Donnerstag, 31. Januar 2013

Papa weiß Bescheid

Gestern Abend saß ich mit einem Freund in einer Bar und wir starrten über unsere Getränke hinweg auf eine Leinwand, auf "el Clasico", den Klassiker im spanischen Fußball, Real Madrid gegen den FC Barcelona, er starrt gebannt, ich eher weniger, ich mag beide Teams nicht, aber mein Kumpel ist glühender Real-Fan und da ich nun auch nicht allzu viel besseres zu tun hatte, hatte ich mich breitschlagen lassen, ihn zur Unterstützung gegen den Intimfeind zu begleiten.

Am Nebentisch sitzt ein Vater Anfang 30 mit blonden Strähnchen und seinem etwa neunjährigen Sohn, der Kurze beobachtet das Gekicke interessiert, Daddy scheint irgendein Spiel auf dem Smartphone interessanter zu finden und tippt wie wild darauf herum.

Kurz vor Schluß gleicht Madrid zum 1-1 aus und mein Kumpel, grad noch angespannt auf seinem Stuhl hockend, springt auf, ballt die Fäuste und feiert per hoher Fünf mit anderen im Real-Trikot, "Halá Madrid!! Halà Madrid!!" wird das eigene Team im Chor gefeiert, ich nehme einen Schluck von meinem Alster.

Nebenan fragt der Sohn seinen daddelnden Vater "Papa, was heißt denn 'Halá?", woraufhin sein Vater, ohne aufzublicken, dafür in wissendem Tonfall, antwortet "'Halá" ist Spanisch für 'olé'!"

Der Kurze strahlt. Papa weiß einfach alles! Und ich schüttele traurig den Kopf und widme mich der Getränkekarte. Einer geht noch.

PingPong

"Rülps!!"

"'Tschuldigung. War ne Brüllmücke, die sind grad auf dem Vormarsch! Grad jetzt im Winter!" teile ich mit nachdrücklichem Nicken dem verstört dreinschauenden Mädchen mit, das mich relativ fassungslos dabei beobachtet hat, wie ich mein halbvolles Restbier ge-ext habe, um endlich aus der Kälte raus zu kommen, rein ins Hafenklang.

Denn es ist noch für sieben Minuten Montag.

Und am Montag ist Stammtisch im Hafenklang.

Punkerstammtisch, so nennt sich das.

Das kann man aber nicht so wörtlich nehmen, hier hocken keine lederbejackten Irokesenschnittträger bestückt mit Nietenarmbändern en masse um einen Tisch herum und fachsimpeln über "SLIME", das billigste Dosenbier oder wo man die handzahmsten Ratten für auf die Schulter bekommt. Nein, hier wird sich neben dem Betrinken sportlich betätigt. Oder man betrinkt sich neben dem Sport. Wie mans eben grad mag und der Umwelt besser verkaufen kann.

Punkerstammtisch heißt Rundlauf. Tischtennis. Hardcore-PingPong.

Punkerstammtisch heißt, zu meist grandioser Musikuntermalung um eine extrem antike Tischtennisplatte zu hetzen, die Kelle in der einen und die (Astra-)Knolle in der anderen Hand, sich die Tischtennisbälle mehr oder weniger begabt und koordiniert um die Ohren zu prügeln, um sich dann irgendwie ins Finale vorzukämpfen und dieses dann möglichst unauffällig zu verlieren. Denn der Verlierer bekommt einen Wodka aufs Haus...und da immer das gleiche Glas neu aufgefüllt wird, bekommt er mit Pech auch noch Herpes dazu...nach der dritten "Niederlage" ist das aber vergessen.

Als ich die Treppen in den ersten Stock heraufsteige, denke ich "Eigentlich wars total bescheuert, das Bier zu exen, das interessiert hier doch eh keinen, ob das hier gekauft wurde oder obs mitgebracht wurde. Aber die komische Tuss da unten, die haste schön geschockt, allein dafür hats sich gelohnt!" Gedanklich gebe ich mir selbst eine High-Five und öffne dann die Tür. Trete ein ins Hafenklang. Eine Zigarettenqualmwand schlägt mir ins Gesicht, noch kurz einen dunklen kurzen Flur durchschritten und ich stehe in der Arena.

Abgerissene Couches, kahle Wände, ein versiffter Boden, es ist duster, rechtsseitig eine winzige Bar, dahinter ein dreadlocktragender Barmensch, an den acht von zehn Deutschen vermutlich freiwillig nicht näher als fünf Meter herantreten würden, in der Mitte des Raumes die Tischtennisplatte, um die herum Menschen aller Formen und Farben rennen, das ganze untermalt von Black Flag, Ignite, Minor Threat, Sick Of It All, Agnostic Front, Converge, Rancid...alle sind sie da. Ich bin im Paradies!

J. und B. sind auch da, von Job und Bandprobe direkt hergekommen, gut angeschossen sind sie schon, dann kann der Abend ja beginnen.

Ich hol erstmal drei Bier vom angsteinflößenden Barmenschen, J. wirft mir noch einen Schein hinterher. "Bring drei Wodka mit! Geht auf mich, gab heut gutes Trinkgeld!" Also drei Bier, drei Wodka zum Auftakt. Ich ahne, wohin das führt...

Wir lümmeln zu dritt auf einer der durchgesessenen Sperrmüllcouches und reden. J. erzählt, das hier vorher ein Konzert war, war gut sagt er, abgefahrene Leute, abgefahrene Musike. Arbeitstag war gut, Bandprobe war gut, der neue Song ist RICHTIG gut! B. stimmt zu, der neue Song ist n Knaller, der kommt an, da ist B. sich sicher! Und ja, die Bandprobe war super, hat Ergebnisse gebracht! Zufrieden sind sie alle beide. Und holen noch eine Runde Wodka. Ein paar Minuten beobachten wir das Geschehen, die tischtennisspielenden Menschen jeder Couleur. Wir sitzen etwas abseits, haben einen guten Blick und spähen die kommenden Gegner aus. "Der Tätowierte da kann nix!" - "Der Blonde mit dem Mittelscheitel, der ist richtig gut! - Ja, aber das ist n Lappen! - Haste Recht...Mittelscheitel, alter Schwede, das ist lang her... Aber Mut hatter..." - "Oha, die Brünette da drüben hat auch n Mittelscheitel, aber DIE ist ECHT gut! - Ja Mann, zwar nicht im Tischtennis, aber charakterlich kannste nix sagen!" Es wird laut gelacht ob des pubertären Witzes, das muss ja auch mal erlaubt sein.

Zeit, mal den Schläger zu schwingen.

Aus einem Pappkarton kramen wir uns "Schläger", die diesen Namen nicht verdienen. Meist sind es blanke runde Holzplatten, an deren Griffen man sich Splitter einzieht, einige haben einen Rest Gummibelag, sodaß sich Ecken und Kanten auf der Schlagfläche ergeben, was sicher total hilfreich ist, wenn man einen Ball platziert spielen will, wozu aber 90% der Anwesenden hier eh nicht oder nicht mehr in der Lage sind.

Egal, auf ins Getümmel. NoFx's geniales "Kill all the white men" begleitet das Spiel und ich umrunde erstaunlich behende den Tisch und schalte Gegner um Gegner aus. J. mit einem Schmetterball aus der Vorhand, B. kann ganz einfach nicht spielen, ist auch nur zum Trinken hier, da reicht ein normaler Ball an eine der Tischkanten und B. haut dann den Ball überall hin, nur nicht zurück auf meine Tischseite. Ich stehe im Finale. Gegen den Blonden mit Mittelscheitel, der das Ding hier ernst nimmt und seine Profikelle von daheim mitgebracht hat. "So'n Ding hatteste damals auch, als du noch im Verein gespielt hast vor tausend Jahren" denk ich mir, "der hat jetzt n derben Vorteil!" Aber ist ja wurscht, ich hab ja nicht vor, zu gewinnen....

Er schlägt an. Mit Spin. Ich prügel den Ball mit Genuss an die linksseitige Fensterscheibe, hinter der man das Hafenpanorama bewundern kann. 0-1. Ich spiel an, er spielt mir den perfekten Return, um den Ball meilenweit hinter seine Seite der Platte zu kloppen, wo er dann unter einer selbstgebauten Bühne verschwindet und aufwändig wieder rausgekramt werden muss. Ja, es gibt nur diesen einen Ball. 0-2. "Was ist los? Du hast doch die ganze Zeit gut gespielt!?!" fragt er und ich sehe Verwirrung und Enttäuschung in seinem Blick.

Was los ist? Ich will gratis Wodka trinken - und dafür muss ich verlieren!

