!

Ein gutes Konzert hat nicht mehr als 200 Zuhörer und findet möglichst im kleinsten intimsten Club, den man auftreiben kann, statt. Bei nem Konzert will ich die Energie der Band spüren, mitgerissen werden, mit der Band interagieren. Notfalls, wenn auch ungern, Schweiß-/Spucketropfen abbekommen, das ist ekelhaft, aber den Preis zahl ich gern.

Fünfzig Meter von der Bühne weg zu stehen, die (schlimmstenfalls) Kommerzband nur per HD-Leinwand zu sehen und die Musik nur aus der Ferne wahrnehmen können...Scheiße, nein, das hat nichts mit einem guten Konzert zu tun! Auf Festivals kann man sich sicherlich grandios zum Filmriß saufen, man kann sicher tolle Leute kennenlernen, garantiert kann man Spaß haben, man wird sich garantiert noch Jahrzehnte danach daran erinnern, "Ach, guck, wir beide, vollgekotzt beim Rock am Ring, im Hintergrund spielen "Die Toten Hosen", die "Oldskool Punks"...heute, mit fast siebzig, feuern sie auch noch jedes Jahr eine Ballade raus, das haben sie ja damals schon getan, wenns mal nicht lief. Karriereknick? Ballade spielen! Der Durchschnittsdeutsche feiert das dann ab. Zum Kotzen, diese Band!! Pseudopunkscheiße. Und wahrscheinlich kommt gleich Alex und vermöbelt mich mal so richtig!" Oha, da musste wohl mal was raus. Ups. Aber ist ja die Wahrheit...

Ich ziehe jedes Garagenkonzert einer guten No-Name-Band mit vier Zuschauern einem Festival mit achtzigtausend Deppen auf einem Gelände ohne ordentliches Scheißhaus vor.

Aber...

...darum gehts ja gar nicht.


Meine allerliebste Lieblingsband spielt also mal wieder auf dem heimischen Kontinent. Unter anderem auch in Berlin. Am achten August. Pflichttermin.

Ich betrete den Ticketshop meines Vertrauens, hier hab ich schon die beklopptesten Sachen bekommen, die es anderswo nicht gab.

Ein kleiner, enger, innen mit Postern zu tapezierter Laden, ein kleiner Bedienthresen, der voller Flyer für die Clubs und Theater der Stadt ist, sie liegen wild herum. Alles auf den ersten Blick vollkommen chaotisch. Ich mag das.

"Hallo, was kann ich für Sie tun?"

Hinter dem kleinen Thresen sitzen abwechselnd zwei ältere Herren (Mitte 50; "Ich kann den Namen der Band, die sie sehen möchten, nicht aussprechen...aber ich wünsche ganz viel Spaß!"), die immer stinkefreundlich sind und mir schon so manchen Wunsch erfüllt haben und denen ich irgendwann mal auf Knieen daher kriechend ein Opfermal bringen werde. Vielleicht den linken Daumen von Campino?...

"Guten Abend...ich kann doch hier auch Karten für Konzerte in Berlin kaufen, oder? Letztes Mal konnte ich..." - "Wenn es das letzte Mal ging, dann sicher auch heute. Was solls denn sein?"

Vorfreude. Mit freudig erregter Stimme sage ich

"Achter August, Festsaal Kreuzberg, boysetsfire! Bitte!"

Der nette Herr tippt auf der Tastatur herum. "Oha!" sagt er.

"Oha!!!" denke ich und Panik bricht aus. Ich beginne, zu schwitzen, das Atmen fällt schwerer als zuvor. Vor meinem inneren Auge tänzelt das Wort "Ausverkauft" hin und her, es trägt ein rosarotes Tütü und grinst mich fies an mit blitzeweißen Zähnen.

"Wieviele Karten sollen es denn sein?" Ich zucke zusammen. Er spricht mit mir. Aber: Meint der die Frage ernst?? "Naja, ich bin eine Person...also würd mir eine reichen!"..."Ooooooooha!!!" sagt er.

Ich schwitze. Und wenn der mir nicht bald sagt, was Sache ist, dann kletter ich über diesen verdammten Thresen und...

"Da kann ich Ihnen jetzt nur gratulieren! Das war ein Volltreffer!" - "Wie bitte?" - "Sie haben soeben die letzte überhaupt verfügbare Karte für das Konzert erstanden. Es gibt keine mehr. Keine Abendkasse, kein gar nichts, das Ding ist vollkommen ausverkauft!"

Ich gucke ihn mit großen Augen an, mein Herz puckert wie bescheuert. "Ich hab die letzte...die allerletzte Karte überhaupt bekommen??" - "Ja, genau, die allerallerALLERletzte Karte war das!" Das demonstriert er mir dann auch gern nochmal, er versucht, eine weitere Karte für das Konzert zu erstehen, ich kann seine Arbeitsschritte auf einem Monitor auf dem Verkaufsthresen ansehen und nachverfolgen. Da geht nix mehr. Ich hab die ALLERletzte Karte gekauft. Wegen nem Bauchgefühl, das mir sagte "Geh nicht erst  morgen am freien Tag hin, machs jetzt, dein Kollegah kommt auch mal ohne dich aus!" Wahnsinn!! Zufall?? Göttliche Fügung?? Mir alles egal, ich hab das Ding!!

