Mittwoch, 25. September 2013

Skyporn

"Wir bleiben wach, bis die Wolken wieder lila sind..." ("Marteria - Lila Wolken". Absolut nicht meine Musik, aber hier passt`s grad mal.)



Allzu lange wach bleiben oder gar eine Nacht durchmachen musste ich für das Foto allerdings nicht, denn das ist kein Sonnenauf- sondern ein Sonnenuntergang. Von einer Hafenfähre aus, mit Fahrtwind um die Nase und nem Bierchen in der Hand...nein, ohne Bierchen, ist ja verboten auf den Hadag-Fähren und daran hält man sich selbstverständlich...echt jetzt! Schwör!

Ich geb ja zu, ab und an kann ich diese "Hamburg ist die schönste Stadt der Welt"-Geschichte ein klitzekleines bisschen nachvollziehen. Aber wirklich nur ein klitzekleines bisschen. Das muss reichen.

Als ich vorhin im strömenden Regen an der Bushaltestelle stand, mir den Arsch abgefroren und dem Sommer hinterher getrauert habe, obwohl ich ja in der heißen Zeit auch nur am Motzen war, kam mir dieses Bild, mein Lieblings-Sommerbild 2013, wieder ins Gedächtnis. Zuhause habe ich die tropfnasse Jacke zum Trocknen über die Heizung gehängt und das Bild rausgesucht.

Und dank des Titels dieses Posts hab ich dann ab gleich auch wieder Horden von Menschen auf der Seite, die via Google direkt mit offener Hose hier ankommen. Ich freu mich schon auf neue Suchbegriffe, die hierher führ(t)en, denen hab ich mich ja schonmal gewidmet. Im Moment ist es erstaunlich ruhig in den Statistiken, fast schon langweilig. Das muss sich ändern!

Montag, 23. September 2013

Hölle, Hölle, Hölle am Morgen, Morgen, Morgen

Montag Morgen.

Da ich die Nacht von Samstag auf Sonntag zwecks Stimmabgabe früh am Morgen (an einem Sonntag Mittag/Nachmittag kriegt man mich selbst unter Androhung massivster Gewalt nicht aus dem Bett - Sonntage sind Bett-Tage!) durchgemacht hatte und danach noch bis irgendwann um 14 Uhr herum am Telefon gelandet war, wurde aus dem geplanten "Ich leg mich ein paar Stunden hin, bin abends wieder wach und kann um spätestens 1 Uhr wieder friedlich knacken" leider ein "Ich leg mich hin, falle in einen komatösen Zustand und werde erst am frühen Montag Morgen wieder wach." Uuuups!?

Montag Morgen, 7.30 Uhr also. Hellwach. Und jetzt?

Ich beschließe, die Tageseinkäufe einfach mal schon jetzt, am für mich frühen Morgen, zu tätigen und nicht, wie sonst gern mal, drei Minuten vor Ladenschluß in den Supermarkt meiner Wahl zu schneien.

Also kurz unter die Dusche, nachdem ich entspannt ein Kapitel der aktuellen Klo-Lektüre auf dem Thron gelesen hatte, dann rein in die frischen Klamotten und raus in die Welt.

Der Baustellenlärm ist noch nicht so laut, wie er es ab 10 Uhr bis tief in den Nachmittag hinein sein wird, also höre ich ab dem Moment, wo ich den Fuß aus der Haustür gesetzt habe, ungewohnte und ungewollte Klänge.

"Das ist Waaaahnsinn! Warum schickst du mich in die Höööölle???"

"Hölle, Hölle, Hölle!" denke ich mir und der Gedanke tut weh. Der Gerüstbauer, der mir in seinen schweren Arbeitsklamotten entgegen kommt, muss den gleichen Gedanken gehabt haben, denn er verzieht das Gesicht, als hätte er sich grad einen Nagel in den Fuß geschossen.

Der Petry?? Der "singende" Wischmopp?? Um diese unheilige Uhrzeit?!? Was zur...?

(...Hölle, Hölle, Hölle!)

AAARGH!!!

Als ich den Ring 2 entlang laufe, übertönt der Berufsverkehr, der sich in beide Richtungen Stoßstange an Stoßstange über den Asphalt schiebt, gnädigerweise das akustische Grauen und die Gänsehaut ebbt ab.