Er spielt an und ich erstarre...bis der Ball mich passiert hat. Danach mach ich mich auf den Weg zur Bar und hol mir meinen Wodka. Und er guckt mir entgeistert hinterher. Ich ruf ihm noch "3-0 für dich, gutes Spiel, Glückwunsch! Prost!" zu. Sein Gesichtsausdruck ist unbezahlbar. Alter, ist nicht das Training der ersten Mannschaft vom H$V...von Pauli hier! Sieh es ein!

Einige der Mitspielenden "ermahnen" mich dann grinsend, doch nicht sooo offensichtlich zu "bescheißen"..."Is ok, mach ich nich mehr...aber haste seinen Blick gesehn??". Zwinkernd wird mir zugenickt, war schön, fist bump, "aber reicht jetzt auch mitm Verarschen, ja?" Klar doch, ich bin ja nicht zum Stressen hier. Der Blonde mit dem Mittelscheitel ist fast jedes Mal im Finale und gewinnt jedes. Entweder hat er das Konzept nicht verstanden oder er mag keinen Wodka. Gegen 1.30 geht er. Zu sagen, alle lagen sich in dem Moment vor Freude in den Armen, wäre übertrieben...aber die Erleichterung war spürbar. Ich renne noch ein paar Runden, "gewinne" sogar noch zweimal (den Wodka) und sitze mit J. auf einem Sofa, wir reden über Gott und die Welt.

Ein schriller Schrei, ein Einschlag, J.'s Bier verabschiedet sich im hohen Bogen in den dusteren Sitzbereich und schlägt da klirrend auf, dafür liegt nun ein Mädel, das beim Versuch, einen Ball noch zu erreichen, im Vollspeed die Kurve aber nicht mehr bekommen hat, halb auf ihm, halb auf der Fensterbank. Passiert schonmal. Meine Hälfte der Couch ist kaum betroffen und so kann ich ausgiebig über J. lachen, der vor nichtmal fünf Minuten auf meine Frage "Sind wir nicht zu nah dran?" mit "Ach was, was soll passieren? Meinste, hier knallt wer rein??" antwortete. Noch mehr lachen muss ich, als ich sehe, daß es das Mädel von draußen vor der Tür ist, das da frontal mit J. kollidiert ist. Man trifft sich immer zweimal im Leben, nur hat sie den Falschen getroffen - im wahrsten Sinne des Wortes!

Ich stehe an der Bar und schnappe auf, wie der Vollbärtige und der Langhaarige neben mir, die anscheinend zur Band, die spielte, bevor ich ankam, gehören, sich unterhalten. Ich schnappe Satzfetzen auf, während Sick Of It All aus den Boxen brüllen. "...Dude, the show was aaawesome!"..."Dude, you playing that guitar? Aaawesome!"..."The crowd, holy cow, aaawesome dude, so aaawesome! And that brunette girl with that really aaaaawesome characters."..."Yeah, she displayed her aaawesome characters very nicely, I liked it!" Beide grinsen und stoßen mit der guten Astraknolle an.

Einigermaßen angeschlagen weiß ich, was zu tun ist. Und so erhebe ich mich mit ebenfalls zur Anklage erhobenem Zeigefinger von meinem Barstuhl, trete unsicheren Schrittes, jedoch festen Willens an die beiden heran, tippe dem Bärtigen auf die Schulter und will ihn grad darauf hinweisen, das seine Aussagen über die gutgebaute Brünette quasi einen #Aufschrei der feministischen Bewegungen heraufbeschwören könnten, zum Beispiel bei Twitter, was für ein irrer Gedanke, als wenn sowas jemals...

...bevor ich aber verwarnend und belehrend zugleich mit dem Zeigefinger wedeln kann, schaut er mich an, stellt fest "You need a drink dude!" und bestellt drei Bier, drei Wodka, das scheint hier irgendwie Usus zu sein heute. Und ich kann nichts dagegen tun. Aaawesome!!

Gerede, Gerede, Gerede, der Langhaarige ist inzwischen weg, ich ordere noch ne Runde...

...

Als ich am Tag darauf aufwache, bin ich fit und guter Dinge. Habe eine SMS von J., er will wissen, wieso er blaue Flecken am Körper hat und woher die Handynummer auf seiner Hand kommt. Ich kläre ihn auf und er glaubt mir nicht so richtig. Lach ich drüber, "ruf halt an und lass es dir von ihr nochmal erzählen" rate ich ihm.

Schalte den Rechner an und habe bei Facebook eine Freundschaftsanfrage von einem vollbärtigen Kerl aus den USA.

Was zur Hölle...??

Sonntag, 27. Januar 2013

Ich hab ein Hirn, holt mich hier raus!

Endlich!

Endlich wissen wir, wer es ist, wer den renomiertesten Titel in der deutschen TV-Landschaft, ach, was red ich, europaweit, weltweit, was sind schon die "Oscars", komm, bringen wirs auf den Punkt...den renomiertesten im ganzen verdammten Universum im Jahre 2013 gewonnen hat!!

Joey Heindle!! Er ist Dschungelkönig!! Juhuuuuuuuu...

"Moment, Joey wer??" werden sich nun die meisten völlig zurecht fragen und genauso erging es mir, als mir vor einiger Zeit die Freundin eines Kumpels freudestrahlend erzählte, dieser ominöse "Joey Heindle" mache beim RTL-Dschungelcamp mit. Normale Menschen schalten ja spätestens, nachdem sie "RTL" gehört haben, ab...(das Wortspiel war nun ehrlich unbeabsichtigt!)..., die Freundin meines Kumpels ist aber nicht normal. Allermeist im absolut positiven Sinne, was ihr Fernsehverhalten angeht - nein! Sie schaut sich das an. All den Schrott. Begeistert. Fiebert mit. Hat ihn angesteckt. Es ist unglaublich!

Ich komm rein. "Alter, setz dich hin, "Bauer sucht Frau" läuft nur noch zwölf Minuten!" Ich setze mich hin und sehe Ungefickte, die knöcheltief in Gülle stehen und den Oberlippenbartversuch voraus in die Kamera seiern, sie seien auf der Suche nach der großen Liebe. Im Karohemd in Kuhscheiße watend. RTL.

Ich komm rein. "Alter, setz dich hin, "Der Bachelor" läuft nur noch zehn Minuten!" Ich setze mich hin und sehe einen Haufen durchnittlich bis kaum attraktiver Trullas der billigeren Sorte, die sich vermutlich auch waterboarden lassen würden, um den Bätschela und mit ihm auch eine Nachricht auf Seite eins in der Zeitung mit den vier Buchstaben zu bekommen. Dieser sitzt derweil paschamäßig im Nobelfummel, den er garantiert nicht selber gezahlt hat, irgendwo in der Südsee herum und lässt die Nutten, pardon, die Puppen tanzen. RTL.

Ich komm rein. "Alter, setz dich, "GNTM" läuft nur noch acht Minuten!" Ich setze mich hin und sehe klapperdürre Durchschnittstussen, die sich anschreien, dissen, ab und zu mal daran scheitern, vier Meter geradeaus zu laufen und auch ansonsten nicht viel zu können scheinen. "Was heißt nochmal "GNTM"?" frage ich. "Germanys Next Top Model"! Aha. PRO7. Andere Sender können also auch Scheiße.

Noch ein Beispiel gefällig? Gern!

Ich komm rein. "Alter, setz dich hin, "Berlin - Tag und Nacht" läuft nur noch sechs Minuten!" Ich setze mich hin und sehe volltätowierte Asi-Prolls und meist ebenso volltätowierte Asi-Tussen, die sich "Schauspieler" nennen und vorgeben, daß das, was sie da tun, das "echte Leben" sei. Es wird fast ausschließlich geflucht, gepöbelt, geprollt oder gehurt. Es ist nicht zu ertragen. Eine unfassbare Scheiße! Aber es hat Erfolg! Zu dem Dreck gibts tatsächlich einen Spin-Off namens "Köln 50667", wenigstens regt sich in Köln der Widerstand, man will die Serie nicht mehr, ein wenig Hoffnung auf Intelligenz da draußen besteht noch. Läuft beides auf RTL2, dem Bodensatz der deutschen Fernsehlandschaft, schlimmer geht nicht mehr. Ich schäme mich fast dafür, das zu wissen...

Die Freundin meines Kumpels feiert jede dieser Sendungen ab, jede einzelne. Kennt die Namen der Protagonisten, füttert mich mit Informationen zu den Sendungen, die ich maximal zu einem Viertel verstehe.

Und vor ein paar Tagen hat sie es geschafft. Hat mich geknackt.