"Na Mensch, sie freuen sich ja!" stellt der nette Herr hinterm Thresen fest und freut sich wohl auch ein bisschen mit. "Da haben sie aber wirklich Glück gehabt!" Und ich würd ihn am liebsten grad umarmen und er weiß das zum Glück nicht.

Beschwingten Gemütes ging es zurück zur Arbeit, die ganzen kranken Asis dort konnten mir an dem Tag nix, aber auch gar nix mehr, meine Mannschaft hat gewonnen und das Geld für die Konzertkarte kam durchs Trinkgeld wieder rein. Kanns besser laufen?

Ich mag solche Tage bitte gern öfter haben!! 

Dienstag, 13. November 2012

Der Papst muss warten.

34 Grad. Die Sonne brennt. Ich schwitze wie ein Weltmeister und wünsche mir norddeutsches Klima herbei. Jetzt bei 13 Grad im Nieselregen herumlaufen, wie herrlich! Stattdessen ballern mir weiterhin diese hammerharten Temperaturen und ein wolkenloser Himmel auf die Schädeldecke. Nicht zum Aushalten!!

Also sitz ich da, im Kreise meiner Reisegruppe. In der Sonne, auf den Treppenstufen, die rund herum des riesigen Platzes angelegt sind. Hinter uns umrunden im Abstand von einigen Metern steinerne Säulen den Platz und in dem Rundgang unter dem Dach, das diese Säulen stützen, den Colonaden, ist der Teufel los. Der Teufel im Vatikan in Form von was-weiß-ich-wieviel-tausenden  Menschen, die mit uns warten. Darauf, das er erscheint. Er, der alte Mann im weißen Gewand. Habemus papam! "Wir sind Papst!" Hallelujah!! Seine Heiligkeit, der Papst, soll hier nachher in seinem Papamobil oder einem anderen Gefährt durch die in mindestens zweistelliger Milliardenzahl anwesende Menschheit rollen, dabei Hände schütteln, selig sprechen, taufen, weiß der Geier, was der Kollege sonst noch tun soll, will, muss.

Ich bin gespannt. Und sitze und warte und schwitze und rate beim lustigen Gruppenspiel "Wer bin ich?" mit. Gezwungenermaßen. Die Zettel kleben dank des Schweißes von ganz allein an der Stirn, was das ganze Spiel etwas eklig macht. Und ich bin George Bush. DAS macht es auf KEINEN Fall besser. "Bin ich ein strunzdummes, was Politik angeht vollkommen inkompetentes Arschloch, das bei seiner Wahl bewiesenermaßen beschissen hat?" fragt doch niemand bei so einem Spiel, wie soll ich da denn meine geheime Identität entschlüsseln?! Ich verliere. Meine Laune sinkt in den Keller.

Ich gehe einfach mal los, noch ist der Platz leer, noch kann man das machen. Die Hitze macht fertig. Ich laufe bis so etwa in die Mitte des Platzes. Das sind knappe 100 Meter, wahrscheinlich sogar mehr. Hätte ich doch jetzt bloß schon mein tolles Smartphone. Hab ich aber nicht. Grad wärs hilfreich, denn der Anblick ist nicht in Worte zu fassen und ich hätte doch so gern Erinnerungsaufnahmen. Ich dreh mich langsam im Kreis und sehe in immer fast gleichbleibender Entfernung die Stufen, auf denen irgendwo auch meine Gruppe sitzt, die weißen Säulen und in den Colonaden drängen sich die Massen. Der Platz ist fast menschenleer, denn keiner will ja in der prallen Sonne sitzen, die überdachten Gänge quellen über vor lauter Menschheit. Und ich bin mir ziemlich sicher, daß die da viel viel mehr schwitzen als ich, der mitten auf diesem beeindruckenden Fleck Erde steht, das Panorama des Petersdoms im Rücken. Und noch dazu ist es ein verdammt geiles Gefühl, diesen Platz fast für sich allein zu haben! Ich fühl mich richtig gut, aber an so einem heiligen Ort kann selbst ich mich zurückhalten. Ergo nicht wieder in lautes Kampfgebrüll ausbrechen, nur mal kurz die Faust in der Hosentasche ballen und ne Runde in sich rein freuen.

Auch die beiden Brunnen auf dem Petersplatz sind beeindruckend, in dem, an dem im Buch "Illuminati" der Bischoff (oder was der war) abgemurkst wird, baden sich einige wenige Schwitzende die Füße. Auch schön. Ich überlege, ob das bei so einem Kunstwerk von Brunnen nicht irgendwie barbarisch ist - würde aber sofort mitmachen. Abkühlung, oh Mann. Das wär jetzt ein Hit!

