Kurz nach drei Uhr nachts. Durchs auf Kippe stehende Fenster höre ich seltsame Geräusche, ein Kratzen, ein Schaben, ich kann es nicht einordnen, ziehe den Vorhang weg und öffne mein Fenster im dritten Stock komplett.
Mein Freund F. hat seinen Schatz, ein 3er BMW Coupé, vor meinem Haus geparkt, mit der Bitte, ich möge doch ein Auge drauf haben. Er selber ist mit seinem anderen Schatz, seiner besseren Hälfte, für eine Woche nach Rom verschwunden. Das Auto der besseren Hälfte, ein alter verbeulter Fiat-Kleinwagen, steht derweil "eingeparkt" halb auf dem Gehweg, halb auf der eh schon engen Straße, auf ihn aufpassen soll ich nicht. Ich lasse das mal unkommentiert so stehen.
Nachdem ich den Vorhang weg gezogen und das Fenster geöffnet habe, sehe ich zuerst nichts, aber als sich meine Augen an die Dunkelheit angepasst haben, sehe ich zwei Gestalten, die versuchen, sich hinter den geparkten Autos auf der anderen Straßenseite zu verstecken. Ich starre auf sie runter, sie zu mir hoch.
Daß sie entdeckt sind, wissen sie. Daß ich sie auf keinen Fall einfangen kann (oder will), wissen sie auch. Deswegen rennen sie los und ich, oben an meinem Fenster im dritten Stock und in Schlafklamotten, versuche gar nicht erst, zu folgen. Viel mehr versuche ich, mir einzuprägen, wie die beiden aussehen. Das gelingt erstaunlich präzise.
Dann ziehe ich straßentaugliches Zeug an und gehe nach unten, um zu schauen, was überhaupt los war.
Vielleicht wurde ja nur besoffenen Koppes "Verstecken" gespielt und an Autos gab es gar keine Schäden.
Aber dem ist nicht so. Bei zwei Wagen wurden Schlösser geknackt, eine Seitenscheibe wurde zerstört, dabei habe ich gar kein Klirren gehört, ein Radio wurde wohl auch entwendet, es baumeln zumindest Kabel aus dem Armaturenbrett. Bei F.'s Wagen wurde sich am Schloß zu schaffen gemacht, bis ich es bemerkte. Ein paar Lackschäden, sonst ist da nicht viel passiert.
Ich rufe die Polizei hinzu und die ist schnell da. Zwei junge Polizisten, ich dürfte der älteste hier auf der Straße sein.
"Sie haben angerufen? Es soll hier Auto-Aufbrüche gegeben haben?"
"Richtig. Die beiden Wagen dort. Und bei dem BMW wurds versucht!"
"Aha, der ist ein bisschen zerkratzt am Schloß, sonst seh ich da aber nichts?"
"Die Typen haben am Schloß rumgemacht, deswegen ist da ja der Lackschaden. Dann haben die bemerkt, daß ich sie sehe und sind rennen gegangen."
"Da sind Sie absolut sicher?"
"Natürlich, ich habs ja beobachtet, von meiner Wohnung dort oben! Ich ruf Sie doch nicht zum Spaß her."
"Herr Fährlich, beruhigen sie sich!"
"Ich bin aber doch vollkommen ruhig?!? Ich erzähle Ihnen doch nur, was ich beobachtet habe und versuche, zu helfen??"
"Sie müssen das in einem ruhigeren Tonfall tun! Das gefällt mir so nicht!"
Ich stehe diesem Klotz von Polizisten gegenüber, warte darauf, daß er sich lachend auf den Oberschenkel haut, er tuts aber nicht.
Er schaut mich weiterhin todernst an.
Sein Kollegah untersucht inzwischen die aufgebrochenen Wagen. Er fummelt herum, er funzelt mit der Taschenlampe, er macht schwer auf CSI, dann verkündet er "Ja, das ist was hier. Vielleicht geht's hier um Diebstahl!"
Er schaut ernst in die Nacht.
Sein Kollege schaut ernst in die Nacht.
Es hat etwas aus einem Teenie-Film. Der Sternenhimmel, die Stille der (arschkalten) Mai-Nacht, vermutlich zirpen irgendwo auch Grillen und ich hör es bloß nicht. Wenn die sich gleich küssen, wie das in solchen Filmen in solchen Momenten immer passiert, muss ich mich übergeben.