Kaum habe ich ihn aber gekreuzt und betrete die kleine Grünanlage, in der man sonst nur vor sich hin palavernde Alkis oder quiekende Karnickeljunge (ooooooooohh!!!) hört, geht der Horror weiter.

"Joana! Du geile Sau! Geboren, um Liebe zu geeeben!"

"Du Luder!" ergänze ich den Text im Kopf und hoffe, dass selbiger schnellstmöglich explodieren möge. Dann hat die liebe Seele Ruh...

...tut er aber nicht und die liebe Seele wird weiter gequält, als ich den Durchgang für Fußgänger am Schwalbenplatz passiere. Jedes Mal muss ich bei den Wohngebäuden, die diesen privaten Durchgang umgeben, an Hotelkomplexe auf Malle denken...`98 war ich mal in El Arenal und unser damaliges Hotel sah EXAKT aus, wie die Wohnbunker hier! Ich habe jedes einzelne Mal, wenn ich hier längs laufe, ein Deja-vu. Sonne, Strand und Kackmusik. Passend zum Malle-Look kommt, was kommen muss und was ich bei sämtlichen vorherigen Malen hier schon erwartet hatte. Jürgen Drews. Und sein verficktes Bett im Kornfeld. Das Lied schallt mir durch den zweiten kurzen Teil des Fußgängertunnels entgegen und ich bekomme spontan Hirnkrebs und grüne Punkte am ganzen Körper.

Es ist passenderweise 08.15 Uhr und ich frage mich, ob das einfach ein ganz schlechter Traum ist oder ob an der Fuhle tatsächlich grad schlechtester Schlager auf höchster Lautstärke abgespielt wird. Und wenn ja....WARUM?!?!?

Auf der anderen Seite der Fuhle sehe ich, als ich mit blutenden Ohren aus dem engen Fußgängerweg trete, viele rote Luftballons an dem Ladengeschäft neben dem "Orion"-Laden, der hier im Dorfe Barmbek-Nord ähnlich heiß diskutiert wurde, wie der Wohnungs-Puff in meiner Straße.

Eine Neueröffnung ist es. Und auf dem Gehweg vor dem Laden steht ein (vermutlich zur eigenen Sicherheit) mit Perücke und großer Sonnenbrille verkleideter Sänger und schmettert deutsches Schlager-Liedgut ins Mikro, die Musik dazu kommt vom Band. Daneben steht eine junge Angestellte des neuen Ladens (ich konnte nicht ausmachen, WAS da eröffnet wurde, ich war zu geschockt! Werd die Info nachreichen.) und versucht vergeblich, rote Luftballons an Mann oder Frau zu bringen. Es laufen nur alle genervt oder mit hasserfülltem Blick an ihr vorbei. Sie schaut auch genervt und ich nehme an, dass das nicht an der ausleibenden Kundschaft liegt.

Es ist acht Uhr morgens und auf der Fuhlsbüttler Straße ist es lauter, als in so manchen Clubs auf der Reeperbahn nachts. Puuuh.

Lieber Betreiber von "XYZ" (Name wird eingefügt, wenn ich ihn herausgefunden habe...also vermutlich in etwa 12 Stunden), Glückwunsch zum neuen Ladenlokal im aufstrebenden Barmbek-Nord. Euer Standort ist prima, Supermärkte und Discounter, das ein oder andere nette bis sehr gute Restaurant ums Eck und die Bushaltestelle der Linien 7 und 172 direkt vor der Nase (nicht zu vergessen, das Fachgeschäft für erotische hübsche Unterwäsche, abwaschbare Lektüre mit "Happy-End-Garantie" und angeblich natur-echte Weichgummi-Fotzen...huch!...direkt nebenan!)...Jackpot sag ich mal! Alles richtig gemacht!

Die neuen Nachbarn/die potenzielle neue Kundschaft an einem Montag ab vor acht Uhr morgens mit Schlagermucke der allerschlechtesten Art und Weise in Love-Parade-Lautstärke aus dem Bett knüppeln? Ich finde das zumindest fragwürdig. Seeehr fragwürdig...