Zurück zu meiner Gruppe. Ich setz mich hin, schau mich um...ein ziemlich hübsches Mädchen mit langen dunklen Haaren hat eine eingefrorene Wasserflasche in den Händen, dreht und wendet sie, schaut sie fragend von allen Seiten an...guckt dann mit großen Augen in die Runde und fragt: "Wie bekommen die eigentlich das Eis in die Flasche?!?" Betretenes Schweigen. Ungläubige Blicke. Ich spiele mit dem Gedanken, entweder mit dem Finger auf sie zu zeigen und laut zu lachen oder die nächsten 30 Minuten mit dem Kopf vor eine dieser riesigen Säulen zu hauen...

Das kann jetzt nur noch der Papst, UNSER Papst retten! Aber der kommt nicht. Warten.

30 Minuten später. Hätte ich mal den Kopf gegen die Säule gehauen. Dann wär hier jetzt Ende. Kein Papst zu sehen. Aber der Platz füllt sich zusehends. Ich könnt was essen...

30 Minuten später. Der Platz ist voll. Kein Papst zu sehen. Wo und wie soll der auch durchkommen mit seinem Autodingsbums? Ich könnte nicht nur, ich müsste sogar dringend was essen....

30 Minuten später. Auch ein Papst kann sich mal verspäten. Auch um eine Stunde. Der ist alt, der braucht halt länger.

Mein Magen macht seltsame Geräusche.

Eine halbe Stunde später. Der Magen brüllt mich an. "Gib Essen! Du Arsch!!" Ich leide. Er auch. Der Platz ist inzwischen rappelvoll. Gedränge und Geschubse, schlimmer als bei Metallica vor der Bühne. Ellenbogen werden verteilt, jeder will der erste in der Reihe sein. In welcher Reihe eigentlich? Es lässt sich keine ausmachen. Durchsage: Der Heilige Vater ist auf dem Weg. Hatte wohl verschlafen.

Zehn Minuten später. Mein Magen bringt mich um. Im Umkreis von etwa 20 Metern kann man ihn knurren hören und ich werde böse angeschaut und mir wird ein "Psssccchhhtt!!" entgegengezischt wie im CinemaxX in der Abendvorstellung beim Aufreißen der Chipstüte.

Ich will durchhalten, ich will. Ich WILL. Meine Omi ist so stolz. "Ach Gott, der Junge trifft den Papst!" Geweint hat sie vor Rührung. Omi ist sehr gläubig.

Und ich bin sehr hungrig.



Ich habe das Gedränge des Platzes gerade hinter mir gelassen, da bricht der Jubel los. Da isser wohl, der alte Mann im weißen Gewand. Und verteilt vermutlich High-Fives. Und Segen. Und was weiß ich noch.

Is mir wurscht.

Ich finde eine kleine Pizzeria etwa 500 Meter vom Petersplatz weg und 10 Minuten später stopfe ich ein Meisterwerk, erschaffen von einem wahren Meister der Pizzabäckerzunft, in mich rein, als gäbs kein morgen mehr.

Habemus Pizza! Besser geht grad nicht!

Der Papst muss warten.

Nächstes Mal denn...

Freitag, 2. November 2012

Süßes oder Saures. Oder Bullshit.

...
 
Ich schlurfe durch knöchelhohe Laubhaufen, es ist Herbst.
 
Endherbst, denn letzte Nacht gabs Temperaturen unter Null. Temperaturentechnisch also fast Winter. Ich mag Winter. Und ich mag auch Herbst. Fick Frühling, fick Sommer...das findet jeder gut. Ich nicht. Mainstream. Will ich nicht. Kann ja jeder.

Ich schlurfe immer noch durch das Herbstlaub, inzwischen sind meine Füße etwas nass, die Chucks, Geschenk einer Exfreundin, ich trag sie trotzdem noch gerne, ..."die wohnt ja jetzt auch in Berlin" denk ich mir, während ich beim Laufen runter auf die eigentlich zu kleinen Chucks schaue, "irgendwo in Spandau, irgendwo janz weit draußen, im Wald, hat sie gesagt, 100 Meter von Brandenburg entfernt. Das ist doch gar nicht mehr richtig Berlin, da muss ich auch gar nicht neidisch sein!"... , können die Feuchtigkeit nicht draußen halten. Nach und nach durchweichen auch die Socken und die unangenehme Kälte dringt an meine Zehen.

Eklig.

Passend.

Denn heut ist Halloween. Und ich bin verkleidet als unausgeschlafener ungewaschener miesgelaunter Mensch, der zum Discounter tappt, um Fertiggerichtscheiße zu kaufen. Einen Kater hab ich auch dabei, einen ekelhaften Wochentagskater. Er nervt.

An meiner allerliebsten U-Bahn-Haltestelle stehen neben mir Cowboys...COWBOYS!!..., ein Mensch mit in den Kopf gebohrter Flasche, er sieht aus wie ich mich fühle,  ein Haufen Zombies und eine Gruppe Vampire. Eine maximal 18 Jahre alte Vampirin stürmt mir entgegen, "faucht"...ccchhhrrrrrrrrrrrrr...und ist kurz davor, mich anzuspringen und sich in meinen Hals zu verbeißen...was maximal in nem Knutschfleck enden kann. Bevor es soweit kommt, interveniere ich mit einem ruhig, aber bestimmt ausgesprochenem "Wehe! Spring mich an und du hast zwei Beißzähne weniger!"...die "Vampirin" guckt verdutzt, murmelt dann "Fick dich doch selbst!" und trollt sich zurück zu ihren Leuten. Vampire sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. I blame YOU, Robert Pattinson!!

