Mittwoch, 8. Mai 2013

Ehemalige Beziehungen und ehemalige Besichtigungen

Ich habe vorhin in einem anderen Blog gelesen, wie sich an den Einzug in die (in dem Fall ehemalige) Wohnung erinnert wurde und da hab ich mal den Fernseher stummgeschaltet und mich im Sessel zurückgelehnt und überlegt, wie das denn bei mir war, als ich vor mehr als einer Dekade in meine Wohnung im besten Stadtteil der angeblich schönsten Stadt der Welt eingezogen bin, die ich inzwischen liebgewonnen habe (die Wohnung, nicht die Stadt), obwohl ich anfangs nicht damit gerechnet habe, länger als ein Jahr hier zu leben. Denn man war ja jung und vielleicht auch cool, vor allem aber "dagegen", fast egal, worum es ging, erstmal einfach "dagegen", aus Prinzip und so.

Und wenn man zu vor etwas mehr als einem Jahrzehnt "dagegen" war, dann hatte man in Hamburg eigentlich nicht so viel Auswahl, um das Wohnviertel zu wählen. Schanze, Pauli, Altona, das war's dann eigentlich auch.

Die Schanze lag da zwar schon in den schweren letzten Atemzügen und war längst nicht mehr so anti, wie ich mir das vielleicht eingebildet hatte und aus dem Fernsehen kannte, man wurde zwar alle drei Meter angequatscht, ob man nicht "was bräuchte" und hier und da lag noch einer mit der Nadel im Arm vollgekotzt im Hauseingang, was mich, den Dorfdeppen, aus mir heut unerfindlichen Gründen faszinierte, politisch war das aber alles kaum noch.

Gut, die Leute in der Roten Flora konnte man im Gegensatz zu heute damals noch ernst nehmen und es gab noch keinen Galao-Strich, keine Feiermeile für Vorstadtkiddies mit Lust auf alternativen Flair mit eventueller Chance auf Randale am Schulterblatt, aber die Schanze hing politisch an lebenserhaltenden Maschinen. Am ersten Mai Team Black gegen Team Green, das war damals noch ehrlich. Heute nippen Pöseldorfer Krawalltouristen während des Steineschmeißens am Mate-Tee oder Piccolo.

Ätzend!

Genau wie Steine schmeißen übrigens.

Oder Autos anzünden. Zwei Mittelfinger für die Wagensportliga.

Damals wollt ich trotzdem unbedingt schanzennah wohnen...

...nach Checken der Mietpreise war ich dann plötzlich anderer Meinung. Und ich habe das nie bereut...

Ich hatte mir drei Wohnungsanzeigen ausgesucht, da wollte ich zu den Besichtigungen gehen. Eine in Bramfeld (ich wusste damals nicht, daß es da nichts gibt und fühlte mich bei Ankunft an der annoncierten Wohnung an mein 2000-Seelen-Heimatdorf erinnert - nur in schäbiger), eine in Osdorf (17 Stockwerke hoch, der Eingangsbereich türkisblau gefliest wie ein verdammtes Schwimmbad, auf dem gefühlt quadratkilometergroßen asphaltierten (Park)platz(?) vorm Haus spielte eine Gruppe Grundschüler mit einem langen Fleischermesser. Ich hab mir die Wohnung gar nicht erst angesehen, meine Begleitung hatte Angst, das Auto zu verlassen. Ich selbst hatte maximal Respekt. (Bitte hier zwinkernden Smilie einfügen))

Es ist übrigens immer gut, bei Wohnungsbesichtigungen eine Begleitung zu haben, die nach Beziehung aussieht, das habe ich festgestellt. Vergeben scheint man seriöser zu wirken als als Single. Ich weiß nicht, warum das so ist, hatte aber trotzdem zu den Terminen meine Exfreundin quasi reaktiviert (was irritierend war, da die Trennung recht frisch war...dann auf verliebtes Paar zu machen war...nennen wir es "eine Herausforderung").

Und bei der dritten Wohnungsbesichtigung in Barmbek, der Besichtigung der Wohnung, in der ich just in diesem Moment sitze und tippe, war genau das der Knackpunkt.