Ich habe von ganz alleine und ohne Fremdeinwirkung das "Dschungelcamp" geschaut, bin beim Zappen da hängengeblieben und dachte mir "Ach, was solls...". Vorher nur zwangsläufig winzige Informationen darüber online aufgepickt, man kann ja kaum dran vorbei lesen. Von den "Promis", die dort angeblich teilnahmen, kannte ich genau zwei, Helmut Berger und Olivia Jones, die/den kennt aber in Hamburg wohl jeder, da kommt man ja nicht drumrum.

So hab ich mich also in meinen Fernsehsessel gesetzt ("Alter, setz dich hin!"), habe auf die Uhr geschaut ('"Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" dauert noch 25 Minuten!") und habe dann mir unbekannten angeblichen "Promis" beim lästern, herumgammeln oder konsumieren von Ungeziefer, Känguruhblut und Schweineanus zugesehen. Warum auch immer. Ich kann es nicht begründen. Vermutlich wie bei nem Unfall auf der Autobahn, man kann nicht wegschauen.

Vorhin dann die SMS. "Joey ist Dschungelkönig wie coll ich feier voll ab!!!!!!!" (Zitat Ende) Kurz hab ich überlegt, wer nochmal "Joey" ist. Dann kam die Erkenntnis. "Ach ja, der Idiot!" Ich habe nicht zurückgetextet.

Ich gehe mich jetzt zur Strafe fürs Gucken des "Dschungel-Camps" bis heut Abend selber geißeln - und danach schau ich die Aufzeichnung von DSDS! Hah! Und danach weise ich mich in eine Psychatrie meiner Wahl ein...

Samstag, 26. Januar 2013

Die Dealer im Park und die MoPo.

Vorgestern habe ich die "Hamburger Morgenpost" gelesen, dieses Blatt etwas über dem "Niveau" der vier großen Buchstaben, dennoch aber weit weg davon, in irgendeiner Form relevant zu sein beziehungsweise ernstgenommen werden zu können. Und ich musste lachen. Meist passiert mir das bei Lektüre der "MoPo" eher gepaart mit einem ungläubigen Kopfschütteln und in einem mitleidigen Tonfall (insofern man bei Lachen von einem "Tonfall" sprechen kann), dieses Mal war es ein lauter, brachialer, sich über eine halbe Minute erstreckender Lachkrampf inklusive Tränen und Bauchhalten.

"Anwohner fordern: Dealer raus aus dem Flora-Park!"
  lautet die Überschrift des Artikels und ich möchte mal ein paar Zitate in den virtuellen Raum werfen.

Vielleicht als Erklärung vorher für Nicht-Ortskundige: Der Florapark befindet sich im Hamburger Schanzenviertel, dem linksalternativen Zentrum der Stadt, er liegt direkt hinter der "Roten Flora", welche wiederum den Haupt-Treffpunkt der linken und teils auch autonomen Szene Hamburgs/Norddeutschlands darstellt und aus den Medien bekannt sein könnte. Dort nie positiv erwähnt, denn "links" bedeutet ja medial meist auch immer gleich "zündet Autos an und schmeißt Steine". Aber darüber lass ich mich hier jetzt nicht aus und ich bitte darum, den Sarkasmus zu erkennen.

Auf dieser recht überschaubaren Grünfläche befinden sich Sandkasten, Schaukel, Tischtennisplatte, ein eingezäunter Fußball-/Basketballcourt und einige Klettergelegenheiten, zudem ein künstlich aufgeschütteter "Hügel", der abends/nächtens vom Feiervolk aus den umliegenden Bars gern genutzt wird, um in Ruhe das eine oder andere Bier zu trinken, auch ich war oft mit Arbeitskollegen nach Feierabend noch hier und bin dann irgendwo im Umfeld versackt.

Und jetzt schreien auf einmal die Anwohner auf und die politischen Köpfe steigen direkt mit ein ins wolfsrudelgleiche Geheule.

Ein paar Zitate aus dem Artikel der MoPo finde ich besonders toll.

"...statt Familien, die hier spielen, tummeln sich in und um den Park seit Monaten Drogendealer."


Seit MONATEN??? Ich lebe seit 2002 in Hamburg und seitdem bin ich regelmäßig in der Schanze und im Florapark und seit meinem ersten Besuch dort weiß ich, was da abgeht. "Suchstu?" "Brauchstu was?" "Hey you, wanna buy shit?"  (Ich muss da immer an das hier denken) Nix da "in den letzten Monaten", das geht seit lässig nem Jahrzehnt so, wenn ich Erzählungen der Ur-Hamburger in meinem Freundeskreis glauben darf, dann sogar noch länger. Super recherchiert MoPo, ich ziehe meinen Hut.

"Parkwächter sind im Gespräch, genau wie eine Videoüberwachung. Selbst darüber, den Park nachts zu schließen, wurde schon nachgedacht."

Ja, nachts den Park schließen wird den Kids, die dort tagsüber spielen wollen/sollen sicherlich enorm weiterhelfen. Warum ist man auf die Idee nicht schon früher gekommen? Parkwächter, jawoll, das ist die Lösung. Ein Parkwächter. X-beliebig viele Verticker. Merkt ihr selbst, oder? Oder soll eine Armee von Parkwächtern den Florapark belagern? Könnt man direkt nebenbei noch wildpissende Touris abkassieren oder Leute, die ihre Kippe im Sandkasten ausdrücken, neue Einnahmequelle für die Stadt, fett, so wirds gemacht, Masterplan! Himmel, hoffentlich liest diesen Text niemand, der in der Sache was zu sagen hat... Ach, und Videoüberwachung? Im direkten Umfeld der "Roten Flora"? Genau, das wird bestimmt gutgehen. Und morgen kommt der Weihnachtsmann.

"...Kultur-Events und andere Veranstaltungen im Flora-Park sollen dafür sorgen, „dass sich Dealer dort nicht mehr wohlfühlen"'

Wie hab ich mir das vorzustellen? Wird der Florapark 24/7 mit klassischer Musik beschallt, die den Dealern dann so missfällt, daß sie freiwillig das Feld räumen? Das hat ja beim Bahnhofsvorplatz schon grandios nicht geklappt, da haste immer noch Obdachlose, Trinker und andere arme Seelen, die die selbsternannte "schönste Stadt der Welt" ihren Besuchern nicht direkt zur Ankunft am HBF zumuten wollte. Oder werden in dem winzigen Park ab nun regelmäßig Konzerte, Theater-Aufführungen etc pp abgehalten? Wenn ja, wo? Platz für eine Bühne ist da ja nicht. Ebenso kein Platz für Zuschauermengen. Und ich behaupte mal...das würd nicht einen Dealer vertreiben, im Gegenteil, die machen dann das Geschäft ihres Lebens! "Ziggy Marley statt wie sonst auf der Stadtparkbühne jetzt live im Hamburger Florapark. Aber bitte kein Dope rauchen. Danke."  Ach, schön... Vielleicht versprüht man auch einfach den ganzen Tag lang Buttersäure, da sehen die Dealer garantiert zu, daß sie Land gewinnen...aber ob das Familien mit Kindern anlockt...?

Stadt Hamburg, im Ernst, du hast schon viele viele Dinge verkackt. Mach dich hier nicht auch noch lächerlich. Dealer raus aus dem Florapark, schön und gut, klar, unterschreib ich. Kommt nur 10-20 Jahre zu spät, die Idee.

Aufheulende Anwohner, die meinen, ihre Kids im Spielplatzalter nicht mehr frei laufen lassen zu können, während sie daneben sitzen...bedenklich. Was soll passieren? Vertickt der böse Farbi...Dealer sein Dope auch an sabbernde Dreijährige? Wer weiß das schon...lieber die Kids nicht in seine Nähe lassen. Im Ernst Leute, kommt klar! Und ja, ich weiß, wovon ich rede, Sohnemann ist prima gelungen.

Und generell die Pläne, die bisher ausgeheckt wurden, vermutlich von abartig bezahlten Monsterhirnen in irgendwelchen Büros mit Elbblick... Das kann doch wohl nicht euer Ernst sein!

Ach, und liebe "Hamburger Morgenpost", stellt doch bitte endlich Menschen ein, die halbwegs recherchieren und schreiben können, daran mangelt es ja anscheinend in eurem Laden. Ihr lauft sonst Gefahr, euch noch mehr zur Lachnummer zu machen, als ihr es eh schon seid...

Montag, 21. Januar 2013

An der Grenze zu Schwabylon...