Die Bahn rollt ein. Ich steige in den zweiten Waggon von hinten. Das tu ich immer, reiner Aberglaube.

Vier Sekunden später möchte ich wieder aussteigen aus dem zweiten Waggon von hinten. Denn er ist gefüllt mit einer Grundschulgruppe, alle geschminkt, alle böse Zombies, alle auf Süßfraßjagd und alle gehen mir auf den Sack. Und ich kann die ja nicht alle KO hauen...kleinere haut man ja nicht. Scheiße. Meine Kopfhörer spucken den Metalcore extralaut raus, "Heaven Shall Burn" verprügeln meine Trommelfelle...und trotzdem hör ich die Kack-Kinder noch. Ist das unterbewusst? Oder einfach Kopfkino?

Es ist nur eine Station, die Fahrt dauert 3 Minuten...kommt mir wie Stunden vor. Dieses elende kleine verkleidete Pack. In Barmbek steig ich aus. "Heaven shall burn"  brüllen mir "The weapon they fear" ins Ohr und die "weapon", die sie "fearen" könnt ich ganz gut gebrauchen. Der Barmbeker Bahnhof ist überlaufen von den verkleideten Hosenscheißern. Ich kenne zum Glück Aus- und Umwege und entfliehe vorerst dem ganzen Geraffel.Endlich mal "Little Britain" zitiert, wo ist meine "to do in life"-Liste??

300 Meter noch zum Ziel und der Weg verspricht nicht viel, ich will doch nur einkaufen. Aber überall diese ekligen kleinen verfickten und verkleideten Kinder. Ist ja Wahnsinn, letztes Jahr war das nicht so!

Ich stehe an der Kasse und es zupft an meinem Hosenbein. Ich schaue runter. Ein verkleideter Wicht. Und er strahlt mich an und hat passend zum Piraten-Outfit auch einen Schneidezahn geschwärzt. Und mit dem Plastiksäbel haut er mir ans Bein. Er will Süßes. An der verdammten Kasse im Penny am Barmbeker Bahnhof, an der ich grad Tiefkühl-Lasagne, Käse, Eier und ne Buddel Wein bezahlen will. Und die Scheiß-Eltern stehen paar Meter weiter und freuen sich und knipsen Fotos. Die knipsen im verdammten Penny an der verdammten Kasse verdammte Fotos von ihrem verdammten verkleideten Kackkind, wie es mir seinen verdammten Plastesäbel gegens Bein haut! Solche Leute würd ich gern mal (......................zensiert.........................), aber mal so richtig!! Fuck. YOU!!

Der Einkauf ist geschafft. Die Bahn ist weg und auf Bus fahren hab ich keine Lust. Zu Fuß nach Haus. Sind ja nur 15 Minuten. Unmengen kleiner Mistkinder, die verkleidet rumschnorren, mich aber unbehelligt lassen. Der Blick vielleicht? Kurz telefoniert. Die beste Freundin anrufen, checken, was Sohnemann macht. "Ist Niko auch unterwegs?" - "Neeh, der findet sich dafür zu alt und daddelt mit nem Freund an der Playsi." - "Sehr gut, ich habe nämlich beschlossen, Halloweenkinder scheiße zu finden! Wenigstens macht Niko da nicht auch noch mit!" - "Haben wir eben gut erzogen!"

Eine kleine Prinzessin kreuzt meinen Weg. Guckt unsicher. Ihre Endzwanzigermutti steht ein paar Meter weiter. Guckt auch unsicher. Ihre Tochter steht einem unrasierten, offensichtlich extrem schlecht gelaunten Typ mit schwarzer Kapuze auf dem Kopf gegenüber, aus dessen Kopfhörern noch dazu mordlüsterne Musik dröhnt.  Die kleine Prinzessin steht da, rosafarbene Krone auf dem Kopf, ein Zepter (?) in der Hand. Und guckt zu mir rauf, geht mir nichtmal bis zum Bauchnabel. Ich guck zu ihr runter. Sie wedelt entschlossen mit ihrem Zepterdings und ruft "Abrakadabra, ich möchte Süßigkeiten!!" Wohl eine Zauberprinzessin oder sowas. Aber...sie hat mich. Scheiße. Ich hab doch ein gutes Herz. Sogar heute.

Und Süßigkeiten hab ich auch, die wurden mir grade völlig gegen meinen Willen aufgedrängt. "Hier, für sie!" - "Nein danke, ich hasse diesen Tag und ich hasse auch Süßzeugs, danke!" - "Stellen sie sich nicht so an! Hier, Schokolade und ein paar Bonbons, nehmen sie!" Und ich nahm, denn ich hatte keinerlei Lust auf weitere Diskussionen.