Und wenn ich Euer direkter Nachbar wäre, dann würd ich Euch kommende Nacht einen dicken dampfenden Haufen vor die Eingangstür setzen. Schwör! "Das ist Waaahnsinn...". Mir egal.

Ich tu jetzt was gegen den elenden Ohrwurm, ich kann sowas nicht leiden.

Ich hör jetzt Brüll-Musik, die passt auch besser zur Uhrzeit...

Dienstag, 17. September 2013

Von dunkel zu hell...

Mein momentanes Lieblingslied endet mit den Worten "I`m sorry...but we have lost the way....I`m sorry!"

Genau diese Worte kamen mir heute Morgen in den Sinn, ich weiß nicht genau, warum, als ich Richtung Heimat, Richtung meiner Wohnung lief.

Mir war mal wieder die Decke in meiner kleinen Bude auf den Kopf gefallen und mitten in der Nacht, 98% der Nachbarschaft schlief tief und fest, nur wenige Fenster waren noch erleuchtet oder von flimmernden Fernsehgeräten stroboskop-artig erhellt, mitten in der Nacht also, da musste ich ganz einfach raus.

Es dürfte irgendwas um vier Uhr morgens gewesen sein, die Wiederholungen der Serien, die ich im Abendprogramm bewusst nicht schaue, damit ich ab 0 Uhr Unterhaltung habe, waren grad zu Ende. Die CSI`ler in New York hatten den Bösewicht, der auch wie einer aussah, gestellt und überführt, anhand einer Kormoranfeder kamen sie ihm auf die Schliche.

Um vier Uhr nachts, wenn normale Menschen schlafen, ist natürlich auch das TV-Programm dementsprechend. Ab und zu hat man Glück, und auf DMAX, dem angeblichen "Männersender", läuft irgendwas, das nicht mit Panzern, Motorrädern oder tiefergelegten Karren zu tun hat. Ab und zu. Nicht oft.

Letzte Nacht war keine derer, in denen ich irgendwo im TV zumindest okaye Hintergrundbeschallung für was-auch-immer fand.

Also raus aus der Bude. Und los laufen. Wären die Bahnen bereits gefahren, dann hätte es mich wohl in den Hafen oder die Schanze verschlagen, zu Fuß war das dann doch ein wenig zu weit.

Ich bin dann einfach durch mein Viertel gelaufen, planlos, aber gut eingepackt, denn es war kalt. Hochgeschlagener Kragen und Kapuze waren schon ziemlich angenehm und hilfreich.

Am Barmbeker Bahnhof, wo die U-und-S-Bahnen sich treffen, habe ich auf dem Bahnsteig der S1 ein Paar gesehen, sie hielt einen großen Reisekoffer an der linken Hand und mit der rechten umfasste sie während des Kusses den Nacken ihres Freundes. Sie stiegen beide in die S-Bahn zum Flughafen. Wo mag sie jetzt sein? Schon gelandet oder immer noch in der Luft? Und wo ist er? Wandsbek? Eppendorf? Harburg? Als Haufen Elend irgenwo im Airport kauernd?

Ich steige in die nächste S1 und fahre bis zur Haltestelle Rübenkamp. Das dort ansässige "Schach-Cafe" hat lange geschlossen...ach ja, Wochentag.

Zum Glück fährt schon der 172er-Bus und dem Fahrer ist es vollkommen egal, ob meine Fahrkarte grad gilt oder nicht (sie gilt nicht), er tut nicht mal so, als würde er sie eines Blickes würdigen, es ist ihm vollkommen schnurzpiepegal...

An der "Hermann-Kaufmann-Straße" steige ich aus, es wird langsam hell und ich will dann jetzt doch heim. Ich habe Hunger und zuhause warten gutes Roggenbrot und leckere Pfeffersalami auf mich.

Von der Haltestelle aus muss ich durch eine Grünanlage laufen. Dort stehen ein paar Holzbänke, die waren schon immer ein Treff für die Alkis meines Viertels. Seit Jahren haben sie dort gesessen. Nun wurden die Holzbänke erneuert, meine Wette, innerhalb von drei Tagen wäre da das erste fiese Tag drauf, habe ich verloren...irritierend.