Belustigt habe ich in den Medien in den letzten Tagen verfolgt, was die "schwäbische Separatistengruppe 'Free Schwabylon'" (Zitat "New York Times" (!)) momentan in Berlin, genauer gesagt im Prenzlauer Berg (wo sonst?), veranstaltet. Das Gebiet rund um den Kollwitzplatz soll zu einem eigenen Stadtteil werden, der dann "Schwabylon" heißen soll, ein wortwitziger Seitenhieb auf den "Schwabenhass" in Berlin, den ein Bloggerfreund wunderbarst in Worte verpackt hat. Notfalls droht man, dieses Unterfangen mit Waffengewalt durchzusetzen. Die Waffen? Spätzle! (Und vermutlich auch der Dialekt, Anmerkung des Autors). Das Ziel des ersten Anschlags? Die Käthe-Kollwitz-Plastik auf dem gleichnamigen Kollwitzplatz im Zentrum des noch fiktiven "Schwabylons". In Libyen fliegen Bomben, in Leverkusen beim Fußball Böller und Bengalos und im Prenzlauer Berg Spätzle...


Ein grauenhafter Anblick, der mir, als jemandem, der Spätzle nicht ausstehen kann, im Herzen und der Magengegend weh tut.

Rund um den Kollwitzplatz soll es also nun entstehen, "Schwabylon", die Separatisten haben da bereits genaue Vorstellungen von den Ausmaßen "ihres" Bezirks.


Natürlich ist das alles nicht ernst gemeint, aber echt, Thierse, da haste ordentlich was losgetreten... Und jetzt rudert er rückwärts, aber es ist zu spät. Die Spätzlekanonen sind geladen...

Direkt an der südlichen Grenze "Schwabylons" in der Metzer Straße gibt es einen Ort, den ich ungern durch Spätzlebeschuss verunstaltet sehen möchte. Die "Rumbalotte continua" oder wie Freunde sie nennen: die "Lotte".


In meinem Berliner Freundeskreis ein beliebter Treffpunkt für gemeinsame Diskussionsrunden, gemeinsame Pokerrunden oder gemeinsame Wodkarunden, wobei letztere zumeist mit den beiden vorherigen Hand in Hand gehen. Einige Gehirnzellen habe ich dort schon gelassen, dafür ein paar blaue Flecke mitgenommen, die der Kollision mit Stühlen, Tischen oder unsicherer Nutzung der paar Treppenstufen zuzuschreiben sind. Früher, als Freund L., noch hinter der Theke nebenjobbte, wurden sich hier diverse Nächte um die Ohren gehauen. In linksalternativem Ambiente, guter Musik lauschend, die von L. geschaffenen Wandmalereien bewundernd, das teils ziemlich skurrile Publikum beobachtend, meist ist es älteren Semesters, häufig entspringt es der literarischen/künstlerischen/althippieesken Ecke und gern sieht es auch mal so aus, als lebe es seit gewisser Zeit in einem Altpapiercontainer um die Ecke. Oder so... Muss man mit klarkommen, schön ist manchmal anders. Aber ich finde es immer wieder äußerst unterhaltsam.

Auch habe ich hier einmal eine Hochzeitsfeier besucht, die des Betreiberpaares (Lyriker Bert Papenfuß und L.'s große Schwester). Es war voll, laut, sehr sehr lustig und ich habe eine Hochzeitstorte mit aufgepinntem Anarchiezeichen gesehen und gegessen, das hat mich sehr beeindruckt.


Ach, liebe "Lotte", was hab ich nicht alles in Deinen Räumlichkeiten erlebt. Ein abgefahrenes Silvesterkonzert, den schlimmsten Shot ALLER Zeiten, zur Räumung des Hauses "Liebig 14" wurde hier in einer stillen Stunde die Idee des "Kofferns" erdacht, glücklicherweise (?) allerdings nie in die Tat umgesetzt und 2010 hatte ich hier das bescheuertste Date der Menschheitsgeschichte. Was ich mir dabei gedacht hab, versteh ich bis heute nicht...

Aber ich bereue keine an die "Lotte" verschenkte Sekunde, es hat sich immer gelohnt. Wird auch weiterhin so sein. "Schwabylon" hin, "Schwabylon" her, ist mir vollkommen latte.

Apropos Latte, das gibts hier nicht. In der "Lotte" kein Latte. Hipsterfreie Zone sozusagen. Und das im Prenzlauer Berg.

Sachen gibts...

Mittwoch, 16. Januar 2013

In memoriam

Gestern Abend musste ich mal raus. Bin mit der Bahn zum Hafen gefahren und habe Musik hörend auf einem Poller gegenüber von Blohm&Voss unten an der Wasserkante, der Hafenpromenade, gesessen und die vorbeiziehenden Elbfähren und Schiffe und Boote und die Lichter drüben in der Werft angeschaut. Einfach nur da gesessen, geschaut, "Archive" oder "Fever Ray" im Ohr, der Wind fährt in die Kleidung und lässt einen frösteln, aber das macht nichts, das wird ausgeblendet oder sogar genossen. Ganz langsam runterkommen von dem alltäglichen Wahnwitz um einen herum, es klappt sehr gut. Selbsttherapie quasi.

"Ein ganzer Hafen für mich allein" hab ich gedacht, die Werftarbeiter zählen nicht, die gehören ja dazu. "Cool irgendwie, ein ganzer Hafen für mich allein". Manchmal, ganz ganz manchmal, da steh ich doch auf diese elende Stadt. Das ist so ein Moment.

Ich nehme die letzte Bahn heim nach Barmbek, nachts Bahn fahren liebe ich, ich starre aus dem Fenster auf die vorbeiflitzenden Lichter, fokussieren klappt nicht, sie flitzen zu schnell. Menschen steigen ein, Menschen steigen aus, alle sind erstaunlich still, kein Geschreie, keine lauten Diskussionen, es wird nicht gelacht oder gestritten. Ungewöhnlich. Angenehm.

Am Barmbeker Bahnhof steige ich die Treppe zu meinem Bahnsteig hoch, kaum jemand ist zu sehen, fast wie ausgestorben. Der Bahnsteig ist menschenleer, ich sehe nur in ein paar Metern Entfernung ein Flackern und gehe dem entgegen, interessiert und irritiert.

Vor einem der stählernen Pfeiler, die das Bahnhofsdach tragen, stehen Grablichter, viele, die Kerzenflammen flackern und züngeln und werfen bizarre rotverfärbte Schatten auf die grauen Bahnsteigplatten. Ein Blumenmeer, Rosen, rot und weiß, Tulpen, rot und weiß, ich sehe Briefe zwischen den Blumen liegen, am Pfeiler selbst kleben handgeschriebene Nachrichten und einige Fotos.

Eine Gedenkstätte. Ein Schrein. Ein Mahnmal?

Ich schlucke einmal tief und trete dann näher heran. Die Fotos zeigen einen jungen Mann, Mitte zwanzig, wenn überhaupt. Dunkelblond, sympathisches Lächeln, durchtrainiert, einer, der sicher die Blicke vieler Mädchen und Frauen auf sich gezogen hat. Er lacht lebensfroh in die Kamera.

Ich überfliege die Briefe und Nachrichten, die mit Tesafilm angebracht wurden. Ich erfahre seinen Namen. Ich lese weiter. "Wir lieben dich, R.!" "Du fehlst uns jetzt schon, R.!!" "Warum du? Warum du???"

Ich wende mich ab. Es geht nicht mehr. Mir ist schlecht und ich möchte hier grad nicht sein. Ich könnte heulen.
...
Ein paar Meter weiter sitze ich auf einer Bank, der Bahnsteig füllt sich, was mir lieb ist, allein mit den flackernden Totenlichtern war es seltsam. Jeder einzelne Ankommende bleibt am Pfeiler stehen. Wird still. Ein Jugendlicher, optisch Schläger-Style, kniet in einer stillen Sekunde mit geschlossenen Augen vor den Fotos nieder, ich nehme an, daß er betet. Eine Frau mit Fahrrad fängt an zu weinen und jemand gibt ihr ein Taschentuch, sie setzt sich danach schluchzend neben mir auf die Bank. Ich lasse sie lieber in Ruhe.

Ich habe keine Ahnung, wer "R." war oder was ihm zugestoßen ist. In den Medien findet sich nichts. Ich wüsst es gern. Nicht aus Sensationsgeilheit, sondern weil ich wissen möchte, was dahinter steckt. Was ist passiert? Warum ist es passiert. Wer war "R."? Ich werds vermutlich nie erfahren.

Die Bahn fährt ein. Als sie wieder abfährt, sieht jeder in meinem Waggon nach links heraus auf die Lichter, die Blumen, die Fotos, die Briefe...das Andenken.

R.I.P.

Dienstag, 15. Januar 2013

Die Macht des kleinen Mannes.