Es waren etwa 2600 Interessenten anwesend, die Maklerin, streng mit Dutt und Hornbrille, sah aus wie wahlweise eine gemeine Lehrerin oder frisch aus nem Softporno entsprungen, die Mieterin und ihr Freund, waren natürlich auch da, er ein Kanadier, mit dem ich mich direkt wunderbar verstand, da er seltsamerweise Baseball Eishockey vorzog und bei Baseball kann ich punkten, gewann doch ein um hundert Ecken Verwandter mal die amerikanische Meisterschaft. True story!!

Die ehemalige Lebensabschnittsgefährtin entertainte derweil die Noch-Mieterin, vermutlich mit Geschichten über kleine kuschelige Entenküken oder Jason Statham, irritierenderweise ihr liebster Schauspieler. (Statham "Schauspieler" zu nennen...in meinen Augen zumindest fragwürdig)

Was sie erzählt hat, hab ich nie erfahren, es hat aber funktioniert. Die Mieterin liebt sie, ihr Freund mich, er nötigt mir alle 30 Sekunden eine hohe Fünf ab, er ist Fan der Toronto Blue Jays und ich konnte ihn davon überzeugen, zumindest ein Sympathisant des Teams zu sein, was natürlich vollkommener Quatsch ist. Während der hohen Fünfen tanzt er wie ein Derwisch und brüllt was mit "fucking" und "awesome" und so. Seine Freundin und meine "Freundin" beobachten das mit verstörten Blicken.

Dann ist Feierabend. Die aus dem Porno entsprungene gemeine Lehrerin, die nebenberuflich auf Maklerin macht, macht Schluß. Alle raus, Besichtigung zuende. Ich hab nicht ein Wort mit ihr gewechselt, was mir Sorgen macht. Meine "Freundin" hingegen grinst wie ein Honigkuchenpferd auf Ecstasy.

Am Tag drauf, als ich grad wieder Wohnunganzeigen durchkrame, klingelt das Handy. Die Maklerin. Zitternde Finger.

"Herr Fährlich, Gratulation, Sie haben die Wohnung! Blablabla. Und grüßen sie Ihre reizende Freundin von mir, es war mir eine Freude, sie kennen zu lernen! Blablabla...bla!"

Seit über einem Jahrzehnt rätsele ich darüber, was für Worte die beiden gewechselt haben. Ich werd's vermutlich nie erfahren, die damalige Begleitung, die heut zum engen Freundeskreis gehört, grinst und geht, wenn ich das Thema anspreche.

Es ist zum...!

Aber es hat funktioniert. Und das ist, was zählt!

Barmbek, my love!

2 Kommentare:

  1. Tolle Idee,
    bisher hatte ich als Single nur zum Autokauf nen Mann mitgenommen, um das Auto zu checken, so dass der Verkäufer das Gefühl bekommt, dass er einen nicht übers Ohr hauen kann.

    Aus der Sicht eines Vermieters betrachtet hat eine freundliche Lebensgefährtin mehrere postitive Aspekte: Frauen traut man mehr zu, die Wohnung auch im Detail sauber zu halten und wenn möglicherweise einmal 2 Personen in der Wohnung wohnen, die beide ein Einkommen erzielen, dann fühlt es sich für Vermieter sicherer an, auch die Miete überwiesen zu bekommen.

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    1. Hey Lia! :)

      Genau das, was Du ansprichst, war auch mein Hintergedanke. Ein junger Typ in einer festen Beziehung mit netter seriöser Partnerin bekommt eine Wohnung eher, als ein Single, der (Vorurteils-Generator an) nichts als Feiern und Vielweiberei im Kopf hat.

      Der Plan hat vortrefflich funktioniert, meine geliebte kleine Bude hätte ich allein sehr wahrscheinlich nicht bekommen.

      Bei evtl kommenden Umzügen werd ich das exakt genau so wieder machen. Ich glaub, das ist echt keine ganz doofe Idee.

      Ich wünsch Dir einen tollen Sonntag :)

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