Mit einer am Bahnhofskiosk gekauften Dose Fanta nähere ich mich an, auf der Bank hockt zusammengesunken ein junger Typ. 25, höchstens.

Neben ihm auf der Bank zwei zerdrückte Bierdosen, eine weitere hält er mit der rechten Hand umklammert. Während er schläft.

Ich habe sicher zwei Minuten vor ihm gestanden und ihn angeschaut. Und dabei überlegt, wie oder ob ich helfen kann. Hab dann die schmutzige Decke, die bis dahin nur seine Beine bedeckte, auch über den Oberkörper gelegt, die Decke war groß genug. Aufgewacht ist er nicht, reagiert hat er mit Grummeln. Grummeln im Schlaf.

Dann bin ich nach Hause gegangen. Mit einem faden Gefühl im Magen.

"I`m sorry...but we have lost the way..."

Wo mag wohl der Mensch auf der Parkbank seinen Weg verloren haben? Wo ist er falsch abgebogen?

Ich werd es nicht erfahren. Ich hoffe, er kommt wieder auf die Beine. Und ich wünsche mir, das ich ihn nicht bald wieder ohne Dach überm Kopf antreffe. Das fänd ich ziemlich grandios!

"I`m sorry...but we have lost the way. ... ... ... I`m sorry!"

"Boysetsfire - Prey"

Freitag, 13. September 2013

Zweideutigkeiten beim Bäcker



Neulich beim Brötchen-Dealer um die Ecke:

"Hallo, für mich einen Liebesknochen bitte!" ordert die Kundin vor mir und die Verkäuferin erwidert mit leuchtenden Augen "Gute Wahl, das Spritzgebäck ist wirklich das beste!"

Ich konnte ein Lachen kaum unterdrücken, aber irgendwie war ich da der einzige. Und meine Bestellung von zwei Roggenbrötchen kam mir dann ziemlich langweilig vor...

Dienstag, 10. September 2013

Wenn einer eine (Bahn-)Reise tut; Bahnhof Leer

Die knüppelvolle Regionalbahn Richtung Norddeich-Mole rattert durch das dörfliche Niedersachsen, Metropolen wie Westerstede-Ocholt und Augustfehn werden passiert und nichts passiert, die Bahn steht nur kurz an den kleinen Bahnhöfen und links neben dem Bahnhofsgebäude legt eine Kuh einen dampfenden Fladen auf die Wiese, während sie wiederkäuend Richtung Bahn äugt.

Erste Heimatgefühle kriechen in mir hoch und ich muss mich kurz schütteln.

"Nächste Haltestelle: Leer Hauptbahnhof. Wir verabschieden alle nun aussteigenden Gäste und wünschen einen angenehmen Aufenthalt!" verkündet der freundliche Zugbegleiter per Durchsage, in Wirklichkeit wird er vor Schadenfreude feixend in seinem Kabuff sitzen und jedem einzelnen, der gleich in Leer die Bahn verlässt, in Gedanken und grinsend eine Tüte Mitleid hinterher senden, sich dabei die Hände reibend, weil er mit seinem Zug fix wieder weg ist aus Leer. Weiter Richtung Küste.

Allein schon, dem Durchreisenden einen angenehmen Aufenthalt zu wünschen...in Leer...das KANN nicht ernstgemeint sein! Das ist böse und gemein, man drückt dem hier Aus-/Umsteigenden quasi die Gräßlichkeit des Ortes, an dem er die nächste Zeit verbringen wird, noch ins Gesicht. Unverhohlen und grinsend. "Angenehmen Aufenthalt in Leer!" ist wie "Viel Spaß bei der Wurzelbehandlung!" oder "Dein Hund wird eingeschläfert? Ach, wird sicher gut!"

Ich bin der festen Überzeugung: Leer, besonders der Hauptbahnhof Leer, ist der schlimmste Ort der Welt!

"Aurich ist schaurig. Aber Leer noch viel mehr!"

Ein Satz, den wohl jeder Norddeutsche schon zumindest einmal in seinem Leben gehört hat, ob jetzt als ironischen Witz, als sturzbesoffen herausgerülpste Halbwahrheit oder als mit mahnemdem Finger vorgetragene Lebensweisheit als kleiner Junge von seinem Opa. Wie bei mir. Wobei er das vermutlich auch nicht todernst meinte, aber es ist hängen geblieben.

