Freitag, 3. Mai 2013

Klotzfest, Kirche, Holger.

Gestern war ich auf einem Konzert.

Kein so richtiges Konzert, eher ein Kurzauftritt des sehr politisch angehauchten deutschsprachigen Hippers und Hoppers Holger Burner, den ich sehr mag. Der spielte nämlich gestern mit zwei Co-Musikanten auf dem "Klotzfest", einer Veranstaltung, die auf diverse Missstände in diesem unserem "Schland" aufmerksam machen möchte, seien sie nun gesellschaftlicher, außen-oder-innenpolitischer oder sonstwelcher Natur.

Der Name "Klotzfest" rührt daher, daß das ganze Ding neben dem sogenannten "Kriegsklotz", einem Mahnmal für im ersten Weltkrieg gefallene Soldaten, stattfindet. Dieser "Kriegsklotz", der äußerst martialisch daherkommt, zeigt Soldaten, die ins Gefecht ziehen, dazu die Inschrift "Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen" (die Punkband "SLIME" drehte den Spieß um: "Deutschland muss sterben damit wir leben können".

Ein kleiner hässlicher Österreicher mit verkümmertem Schnauzbart fuhr auf den Klotz 1936 bei dessen Einweihung voll ab, daß exakt 88(!) Soldaten in den Stein gemeißelt wurden, darf man aber wohl als Zufall verbuchen.

Mir war dieser riesige Steinblock schon einige Male aufgefallen, nie positiv, eher im Sinne von "Wer hat sich den Scheiß ausgedacht?", ich bin bis gestern aber nie auf die Idee gekommen, das mal zu recherchieren.

Jetzt steh ich also neben dem Ding vor der Bühne, höre Holger Burner zu, ein bisschen zumindest, und habe Kino im Kopf. Der verfickte kleine Ösi, wie er vor dem verfickten Steinklotz steht und geifernd seine Dummheit und seine Parolen heraus brüllt in einem Tonfall wie ein mieser kleiner Köter, dem jemand fortwährend in die Eier tritt.

Vielleicht stand er damals an der gleichen Stelle, an der ich grad stehe?

Das ist eine ziemlich ekelhafte Vorstellung...

Und die begleitet mich auch in der restlichen Zeit, davon kann nichts ablenken. Burner und seine Kollegen rappen und hippen und hoppen, es hilft nicht.

Kopfkino.

Der Endvierziger im Arsch-frisst-Hose-Style, der sich robotermäßig zu den Beats bewegt und dabei in etwa so gelenkig ist wie ein Finnwal... Großartig!

Kopfkino.

Die Besucher des evangelischen Kirchentages, die von einem Gottesdienst zum anderen wechseln und dabei an der Bühne vorbei kommen, verstört schauend ob der recht deutlichen Wortwahl Holger Burners, manche müssen danach wohl zur Beichte, sechs "Ave Maria" sollten die Schande reinwaschen, pray to the Lord, Halleluja. Großartig!!

Kopfkino.

Was mich bei denen irritiert hat: Was sollen die verschiedenfarbigen Halstücher? Rot und blau. Das kenn ich. Hab ich schonmal gesehen.

In nem Ghetto-Vorort von St. Louis, weit weg von Kirche und so, da waren die Blauen die "Cribs" und die Roten die "Bloods". Und die mochten sich nicht.

Kopfkino.

Ich sehe, wie die Kirchentagsbesucher mit den roten Tüchern sich vor denen mit den blauen Tüchern aufbauen und unmissverständliche Gesten senden...

Zack. Wieder hellwach. Was war das? Kurz umschauen. Holger Burner verabschiedet sich vom Publikum, jemand gröhlt "Tod dem Rechtsstaat!", keiner applaudiert, stattdessen umarmen sich die Pseudohippienutten auf der Bierbank vor mir zum Abschied, endlich mal auf ner politischen Veranstaltung gewesen, jetzt aber Prosecco!!

Und irgendwo hockt Holger Burner und schreibt ein Lied darüber...

3 Kommentare:

  1. Tja, leider ist diese Art von Kunst (der Polit-Rap) meist "preaching to the converted", was du mal wieder bestätigt hast.

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  2. Ave Maria bei Protestanten is nich.
    Ich mag die Art wie du schreibst. Und was du schreibst auch.

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    1. Danke für die Blumen! Das freut mich sehr :)

      Was die Ave Maria-Sache angeht, das wusst ich gar nicht, Religiöses ist jetzt eher nicht so mein Metier. Wieder was gelernt!

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