Das Zeug geb ich nun der kleinen Zauberprinzessin. Werf es in ihren (natürlich pinken) Jutebeutel. Sie guckt mit großen Augen, rast dann zu ihrer Mutti und brüllt "Muttiiiiiiii, ich hab Schokolaaaaaaaade bekommen!!!!". Und springt Mutti um den Hals. Mutti sieht nur noch mit einem Auge, das andere blockiert die jubelnde Zauberprinzessin, das eine freie Muttiauge aber strahlt mich an, lächelnderweise. Und mit der freien Hand bekomm ich einen hochgestreckten Daumen. Normalerweise bekomm ich immer nur hochgestreckte Mittelfinger.

Und irgendwie hab ich warum auch immer jetzt ein besseres Gefühl im Bauch.

Heim. "Chillen". Ich hasse das Wort. Füße hoch, TV an, es läuft wie fast immer nur Kacke. Ein prima Mensch im ICQ rettet den Abend.

Es klingelt an der Haustür. Oder besser: Es stört an der Haustür. Es ist irgendwas gegen 23.20. Ich mach das Fenster auf, schaue runter zum Hauseingang. Und sehe einige sechs-, sieben-, achtjährige Kids samt elterlichem Begleitschutz. Na wenigstens das.

Wie groß muss die Verzweiflung sein, die einen dazu bringt, mit der versammelten Balgenschar um fast halb zwölf nachts umher zu hausieren und bei Menschen im dritten Stock zu klingeln, damit die bestenfalls noch nach unten marschieren und den Ausgeburten den Süßkram demütig vor die Füße legen? Alter! Da haben Schakkeline, Zementa und Dschastin wohl noch nicht genug Dreck bekommen. Da müsst ihr mir um diese Zeit noch auf den Sack gehen??

Ich werfe Brandbomben und dann hab ich Ruhe.

Fuck Halloween!!

Die Geschichte einer S-Bahn-Fahrt.

Das hat was Olympisches.

Ich renne die Treppe zur S1 herunter. Ich hab es eilig! Ich will weg von hier! Reeperbahn, ich kann dich nicht leiden!

Ich laufe Slalom!

Von der Treppe runter den Schwung mitgenommen, full speed den Bahnsteig längs...

...den Obdachlosen tanz ich locker per Körpertäuschung aus und schaffs sogar, ihm nebenbei noch ne Münze in den Hut zu werfen. Die prallt zwei-,dreimal an der Hutkrempe auf, fällt dann aber doch rein.
Alte Basketballer-Weisheit. Wer trifft hat Recht!

Das Mädel zwei Meter vor mir wär vermutlich hübsch - würd sie nicht grad im Strahl kotzen. Auf den Bahnsteig. Gelblich/rosa, was mag das mal gewesen sein? Ihr Freund hält ihr die Haare hoch.

Situationsromantik.

Bahnsteigromantik.

Schön!

Kurz umschauen.

Kurz wundern.

Das Mädel im Mini mit der zerrissenen Strumpfhose...im Ernst, die ist volljährig? So'n Quatsch. Und die mit dem Ausschnitt bis zum Bauchnabel ist auch im Leben nicht 18. Hat dafür aber grad Minimum 7 Verehrer, die sie heut Nacht alle auf Rosen betten wollen und ihr morgen das Frühstück ans Bett bringen.

Ich spiele mit dem Gedanken, hinzugehen und zu sagen "Liebe Tochter, ich habe unterschätzt, wie sehr du die Jünglinge anziehen wirst! Welchen dieser Heroen willst du zum Gemahl nehmen?" Und denn mal gucken, wie die Jungs reagieren. Vermutlich können sie auf einmal richtg schnell rennen.

Ich renne auch, und zwar immer noch dieser bescheidenen Bahn hinterher.

Sie hält.

Ich bin (ein/am) Arsch, ich will einen Sitzplatz, ich drängel mich rein. Ellenbogen und so. Hab ein Viererabteil für mich allein ergattert. Strecke mich aus, freu mir n Keks.

An den Landungsbrücken steigt ein Paar samt Freundin ein, die Freundin setzt sich mir gegenüber, das Paar links neben mich, sie auf seinem Schoß...und die legen los als gäbs kein morgen mehr. Knutschen, fummeln, grabschen, teilweise rutscht sie, inzwischen stöhnend, von seinem Schoß auf meinen, was ich aber nicht will, da sie billig aussieht. Und ich mag keine billigen Frauen. Ein Ellenbogenschlag meinerseits unterbricht zum Glück das "Treiben". Vorwurfsvolle Blicke. Am Jungfernstieg steigen sie aus.

Ein steigen "Murat" und "Ömer". Und die beiden haben ein Problem miteinander. Dieses wird lautstark ausgetragen. In perfektem hochdeutsch! Kein "Alter", kein "Lan", kein "Isch fick disch", nix! Ich traue meinen Ohren kaum! Zu beleidigende Mütter scheinen auch beide nicht zu haben. Was ist hier los?? Ich verliere meine Wette, ich hatte getippt, daß Ömer zuerst ein Messer zieht... sie steigen in Hasselbrook(lyn) aus. Vielleicht habe ich meine Wette verspätet gewonnen und weiß nichts davon?