"Vielleicht geht's hier um Diebstahl", stimmt, die Möglichkeit, daß die Besitzer der Wagen ihre Türschlösser und die Seitenscheibe mutwillig selbst zerstört und eingeschlagen und ein Radio ebenso mutwillig auf eigene Faust entwendet haben, zur Perfektion der Täuschung sogar noch das komplette Armaturenbrett zerdeppert haben, sie besteht. Sie ist sogar äußerst wahrscheinlich...
" 'Tschuldigung, ich bin nicht vom Fach, aber wäre es nicht vielleicht sinnvoll, mich zu fragen, wie die Typen ausgesehen haben? Um dann eine Fahndung raus zu geben? Eventuell auch mal die Umgebung absuchen, allzu weit können die ja noch nicht weg sein?" frage ich mal vorsichtig in die Runde und der CSI-Mensch nickt hektisch und zustimmend, während der andere mich von oben bis unten mustert, "good cop/bad cop" at its best.
Vermutlich verdächtigt er mich und traut mir nicht über den Weg. Widerwillig lässt er sich die Geflohenen dann aber doch beschreiben und funkt die Daten in den Äther. Sein Kollege verfolgt mit dem Strahl seiner Lampe derweil interessiert ein Eichhörnchen, das über die Äste flitzt. Chief Wiggum in Aktion.
Ich laufe hoch in meine Wohnung, um meinen Ausweis zu holen, den hatte ich in der Aufregung im ersten Moment vergessen, bad cop nahm das mit einem verächtlichen Kopfschütteln zur Kenntnis. Menschen, die ohne persönliche Papiere am Körper ihre vier Wände verlassen, wo gibt's denn das! Ist ja wie bei den Hottentotten hier...
Als ich drei Minuten später keuchend wieder auf der Straße stehe (das Treppensteigen hat der Teufel erfunden) und mein uniformierter Freund meine Daten aufnimmt, krächzt es aus good cop Wiggums Funke.
"Wagen 69 an Team 08/15: Die Verdächtigen sind gestellt!"
Meinen Perso bekomme ich mit den Worten "Na, da haben sie ja Glück gehabt!" zurück gereicht.
Dann hechten die beiden in ihr Fahrzeug und zischen ab.
Und jetzt? Hätten nicht Halter ermittelt und informiert werden müssen? Ich wurde nichtmal gefragt, ob diese mir bekannt sind (was sie abgesehen von F. nicht sind). Hätte nicht zumindest behelfsmäßig das Fenster verschlossen werden sollen/gar müssen? Wenn nicht gegen mögliche weitere Räuber, dann zumindest zB der Witterung wegen? Und muss ich mich eigentlich wie ein Idiot und ein Verdächtiger behandeln lassen, nur weil einem Typen in Uniform anscheinend mein Gesicht nicht passt??
Nach diesem Erlebnis wundert mich auf jeden Fall nicht mehr, daß die Bereitschaft, die Polizei zu rufen, bei einigen nicht mehr ganz so ausgeprägt ist. "Soll doch wer anders anrufen und sich veräppeln lassen!"
Daß ich vermutlich einfach Pech gehabt habe, ist mir klar und natürlich schau ich ab jetzt nicht nur noch interessiert zu, sollte ich nochmals so eine Beobachtung machen. Aber, liebe Polizei Hamburg, schickt mir bitte nie wieder solche Hampelmänner vorbei! Dagegen ist die "Police Academy"-Reihe ja Kindergeburtstag...(und dabei ist sie eigentlich großartig!)
Ich habe dann an die Wagen, deren Fahrer mir unbekannt waren, Zettel mit kurzer Schilderung des Geschehens und meiner Handynummer geklebt, das erschien mir die vernünftigste Lösung zu sein. Beide haben sich gemeldet, sich herzlich bedankt und ich bin nun zwei Mal zum Grillen in der Nachbarschaft eingeladen!
Kumpel F. kommt morgen aus Rom zurück. Mit nem Bier und nem Schulterklopfen kommt der aus der Nummer jetzt nicht mehr raus...
Großartig! :-)
AntwortenLöschenDanke fürs Lachen!
Bitte, gerne doch! :)
LöschenSehr schön, deine CSI-Reihe. Stark geschrieben wieder heute. Schön dicht. Ohne Ausfransungen. Mehr davon! :)
AntwortenLöschenDanke für die Blumen! :)
LöschenJungbullen müssen auch erst mal lernen, wie das geht. Bitte mehr Verständnis dafür.
AntwortenLöschenDas ist natürlich wahr! Ob allerdings so ein richtiger echter (wenn auch in diesem Fall ungefährlicher) Einsatz der passende Ort für learning by doing ist...ich bezweifle es :)
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