Die Erkenntnis vom Ostbahnhof ist verdaut, M. und ich laufen mit unserem Berliner Pils vom Späti gen Oberbaumbrücke, vorbei am Fritz-Club, vor dem verzogene Teenies aus der gehobenen Gesellschaft in einer langen Schlange zum Eintritt anstehen, sie sehen alle gleich aus, die Jungs im Hemd mit hochstehendem Kragen, die Mädels bedacht auf Hobbynutte gestylt, ein halbes Kilo MakeUp im Gesicht, Botox gibts ja erst ab 18 (nehme ich an), den Anstand und das Selbstwertgefühl erfolgreich heruntergeschraubt, notfalls darf heut auch mal der Steven ran, auch wenn der nur in ner Autowerkstatt arbeitet, Kerl ist Kerl. Und meist dauerts ja auch nicht lange.

Weiter gehts, an der O2-World vorbei, diesem monströs aussehenden Komplex, den aus unerfindlichen Gründen kaum ein Hauptstädter mag, warum das so ist, erschliesst sich mir nicht.

M. und ich beschließen, eine Pause einzulegen und ein paar Nachtaufnahmen Richtung Alexanderplatz und Richtung Oberbaumbrücke zu machen.



Danach laufen wir über die Oberbaumbrücke, einer meiner liebsten Orte in dieser Stadt, und biegen danach direkt rechts ab, um von unten direkt am Wasser noch ein paar Bilder vom sich uns bietenden Panorama machen zu können. Klappt ganz gut.


Mission completed, die Kamera, besser das Stativ, wird geschultert und wir laufen zum Schlesischen Tor, passieren dabei einen der besten Burgerdealer Berlins , können aber leider keinen Stop einlegen beim "Burgermeister", denn wir wollen heim.

An der Kreuzung die Überraschung: Obwohl wir ein paar Minuten zu spät dran sind, steht unser Nachtbus noch an Ort und Stelle...wir rennen los, bei rot über die viel befahrene Straße, Wayne, die bremsen schon und hupen tut nicht weh. Geschafft! Unfallfrei!

Wir hetzen den Gehweg entlang, die mittlere Bustür steht offen, da könnten wir doch...viertelsekündige Pause, nein, da kann zumindest ich nicht einsteigen, ich brauch eine neue Fahrkarte. Also laufen wir weiter Richtung der vorderen Einstiegstür...

...und sind keine zwei Meter mehr von der entfernt, als der Busfahrer die Tür schließt und davon fährt. Und ich bin mir sicher, sein zufriedenes Lächeln im Rückspiegel gesehen zu haben. Uns hat er es mal so richtig gezeigt. Lauft, ihr Deppen, lauft!! Genossen hat er das.

Für ein paar Minuten.

Danach wird ihm dann wieder bewusst geworden sein, daß er so einen Quatsch nur macht, weil er sein Leben hasst. Das Leben in der viel zu teuren Wohnung irgendwo in einer abgefuckten Plattenbausiedlung irgenwo in Lichtenberg, mit kaum erzogenen Kindern, die ihm nach langer Schicht auf der Nase herumtanzen und ihn auslachen, weil er nur Busfahrer ist und sonst nichts und mit einer Ehefrau, die ihm schon lang nicht mehr das bietet, was er gern hätte. Nein, seine Männlichkeit hat er zuhause schon lange verloren.

Aber nicht im Job...Da ist er der, der bestimmt, Tür auf, Tür zu, wann immer er will... Endlich mal am längeren Hebel. Das fühlt sich gut an...

Schön hat er sie laufen lassen, die Spinner. Hat sie schön in dem Glauben gelassen, sie könnten den Bus noch bekommen. Und grad in dem klitzekleinen Moment, als sie sich sicher waren...da hat er sie gefickt! Die Macht des kleinen Mannes.

Und jetzt fährt er seinen Bus mit stolz geschwellter Brust zur Endstation und wenn er heimkommt, dann...

"Fuck Mann, der hat uns voll auflaufen lassen!" - "Ach komm, so als Busfahrer haste auch n beschissenes Leben. Gut, das war nu dreist, aber...eyh, guck mal, der Späti hat noch auf! Lass uns n Berliner holen!"

CapriSonne, NicNacs und...

Kalt ist es hier auf dem Bahnsteig des Ostbahnhofs. So morgens gegen 1.00 Uhr. Und Kumpel M. flucht, denn die anvisierte Bahn, die uns Richtung Prenzlauer Berg fahren sollte, um da die Nacht im "Baiz", der links anzusiedelnden Kneipe mit den besten Öffnungszeiten aller Zeiten ("16 Uhr bis Barmensch am Ende") ausklingen zu lassen, fährt zwar, obwohl sie eine S-Bahn ist, in Berlin muss man das ja auch mal hervorheben...allerdings fährt sie leider erst in knapp 30 Minuten. Das ist jetzt schlecht...

Und dabei hatte die Nacht so gut angefangen mit grandiosen Burgern im "Burgers Berlin",


Whisk(e)y im "So Frosch"  (Bild folgt. Vielleicht. Muss Gesicht verfremden, hab aber kein Programm dafür.)

und Cider im "Hops&Barley" , (eine meiner liebsten Addressen in der Hauptstadt)!


Während M. flucht und den BVG verteufelt, entdecke ich einen Snackautomat, dem ich meine komplette Aufmerksamkeit schenke. Ich steh ja nicht auf Süßkram, aber die Auswahl hier ist gut! Ich sehe die tollen "salzigen" Lakritzheringe, Caprisonne Orange und Kirsch, NicNacs, Kondome, Schwangerschaftstests, die gute Bifi, sogar die "Bifi Roll", die mag ich besond...

...

Kondome? Schwangerschaftstests?? ...the fuck?!?


Berlin, du schaffst es immer wieder, mich fassungslos zu machen. Und das ist weiß Gott nicht sooo einfach, ich bin einiges gewohnt.. Aber in der Hauptstadt? Jeden zweiten Tag...

Im Ernst jetzt, Schwangerschaftstests für 8 Euro aus nem Snackautomaten? Gut, Kondome versteh ich ja noch, aber Schwangerschaftstests? Und dann heißen die Dinger bzw die Marke auch noch "Maybe Baby", welches Genie hat sich das denn ausgedacht?? Ich weiß gar nicht, ob ich lachen soll oder nicht... Und einen Sinn erkenn ich auch nicht. Ich mein, es wär doch viel sinnvoller, wenn...

"Was ist denn jetzt?" ruft M. mir zu. "Gehen wir nun zu Fuß zum Nachtbus und holen am Späti noch eins oder willst du echt hier auf die Bahn warten? Ist ziemlich kalt hier auf dem Bahnsteig!"

Da hat er Recht. Es ist echt kalt. Und ein Bier vom Späti kann nicht schaden.

"Geht los! Ich konnt mich nur nicht entscheiden hier bei dem Automat..."

Sonntag, 13. Januar 2013

Auf der Suche nach der versteckten Kamera.

Vorhin beim Croque-Dealer meines Vertrauens. Ich warte auf meine Bestellung. Die Tür geht auf und ein Mann Mitte 40 betritt den Laden, eingepackt wie im tiefsten sibirischen Winter, in Haar und Bart hängen Schneeflocken, obwohl es draußen schon seit einiger Zeit nicht mehr schneit. Die Temperaturen bewegen sich leicht über Null.

"Guten Abend! Haben sie Bier?"

"Guten Abend, natürlich verkaufen wir auch Bier!"  Die Verkäuferin deutet auf den Kühlschrank.

"Haben sie auch warmes Bier?"

Die Verkäuferin schaut verwirrt. "Sie meinen ungekühltes? Ja, hinten im Lager müsste welches sein."

"Könnte ich davon eins bekommen? Aber bitte nochmal aufwärmen!"

"Aufwärmen? Bitte was??" Sie schaut noch verwirrter. Ich jetzt auch.

"Ja, so halbe Minute bei 400 Watt in die Mikrowelle! Sie haben doch sicher eine Mikrowelle. Ich habe extra eine Tasse mitgebracht! Sie können ja nicht die gute Glasflasche in die Mikrowelle stecken."  Er zaubert aus der Manteltasche einen Kaffeepott von ansehnlicher Größe.

Ich bin mir sicher, daß er scherzt, die Verkäuferin kichert unsicher und er hält ihr erwartungsvoll seine Tasse und eine Münze entgegen.

Drei Minuten später nimmt er unter unseren ungläubigen Blicken einen tiefen Schluck von seinem dampfenden Bier, strahlt übers ganze Gesicht und verkündet "Kinder, so liebe ich das! Bei dem Sauwetter da draußen trink ich doch nix aus der Kühlung!"  Dann geht er.

Ich lasse den Blick schweifen und warte darauf, daß Guido Cantz mit seiner versteckten Kamera zur Tür herein kommt, um sich seine wohlverdiente Schelle abzuholen. Doch der kommt nicht.