Ein steigt ein Mädel, klein, zart, große Rehaugen, hübsch gekleidet, anmutige Bewegungen... . Sie schaut medienwirksam einmal in die Runde und erbricht sich dann wortlos mitten in den Waggon, direkt vor die Tür, durch die sie grad eingetreten ist. Rotzt noch mal hinterher, damit auch ja keine Magensäure mehr im Rachen bleibt.. Und steigt an der nächsten Station aus, als wär nix gewesen. Auf den ersten Blick fand ich sie gut. Attraktiv. ... Jetzt nicht mehr. Kotzen ist eklig, egal, ob sturzbesoffener Biker, zierliches Mädchen oder Kleinkind. Wenn wer kotzt, bin ich raus. Ich bin auch kein "Lass alles raus Schatz, ich halt dir die Haare hoch!"-Kerl.. Wenn frau kotzen muss, dann muss sie da allein durch, Punkt, Aus, Ende.

Ich hasse Menschen.

Ein steigen Kevin und Rene. Standardchecker, Gelfrise, Fake-Brillis an den Ohren, sie hören Pussydo, laut, und wippen dazu in ihren Jogginghosen im Takt. Ich bin kurz davor, aufzustehen und zuzuschlagen. Kevin und Rene entdecken dann aber Schakki und Zementa (Standardbitches, auch Jogginghose, Schlampenwarzenpiercing (links/rechts über der Oberlippe) und natürlich hat auch eine von den beiden Pummelfeen pinke Strähnchen), die sich im hinteren Teil des Waggons befinden, ich hatte sie (zum Glück) noch nicht bemerkt.
Keine 5 Minuten später steigt man zusammen aus. Kevin mit Schakki an der Hand und Rene wird heut Nacht Zementa beglücken.

RTL2, deine Zukunft ist gerettet. Leider. Fuck.

Ich krieg Angst.

Das letzte Highlight der Nacht steigt dann an der Wandsbeker Chaussee zu. Brünett, hübsch, fast schon niedlich, stylisch gekleidet Vollkommen besoffen. Wo zum Henker kann man sich in Wandsbek so dermaßen abschießen?? Dummerweise ist genau der Sitzplatz mir gegenüber frei. Und sie findet den. Und schläft ein...stöhnt im Schlaf mehrere Male. Laut. Hmm.

Ich entscheide, sie aufzuwecken, bevor das HVV-Mitarbeiter tun, das ist immer schlecht, das hab ich selber schon erlebt. Also stups ich an, rüttel an ihrer Schulter. und tipp sie an den Hals. "Eyh, aufwachen jetzt! Meine Fresse, wie kann man denn so dicht sein??"

Sie reagiert. I see movement. Sie greift mir schrittnah an den Oberschenkel, murmelt irgendeinen unverständlichen Quatsch. Ich nehm ihre Hand da weg und ruckartig setzt sie sich auf.

"Er will mich nicht ficken!"

Oha.

Große Augen schauen in meine Richtung, eins nach links, eins nach schräg oben rechts.

"Das ist schade. Und hier ist Endstation. Was sowohl die Bahnfahrt als auch das Gespräch betrifft.."

Ich nehm sie am Arm. "Komm Alte, raus aus der Bahn jetzt!", und führe sie zu einer Sitzbank.

"Eyh, ich verschwinde jetzt, ich geh nach Hause. Mach keinen Scheiß!"

Ich werde Zeuge des dritten rückwärtigen Frühstückens innerhalb von nichtmal 30 Minuten. Diesmal wieder pink. Mädchenkotze eben.

Ich seh noch, wie ein Schmiertyp vor ihr stehen bleibt, warte kurz, der sieht zwielichtig aus...

"Willst du mich ficken?" fragt sie, die Speichelfäden hängen noch zwischen Lippe und Top. Es ist eklig anzusehen.

"Oh, oja, cool, lass uns ficken!" sagt er, fettige schulterlange Haare, kaugummikauendes Grinsen, er trägt Jeans mit Aufschrift auf dem Arsch.

Mir wird schlecht, wenn ich mir vorstelle, das solche Evolutionsopfer sich fortpflanzen. Ich fordere ein Fickverbot!! Ansonsten werden wir RTL2 nie los.

Kurz bevor ich meine Kopfhörer aufsetze und "Chimaira" mir den einzig passenden Text ins Ohr brüllen, hör ich sie noch sagen "Ich will aber zuerst nach oben!" Und er tätschelt ihr väterlich den Kopf.

Ich suche mir einen Ort, um meine Verachtung und meinen Ekel in die Welt zu schreien.

Das gelingt.

Und trotzdem bin ich traurig...

Die Sache mit Berlin und dem Döner.

 In Berlin gibts den besten Döner.

Is so.

Besser als in Hamburg.

Is Fakt.