Bleibt mir nur, weiter zu rätseln, wo all diese Verrückten sich bei Tageslicht verstecken und warum sie ständig dort auftauchen, wo ich schon bin. Aber wenigstens wird so nichts langweilig, nichtmal das simple Bestellen des Abendessens. Man muss den ganzen Wahnsinn ja auch mal positiv sehen...

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 Nachtrag: Kumpel M. fiel zu dieser Geschichte was ein und er schickte mir ein paar abfotografierte Bilder aus dem Comic "Asterix bei den Briten". Freiwillig warmes Bier trinken scheint verbreiteter zu sein als angenommen (oder gehofft). Danke M., prima Idee! Passt echt gut!






Samstag, 12. Januar 2013

Gruselfeuer und Satansknall. Oder: Was von Silvester übrig blieb.

Neujahr. Blick aufs Handy. Kurz nach 17.00 Uhr. Au weia. "Fünf Minuten noch, Mutti!" denke ich und drehe mich im Bett um, blicke aus dem vorhanglosen Fenster in den Berliner Abendhimmel, an dem grad mal wieder eine Rakete explodiert und einen rot-weißen Funkenregen über die Straße niedergehen lässt. Ich lausche. Aus dem Zimmer nebenan kein Ton zu hören, entweder ist M. nicht zuhause oder er schläft noch. Erfahrungsgemäß eher zweiteres.

Noch ein Blick aufs Handy. Drei SMS, elf neue Nachrichten bei WhatsApp, vierzehn verpasste Anrufe. Acht davon von Mutter. Rückruf? Nein, lieber noch nicht. Hab ich überhaupt eine Stimme?? "Test Test" ächze ich in den leeren Raum, aha, es kann sprechen, es klingt zerfeiert, aber das war nicht anders erwartet worden.

Zufrieden rolle ich mich auf den Rücken, vorm Fenster geht die nächste Rakete hoch, dieses Mal in grün, zudem rummst es mächtig laut und man hört das fremdsprachige Gröhlen der Touris aus dem Hotel am Anfang der Straße. Die sind schon wieder fit und haben Spaß und ich lieg noch im Bett rum. "Alles richtig gemacht!" denke ich mir und grinse noch zufriedener.

Ich lasse die Silvesternacht rekapitulieren vor dem inneren Auge. Wie ein Film zieht sie nochmal vorbei.


Gegen 20 Uhr: Mit vollgepackten Rucksäcken kämpfen wir uns durch Pankows Straßen, vorbei an Mehrfamilienhäusern und griechischen Restaurants, aus denen laute Musik zu vernehmen ist. "Alter, wir sind schon wieder zu spät! Wir sind jedes Jahr zu spät!" rufe ich M. zu, der sieben Meter vor mir geht und grad irgendwas brennendes aus der rechten Hand auf die Straße wirft. Es zischt und dann sprühen rote, grüne und weiße Flammen aus dem Feuerwerk und es tanzt für ein paar Sekunden über die Straße. "Klar sind wir zu spät, wir sind immer zu spät, das kennen die doch schon!" sagt M., die Zigarette im Mundwinkel. "Aber weißt du was, dieses Kinderfeuerwerk ist echt lustig!"


Das kann ich nur bejahen und schmeiße ihm zwei Knallerbsen vor die Füße. "Mann, du bist ja drauf!" raunt er. "Sei mal froh, wenn L. gleich mit am Start ist, dann hast du es mit anderen Kalibern zu tun, der hat doch garantiert wieder halb Polen leergekauft!" Man nickt sich vielsagend zu.

Gegen 21 Uhr: Neun Mann und ein Weiblein sitzen um einen Tisch, trinken Berliner Pilsener oder Sternburg, Kumpel L. hat seine Polenkäufe vorgeführt und eins ist klar: Wenn L. was wirft, dann in Deckung! Ein Auto ist ok, ein unterirdischer Bunker wäre besser. "Der hier ist besonders jemein! Aber keene Sorge, den schmeiß ick vom Dach, da passiert keim was! Also, zumindest keim aufm Dach!" Kumpel J., den ich eigentlich immer für einen guten Menschen gehalten habe, drängt mich dazu, einen Kurzen mit ihm zu trinken. Die Reste von letzter Woche. Hochprozentig, mies im Geschmack und körperwarm, da die Buddel nie einen Kühlschrank von innen gesehen hat. Es ist grauenhaft und im Nachhinein denke ich, daß das der Anfang vom Ende war...

Gegen 22 Uhr: "Dinner for one" war wie immer ein Knaller, man kennts ja schon auswendig, muss aber doch immer wieder lachen, wenn Freddy Frinton aka Butler James über den Tigerkopf stolpert, die Hacken mehr oder weniger gekonnt zusammen schlägt und schließlich sturzbesoffen aus der Blumenvase trinkt. Dann ist Aufbruchsstimmung, von Pankow gehts per Tram zur Schönhauser Allee, knappe fünfzehn Minuten dauert die Fahrt. Und da Kumpel J. zu spät einfällt, das er ja unbedingt noch Blei gießen wollte, wird eben improvisiert. Blei gießen im Mittelgang der M1 mit einem Glas, das J. aus der Altglastonne hinter dem Haus gefischt hat und welches früher mal Grünkohl enthielt, entsprechend "duftet" es.


Die ganze Aktion hat rein optisch ein bisschen was von Drogen aufkochen und geht natürlich auch nicht ohne Verbrennungen vonstatten, aber das hat vermutlich auch niemand erwartet.

Gegen 23.30 Uhr: Rauf aufs Dach. Premiere: Wir haben einen Schlüssel für Haustür und Dachboden, es müssen also nicht wie sonst hektisch Aufgänge gesucht und sinnlos Treppenhäuser zuerst hoch, dann bei Mißerfolg wieder herunter gerannt werden. Im Gänsemarsch geht es hoch in den sechsten Stock und dort durch eine Dachluke aufs Flachdach an der Kreuzung Schönhauser Allee/Bornholmer Straße mit 360-Grad-Blick, den Fernsehturm fast direkt vor der Nase und bei klarem Sternenhimmel und angenehmem Wind, der später den Rauch der Silvesterraketen verwehen wird. Eine Aussicht, wie ich sie noch nicht gehabt habe. Da bleibt der Mund erstmal offen stehen und das Herz rast für ein paar Sekunden. Nein, Hamburg ist NICHT die schönste Stadt der Welt.

Es wird voller und voller auf dem Dach, es sind am Ende locker 60 Menschen dort oben, alle fröhlich, alle gut gelaunt, alle nett, eine tolle angenehme Athmosphäre, die kaum besser sein könnte...

FÜNF...VIER...DREI...ZWEI...EINS...

00.00 Uhr: Um mich herum explodieren in allen Farben die Raketen, genauso explodiert die Stimmung, man liegt sich in den Armen, wildfremde Menschen fallen mir um den Hals und während ich mit Kumpel M. anstoße und im Hintergrund den von Feuerwerk erleuchteten Fernsehturm sehe, fühl ich mich richtig gut und könnt die ganze Welt umarmen.


Ich liege auf dem Rücken im Gästezimmerbett, schaue an die Decke und freue mich über die Bilder vor dem inneren Auge und die Erinnerungen.

Ein schrilles Klingeln. Was zur Hölle...?? Nach sekundenlanger Orientierungsphase finde ich mein Handy. Mutter. Natürlich. "Hallo!...Ja, danke, euch auch!...Nein, ich bin nicht vom Dach gefallen...ja, ich liege noch im Bett...ach Gott, der arme Hund...ja, das hab ich mir gedacht, daß ihr früh im Bett wart...nein, ich war nicht früh im Bett...ja, ich weiß, das ist ungesund...gute Nacht Mutter!...nein, ich steh jetzt nicht auf...warum? Herrje...ja, ich dich auch, bis bald!"

Weg. Die ganzen schönen Bilder sind weg. Ach, verdammt nochmal...

Ich drehe mich auf die Einschlafseite und schaue mir interessiert den Wandschrank an. Und nach kurzer Zeit...

...bin ich wieder in der letzten Nacht. Unten vorm Haus. "Den Abstieg vom Dach auf den Dachboden haste echt gut hingekriegt" denk ich mir, "normalerweise scheißt du dich da doch immer ein. Aber diesmal zack zack, wolltste wen beeindrucken?" Ich überlege kurz. "Nööh, wolltste nicht, hast dich nur mal nicht angestellt wie n Vierjähriger, könnteste öfter mal machen! Geht doch!" Mir fallen die Augen zu.

"Tayfun ist zu!" - "Was?" - "Tayfun ist zu!" M. steht vor meinem inneren Auge und sieht aufgeregt aus...ich muss kurz nachdenken. Tayfun, Tayfun...ah, der Dönerdealer, in dem wir immer hocken, wenn wir wieder festen Boden unter den Füßen haben. "Wie, Tayfun ist zu, der war doch die letzten Jahre immer offen. War halt nie so glücklich, wenn wir da die Sektreste vernichtet haben, aber geschlossen war nie." - "Richtig. Aber jetzt ist zu. Nix mit Essen und Aufwärmen, wir gehn jetzt direkt zu S. in ihre Bude. Komm, Abmarsch!"

Gegen 1.00 Uhr:  Kumpel J. und ich stehen fasziniert vor einem Lagerfeuer, das eine Gruppe südeuropäischer maximal Zehnjähriger mitten im Prenzlauer Berg auf dem Gehweg entzündet hat. Einen Meter davon entfernt parken Autos. Und die Kiddies tanzen drumherum wie die Hexen in der Walpurgisnacht. Wieder sowas, worin ich keinen Sinn entdecken kann.

Ich schüttele entschlossen den Kopf. "Konzentrier dich Junge, bleib nicht bei solchen Kleinigkeiten hängen! Was passierte danach?"

In S.'s Wohnung war es ziemlich entspannt, ruhiges Miteinander, diverse Freunde klappten ob soviel Ruhe und gemütlicher Wärme weg und schlummerten friedlich auf dem Teppichboden ein und ich habe von der Freundin eines Freundes viel über Silvesterfeiern in Südkorea gelernt  (die wichtigste Erkenntnis: "They suck!")

Ich grinse ob dieser Aussage, die mit soviel Nachdruck kam. Und rolle mich wieder auf den Rücken, bevor ich tatsächlich wieder einschlafe. Ab jetzt wird die Wiederherstellung der Nacht auch komplizierter.

Gegen 3.30 Uhr: Mal wieder steht M. vor mir. "Da ist ne WG-Party in Kreuzberg, n Freund ist da, sagt, da geht was. Wollen wir hin?" Ich sitze grad mit der Wohnungsbesitzerin auf dem Teppichboden und wir singen laut mit bei dem Lied meiner Lieblingsband, das grad aus den Boxen tönt. Auch ihre Lieblingsband, na, wasn Zufall. An sich gefällt es mir hier gut, andererseits ist da wieder diese Stimme im Kopf. "Alter, du bist fast 34, wann kommst du nochmal auf ne WG-Party?!?" Da hat die Stimme Recht. "Jau, klar M., da wollen wir hin!"

Ich liege im Bett und habe nun einen Ohrwurm. Das machts nicht einfacher, sich an den Rest der Nacht zu erinnern. Es wird jetzt leicht bruchstückhaft.

Mit zwei Wegbier bewaffnet geht es zur Bahn, einmal die U2 runter, von Schönhauser Allee bis Mendelssohn-Bartholdy-Platz. Die Fahrt fehlt mir, Bilder zeigen, daß ich evtl einen Teil verschlafen habe...

Gegen 4.30: Wir betreten die WG-Party. "Da geht was" hatte M.'s Kumpel geschrieben - er hat leicht untertrieben. Menschenmassen! Das ist ne WG-Party aus meinem Studium, nur 20mal so groß. Krasser Mist! Ich kann nichtmal schätzen, wieviele Leute da waren. 150? 200? Rappelvoll auf jeden Fall alles. Ich auch. M.'s Kumpel findet sich schnell und ist ein sehr angenehmer Zeitgenosse. Nach ein bisschen Bier und ein bisschen geschwungenem Tanzbein zu elektronischen Klängen schleppt er uns aufs Dach, dieses Mal nur dritter Stock, aber dafür auch mit Aussicht auf den Fernsehturm. M. fotografiert wie ein Weltmeister und ich pose wie einer. Leo DiCaprio hats in diesem obskuren Film über das untergegangene Boot nett formuliert: "Ich bin der König der Welt!" In etwa so deute ich meine Pose.


 Aber hat irgendwie was...Erinnerung daran? Ja, doch, ein wenig.

Gegen 5.00 Uhr sitze ich in einem kahlen Flur auf einer Couch und habe dem Mädchen mit dem dunklen Pferdeschwanz neben mir gerade erzählt, daß ich auf dem Dach geposed habe wie Leo DasCabrio. Das freut sie. Daraufhin beginnt sie, mich vollzutexten. In einer mir nicht bekannten Sprache. Rein optisch mag sie Asiatin gewesen sein...oder Südamerikanerin, Peru, die Ecke. Ich habe keine Ahnung.

"Alter, das musste den M. aber fragen gleich!" denke ich mir, während ich mal wieder aus dem Fenster schaue. (Er wird darauf mit "Geredet? Gekuschelt habt ihr!" antworten. Ich werde dann verwirrt sein und nicht weiter nachfragen. An "Kuscheln" in irgendeiner Form habe ich keine Erinnerung. Verdammt!)

Gegen 6.00 Uhr: "Hey, lass uns gehen, in der Nähe ist ein Club, da gehen wir rein!"

Das nächste, an das ich mich erinnere, ist schlimme Musik. Charts-Mischmasch. Die WG-Party ist auch weg. Stattdessen sitze ich auf einem Stuhl in einem Club neben einer Tanzfläche voller extrem seltsamer Menschen und bin mit der Gesamtsituation unzufrieden. Also exe ich das Bier, das ich in der Hand habe (Wo kommt es her?) und beschließe zu schlafen.

"Schlafen, ja, das könnt ich jetzt auch!" denke ich, "dann wachste aber mitten in der Nacht auf und das ist auch blöde. Außerdem ist die Reise durch die letzte Nacht ja bald zu Ende, dann stehste auf. Keine Widerrede!" Ich starre wieder an die Decke und versuche, die letzten Erinnerungsfetzen zusammen zu bauen. Aber da gibts nur noch ganz wenige.

Irgendjemand zerrt an meinem Arm. Ich mache die Augen auf und erkenne verschwommen M., auf der anderen Seite jemand, den ich nicht kenne. "Haha, das ist ja lustig!" denke ich, "aber jetzt wach mal auf, so'n Traum ist nicht normal!" Dann bemerke ich, daß ich nicht träume. "Komm mal mit, wir gehen jetzt heim!" sagt M. und auf einmal sehe ich wieder die Tanzfläche und die seltsamen Gestalten, höre die immer noch nicht gute Musik, stelle mich auf meine zwei Beine und...flupp, wieder weg.

Und dann: Neujahr. Blick auf die Uhr. Kurz nach 17.00 Uhr. "Fünf Minuten noch, Mutti!"...

Ich setze mich aufrecht im Bett auf. Am Berliner Abendhimmel explodiert eine Rakete. Rot-weiß. Und es scheint, als hätte ich noch einiges zu klären...

Mittwoch, 9. Januar 2013

Die letzte schlechte Idee im Jahr 2012.

2012 war ein langes Jahr, was nicht zuletzt daran liegt, daß es sich um ein Schaltjahr handelte, man hatte also 24 Stunden länger Zeit, sich das Jahr erfolgreich zu vermasseln.

Es gab gute Ideen in 2012, zum Beispiel, den Quatsch mit dem Rauchen sein zu lassen, das war sehr gut! Spontankäufe von Konzertkarten, für die das Geld fehlte, was man konsequent ausblendete, erwiesen sich als teils großartige Ideen, hatten sie doch manch spannende Abende und Nächte zur Folge.

Leider gab es auch einen Haufen schlechter Ideen, zum Beispiel die, am Ostersamstag auszugehen, obwohl am Ostersonntag eine zwölfstündige Schicht anstand, die Chance, rechtzeitig aufzuwachen war gering und Cheffe dementsprechend begeistert - ok, ich mochte den Job eh nicht mehr... Auch die Idee, die Exfreundin nach einer durchfeierten Nacht morgens gegen sechs anzurufen, erwies sich im Nachhinein als keine gute, war ihr neuer Freund doch alles andere als angetan davon und drohte mir ganz gemeine Dinge an. Ich nehme an, mein darauffolgender Lachanfall hat in der Situation eher nicht geholfen...

In den frühen Morgenstunden des 31.12.2012 gegen 1.00 Uhr hatte Kumpel M. die letzte schlechte Idee des Jahres 2012.

U-Bahn-Surfen? Polenböller aus der Hand zünden? Einen neuen Flughafen südlich von Berlin bauen und versprechen, finanziell und zeitlich alle Vorhersagen einhalten zu können?

Ach was, Anfänger! Cheeseburger! Für 1,50€! Vom Döner-Burger-IchKannAllesAberNichtsDavonSchmeckt-Kiosk zu Füßen des Viadukts an der U-Bahn-Station Schönhauser Allee.

                                                                                                                   
Die Speisekarte lies nicht unbedingt gutes erahnen...