Döner in Berlin ist um Welten besser als Döner in Hamburg. Döner in HH vs. Döner in B ist, als wenn der der SV Meppen, bei dem ich als kleiner Dötz in der Fankurve stand, damals noch im Trikot des einzigen mir bekannten Menschen mit drei Y im Nachnamen, Marko Myyry, der kleine Mann war Kult und die ganze Region Emsland hat ihn geliebt, gegen die Bayern spielt... Döner in Berlin versus Döner in Hamburg ist ergo wie Champions-League gegen Regionalliga. Es kann nur einen Sieger geben.

Zurück zum Thema.

Döner in Berlin versus Döner in Hamburg ist also, so meine These, eine eindeutige Sache.

.

Der Berliner Döner ist der beste! Mit Abstand.

Aber überall in Berlin?

Nein!

Ein kleines Lädchen an der Zossener Straße in Kreuzberg bleibt tapfer standhaft und hält die Fahne der Bastion des schlechten Geschmacks, der minderen Qualität und des (für Berliner Verhältnisse) vollkommen übertriebenen Preises wacker oben, immer im Wind, stets bereit, zur Tat zu schreiten, sollte sich Kundschaft hierher verirren, entschlossenen Blickes wird das Backgammonspiel auf dem Tischchen vor dem Laden unterbrochen und der Kundschaft (mir) grimmigen Blickes in den Laden gefolgt, auf ins Gefecht, auf der einen Seite er, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, das Unmögliche möglich zu machen, nämlich seinen unterirdischen Döner zu sagenhaften Preisen unters darbende Volk zu werfen, hier, in Kreuzberg, wo man doch eigentlich weiß, was ein guter Döner ist. Auf der anderen Seite ich, der Kunde, der noch gar nicht ahnt, in welcher Gefahr er (lies: Geschmacksrezeptoren und Verdauungstrakt) sich befindet.

Das Brot ist Standard. Nix dolles, aber es schmeckt. Getoastetes Fladenbrot eben. Kann man kaum was falsch machen.

Das Fleisch ist vermutlich das übelste, was ich bisher in einem Döner entdeckt habe. Es ist trocken und doch schwimmt es zugleich im Fett. Theoretisch ist das eigentlich gar nicht machbar, hier wirds in Vollendung praktiziert.

Chapeau! Ist auch ne Kunst!



Dazu ist es knorpelig, kaut sich in etwa wie Gummi und ist an manchen Stellen heiß, an anderen bereits vollkommen erkaltet. Faszinierend eigentlich. Aber mein Essen soll mich nicht faszinieren, es soll mir schmecken.

Der Salat, den ich eigentlich abgesehen von Zwiebeln gar nicht haben wollte, er wurde ohne nachzufragen wort-und-lieblos ins Fladenbrot gefeuert und bei einem Blick auf die Miene des Döner-Dealers verließ mich auch spontan jedwede Lust auf Intervention - wohlmöglich wäre ich sonst selbst dort am Spieß gelandet. Der Salat hatte auch seine (ich nenne es mal vorsichtig) "Ecken und Kanten". Die Zwiebeln sind frisch, sehen so aus, schmecken auch so. Es soll das einzig positive bleiben. Der Krautsalat schlüpft so grad noch unter der sich schließenden Schranke des guten Geschmacks durch, geht aber um Längen besser, natürlich, denn es handelt sich hier, natürlich, um schnöden Krautsalat aus der Discounter-Plastikdose. Natürlich. Übrig bleiben ein Rotkohl, der so trocken ist, als läg er schon ne lange Weile in der Gegend rum, von Feuchtigkeit keine Spur, vermutlich kann man damit einen Kamin befeuern, und grobgeschnittene, eher gehäckselte Gurkenstücke, die auch keinen allzu fitten Eindruck mehr auf mich machen.Vertrocknet, verschrumpelt, in sich zusammen geschrumpft, so "angeschnittene Salatgurke nach drei einsamen Tagen im Kühlschrank"-Style. Eklig. Widerlich. Ungenießbar. Natürlich.

Ich habe Kräutersauce geordert, ich hatte ansonsten nur noch Reste von Knoblauchsoße zur Wahl, die sich allerdings schon verfärbten... Ich war Zeuge, wie irgendetwas auf die Innenseiten des Brotes geschmiert wurde. In rauen Mengen. Es sah aus wie Kräutersauce. Oder von mir aus wie Remoulade. Geschmeckt hat es nach...GAR nichts. Nada de nada. Niente. Ingenting. Niets. Und weils grad so lustig ist nochmal auf Esperanto: Nenio!  Es war was da, eine ganze Menge Etwas sogar, optisch sprang es einem weiß/gelblich mit Kräuter(?)stückchen unterlegt ins Auge, geschmacklich sprang da gar nichts. Außer nach relativ kurzer Zeit meine rebellierende Magenschleimhaut. Auf einer Mitfahrgelegenheitsrückbank irgendwo in Brandenburg auf der Überholspur der A24 zurück in die Provinzstadt an der Elbe.