                             
Weiß der Geier, wie er auf diese Idee gekommen ist, es war nicht der Alkohol, wohl eher der Übermut, denn es war von Anfang an mehr als offensichtlich, daß das in keiner Weise gutgehen kann. Nach der Ankunft hier, als wir zum Treffen mit Stevenson liefen, machte er sich noch lustig über das klitzekleine Büdchen, jetzt steht er tatsächlich davor und ist im Begriff, zu bestellen. Stevenson, der neben mir ein paar Meter weiter hinten steht, fragt entgeistert "Meint der das ernst??" und ich kann nur mit "Ich befürchte schon..." antworten.

"Hi, drei Cheeseburger möchten wir bitte!" bestellt M. freudig erregt. "Von WIR kann keine Rede sein!" denke ich, aber jetzt ist es eh zu spät. Vor uns an der Reihe ist noch jemand, der einen Döner bestellt hat und der Dönerdealer macht sich am vollkommen verbrannten Spieß zu schaffen.


Hätte er noch fünf Minuten länger gewartet, so hätte er das Ding wohl mit einer Axt bearbeiten müssen, um durch die verbrannte Kruste zu kommen. So "schneidet"...eher "sägt"... er dem armen Menschen vor uns nun das verkohlte ehemalige Dönerfleisch, das inzwischen rein optisch auch gut als Brikettsplitter durchgehen würde, vom Spieß, haut es zusammen mit erstaunlich fit aussehenden Salaten in einen Fladenbrotrest und kassiert frecherweise auch noch dafür. Der Kunde bedankt sich sogar noch. Wahnsinn.

Jetzt sind wir an der Reihe. "Hey! Ich hab Problem!" ruft der Dönerdealer M. zu und redet auf ihn ein. "Ja, neeh, geht schon! Mach mal!" antwortet M., dreht sich weg und kann ein Lachen kaum unterdrücken. "Er sagt, er hat keine Burger-Buns mehr!" - "Und nu?" - "Jetzt nimmt er eben Fladenbrot!" Es wird nicht besser...

Fünf Minuten später bekommen wir das Endprodukt. Den "Cheeseburger".

Zuerst Stevenson, er bekommt seinen in die Hand gedrückt, wirft mir noch einen verzweifelten Blick zu und trollt sich dann ein paar Meter, vermutlich soll M. seine Reaktion nach dem ersten Bissen nicht sehen oder so. Ist ja immerhin eine Einladung und einem geschenkten Gaul...

Mir wird mein "Burger" in die Hand gedrückt und ich bin mir nicht sicher, ob ich lachen oder weinen soll. Entscheide mich dann für Lachen, denn es hat mich ja keinen Cent gekostet.                                                  

In der Hand halte ich ein kaltes trockenes Fladenbrot, gefüllt mit Unmengen von Eisbergsalat, einem grad mal so durchgebratenen Fleisch-Pattie (vergleichbar mit dem vom McD-Hamburger), einem Stück billigstem Scheibenkäse aus dem Zehnerpack vom Discounter, das nicht ansatzweise geschmolzen/verlaufen ist, dazu ein bisschen Ketchup und die traurigen Reste einer Tomate. Ok, hat nur 1,50 gekostet...aber im Ernst, wer will sowas essen??

Kumpel M. will!


Er haut sich sein Exemplar rein, als wäre es Kobe-Rind und als ich ihm eher aus Spaß mein angebissenes Burgerplagiat, mit dem ich nach dem dritten Bissen abgeschlossen habe, anbiete, schlemmt er das auch noch weg, verkündet sogar mehrmals "Ach kommt, so schlimm ist das echt nicht!!", während Stevenson, der Eisenmagen, bereits nach dem zweiten Bissen kapituliert hat und anfragte, die Reste entsorgen zu dürfen - fachgerecht auf dem nahegelegensten Fahrradsattel. M. scheints echt geschmeckt zu haben, Stevenson und ich sind fassungslos.

Ein kulinarischer Alptraum, ich fress wirklich viel Mist und kann einiges ab und Stevenson hat sich auch nicht umsonst in gewissen Kreisen den Namen "Fressmasochist" erarbeitet....wenn DER dann sagt, daß das Ding das Schlimmste war, was er je gegessen hat...ich lass die Aussage mal einfach so stehen. Spricht für sich. Ein Grauen...was war ich froh über das Wegbier auf der Heimfahrt...

Trotzdem wars aber lustig, irgendwann werd ich erfahren, was M. zu dieser Wahnsinnstat getrieben hat. Und zumindest war die letzte schlechte Idee im Jahr 2012 gut gemeint...und wir haben sie alle überlebt.

Und dann kam Silvester...

Dienstag, 8. Januar 2013

Der Strand von Athen...

(...)

"Oh ja, damals, als wir in Athen am Strand waren, da..."

...

"Strand? Athen?!?" - "Äh, ja, Strand in Athen!" - "Alter, Athen hat keinen Strand!" - "Natürlich hat Athen einen Strand, ick war doch da!!" - "Denn warste anderswo im schönen Griechenland. Aber nicht in Athen! Athen hat keinen Strand, das liegt so mitten im Peloponnes, nicht am Wasser." - "Aber ick war am Strand! Als ick in Athen war! Wir sind mitta U-Bahn gefahren und denn mitta Bimmelbahn kurz und denn waren wa am Strand!" - "Ja, denn warste anderswo...Athener Hafenregion, Piräus, vielleicht haben die da n Strand? Würd doch passen wegen Hafen und so..." - "Neeh neeh, dit war in Athen!"

Zehn Minuten später.

"Im Ernst jetz mal, dit war Athen, echt! Kurz nur Bimmelbahn, auf jeden Fall Athen! Ick ruf jetz meine Frau an, die weiß das!"

...

"Geht nich ran. Schläft wohl schon. Aber ick schwör, ick red keinen Quatsch! War Athen!" Kumpel M. und ich nicken, grinsen und haben Recht. Stevenson ist leicht erregt und besteht auf seinem Standpunkt. Find ich gut.

Wie genau es zu dieser Unterhaltung kam? Weiß ich nicht mehr. Aber der Abend war klasse!

(Zwei Stunden vorher)

Eine kleine Kneipe im Prenzlauer Berg. Eine der wenigen, die noch urig ist. Kein Öko-Mist, keine Dinkelbratlinge und Mütter mit Kinderwägen machen um diesen Ort einen großen Bogen. Das ist gut so. Duster, verqualmt, der Barmensch ist nicht unbedingt freundlich, dafür umso authentischer, einfach eine nicht so weichgepuderte aufgemotzte Athmosphäre wie anderswo in diesem Bezirk. Das ist eine extrem ehrliche Eck"kneipe" hier. Muss man lieben. Geht nicht anders.

Stevenson, Kumpel M. und ich hocken im Halbdunkel an einem Tisch, zwielichtig sehen wir wohl aus auf den ersten Blick, es wird viel geraucht, Bier und Whiskey werden geordert, lautstark wird diskutiert über Gott und die Welt. Über die vergangenen Weihnachtstage ("...neeh, ich weiß immer noch nicht, wo ich die Blutergüsse her hab. Ist mysteriös!"), über die Silvesterpläne ("...15 Uhr treffen wir uns dann, ab dann wird gefressen und getrunken! Ganzen Tag! Wird super!"), es wird gelästert und gelacht, getratscht und gefachsimpelt, der Barmensch mag mich kurzzeitig nicht, da mein Rucksack in seinem Weg liegt, weshalb er mich mit einem Blick bedenkt, bei dem ich im Normalfall augenblicklich hätte in Flammen aufgehen sollen.

Irgendwie kommts zum Thema Touri-Abzocke und über die Rosenfrauen in Palma, über Geschichten aus Ägypten und Rom läufts auf  "Oh ja, damals, als wir in Athen am Strand waren, da..." herraus.

...
...

Stevensons Handy klingelt. Seine bessere Hälfte. "Ja, allet gut hier, allet schön. Sag mal, als wir in Athen waren, da waren wir doch am Strand!... ... ...Aha... ... Ok?... ... Aaaaaha, ok!...ja, das hilft mir!...Mist!"

...

Er legt auf. Guckt. Kumpel M. und ich reiben uns die Hände.

"Gibt keinen Strand in Athen! 30 Minuten mit der fucking Bimmelbahn gefahren, Alter! Scheiße!! Sagt jetz nix!"

M. und ich prosten uns nur still zu. Wär das Thema denn auch durch.

Die nächsten zwei Stunden wird sich pudelwohl gefühlt in diesem Kleinod zwischen den ganzen aufgelackten und gepimptem Bars und Clubs in dieser Ecke der Stadt. Ein toller Ort! Jederzeit wieder!

Das kulinarisch katastrophale Ende der Nacht konnte da noch niemand erahnen...