Ich bin Hamburger. Ich kaufe oft schlimmen Döner für viel zu viel Geld, in Hamburg gehts einfach nicht anders. Es gibt Ausnahmen, aber der Hamburger Durchschnittsdöner muss sich gegenüber seiner Hauptstadtkonkurrenz in Grund und Boden schämen. In Berlin gibt es tollen Döner zu Preisen, bei denen ich zuallererst nach einer versteckten Kamera suche. Oder darauf warte, daß der nette Mensch hinter der Theke einen Lachanfall beklommt, sich auf die Schenkel klopft und "Alter, nein Mann, ich hab dich verarscht Lan! Natürlich gibts den nicht für Zweieurofünfzich, du glaubst auch noch an den Weihnachtsmann, oder was??" Passiert aber nie. Hab in Kreuzberg schon Döner für 1,50€ gegessen und die waren besser, als so manches 4plus-Euro-Teil hier auf dem Hamburger Dorf.

Hier kostet der Mini-Döner (für den ich mich entschieden habe, Glück im Unglück quasi) 2,50€ und der normale 3,50€. In Berlin. In Kreuzberg. Und wieder erwische ich mich, wie ich die mit siffige Decke nach einer Kamera absuche und warte darauf, das der ältere beschnauzbartete Mensch hinterm Thresen seine Mimik von "Silence! I kill you!" in oben beschriebenes Szenario wechselt. Und wieder passiert es nicht. Die meinen die Preise hier todernst.

Für Berlin ein Witz, ein schlechter. Wenns denn wenigstens Qualität dafür gäbe, dann würd ja zumindest ich hier nicht fassungslos auf die Preistafel schauen. Aber die gibts ja nicht. Es gibt hier nur völlig überteuerten Dreck im Standard-IchBinNichtsBesonderes,FickDich-Fladenbrot. Mit frischen Zwiebeln.

Hier zu bestellen war ein fataler Fehler.

Am Marheinekeplatz ist es voll, rappelvoll an diesem Sonntag Nachmittag, da tobt das Leben, Flohmarkt, Familienpicknicks, Jugendgruppenbesäufnisse, Rentner führen ihre Teckel Gassi, Leichtbekleidete liegen in der Sonne und werden rot, gefühlt halb fucking Kreuzberg ist am Start, die Luft brennt, alle sind hier, alle!


Der Dönerladen des Grauens ist auch hier. Am Marheinekeplatz.

Und er ist leer. Menschenleer. Links liegen gelassen. Da ist niemand! Nur ich. Um da zu essen.

Fehler. Anfängerfehler.

Ich hätte es wissen müssen...

The beginning is the end is the beginning.

Qype will mich nicht mehr.

Oder...Qype vielleicht schon, aber Yelp nicht?

Oder... ICH will Yelp nicht?

Ich will kein Yelper sein. So ist das!

Denn "Yelp" klingt eklig. Einer, der ersäuft und an der Wasseroberfläche seinen letzten Atemzug tut, der macht so ein Geräusch, der macht "yelp". Dann geht er unter.

Ich geh auch unter, wenn ich nicht mehr schreiben darf, wie ich das gern möchte. Ich schreibe lange Texte, ich bebildere sie gern, und ja, ich fluche. Gern, viel und oft. Und wenn ich das bei Qype...Yelp...Qelp?...nicht mehr so tun darf, wie ich das möchte, dann bin ich eben weg. Werde vorerst noch in Hab-Acht-Stellung bleiben und die Lage beobachten, aber wenn ich nur noch keimfreie Vierzeiler ohne Bilder posten darf, die auch ein Schimpanse oder ein Neanderthaler hätten schreiben können --> Middle Finger Response (by Propaghandi). Ich möchte zitieren: "Fuck you. Fuck you. Fuck all of you!"

"Yelp" kann mal schön alleine "yelpen", ich hab da keine Lust drauf.

Aber irgendwo musser hin, der ganze Quatsch im Hirn, der raus will, niedergeschrieben werden will, bevor der Schädel platzt und es einfach nur eklig wird. Ob man auch ein "yelp"-gleiches Geräusch von sich gibt, kurz bevor der Schädel platzt? Ich wills lieber nicht drauf anlegen...

Also blogge ich mal. Hab ich noch nie getan. Hab keine Ahnung davon. Wie das geht, was man da so zu beachten hat. Ich machs halt einfach. Folge damit dem Beispiel einiger meiner Lieblings-Qyper.

µnÐ3rÐ09 ("Kiezneurotiker", kiezneurotiker.blogspot.de)
EmilyWintergrün ("Emily Wintergrün", emilywintergruen.blogspot.de)
Tikerscherk ("posthistoire", posthistoire.wordpress.com)
kankyo ("Durch die Blume gesehen...", sunflower22.blogger.de)

(weitere werden folgen, da bin ich mir sicher.)

Ich hab keine Ahnung, wohin mich das hier führt. Aber ich bin gespannt drauf.
Ich hab keine Ahnung, was ich hier tue. Aber ich machs mal einfach.
Ich hab keine Ahnung, was in den nächsten Tagen passiert. Aber ich werd es niederschreiben.

Also auf...mal gucken, wohin der Weg geht. 

The beginning is the end is the beginning. (Smashing Pumpkins)