Die Regionalbahn spült ihren Inhalt auf den Bahnsteig Nummer vier, das heißt, die paarhundert Menschen müssen jetzt erstmal eine enge Treppe hinunter, das Gepäcklaufband rechts neben der Treppe läuft schneller als der Fußgängerstau hinab kommt und diverse ältere Menschen werden fast von ihrem Gepäck mitgerissen, ein gebrechlicher Herr, optisch so 80, verhindert einen Sturz nur, weil er meine Hand beim Taumeln zu Fassen bekommt und ich ihn instinktiv festhalten kann. Gesehen hatte ich ihn im Gedränge vorher gar nicht. Sein Koffer ballert das Laufband herunter und er schaut sichtlich geschockt. Aber ihm geht es gut, versichert er mir und er kann auch schon wieder scherzen, wie Tarzan an der Liane habe er sich schließlich festgehalten an mir. Ich nicke. Er lacht. Ich auch. Aber eher erleichtert. Nix passiert.

Unten angekommen kommt das "Highlight". Eine uralte Unterführung für Fußgänger, maximal vier Meter breit und drei Meter hoch, stickig, eng, eklig...Love Parade 2010 anyone? Ich weiß nicht, wer sich so einen Scheiß für einen Bahnhof ausgedacht hat, aber man sollte ihn öffentlich teeren und federn! Am Ende des Tunnels wartet erneut eine enge Treppe mit einen seitlich mitlaufenden Gepäckband. Beware.

Nach dem ganzen Stress wünscht Mensch sich ein paar ruhige Minuten. Hinsetzen, was trinken, was essen, eine rauchen. Ich erinnerte mich an meinen in Bremen erworbenen Burger!

Kackbrötchen, Chemiekäse, "Fleisch"patties...YEAH!!

Also suchte ich mir einen geeigneten Sitzplatz.

(Ich fahre seit über zehn Jahren regelmäßig über diesen Bahnhof, die Aussichtslosigkeit meiner Suche war mir bewusst. Die Hoffnung stirbt zuletzt...)

Zuerst draußen auf dem Bahnhofsvorplatz. Da steht ein Brunnen und man kann auf Treppen sitzen.

Auf den Treppen sitzen die ortsansässigen Jugendlichen, trinken PET-Bier, ansonsten haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, vorbeilaufende Frauen unterirdischst "anzumachen" und nebenbei den Vorplatz in einen Spuckesee zu verwandeln.

Abgeschreckt taumelte ich, meinen irritierenderweise noch leicht warmen Burger in der Hand haltend, rückwärts, zurück in den Innenraum des Bahnhofsgebäudes. Dort gibt es vier Sitzplätze, naturgemäß sind die bei der Anzahl der Durchreisenden IMMER besetzt...wenn man Glück hat, dann hat sich ein Wohnungsloser dort breit gemacht und pennt...wacht aber auf, während man noch auf seine Bahn wartet, packt sein Hab und Gut und geht. Dann kann man sich problemlos auf die freigewordenen, aber fies ungemütlichen, da aus Metallgeflecht gemachten Plätze setzen, die zumindest aber nicht vor Rotze triefen.

Denn Obdachlose rotzen keine Pfützen auf Fußböden, sowas tun nur Asis.

Im Bahnhofsgebäude gibt es außer einer Unmenge Unmenschen auch noch einen Bäcker/Cafe. Soll gut sein. Hat aber nie auf, wenn ich in Leer am Bahnhof mein Leid friste, was bei jedem Aufenthalt und unabhängig von Tageszeiten oder Reiserichtungen immer mindesten 45 Minuten sind. Gegenüber des Bäcker-Cafes gibt es eine Buchhandlung, die immer geöffnet zu haben scheint, selbst an Feiertagen kann man ein paar Minuten dort totschlagen.

Auf dem Bahnsteig von Gleis eins, von dem auch bald mein Zug ins deprimierende Emsland abfährt...ich freu mich inzwischen darauf, alles ist besser als DAS hier, sitzen und stehen einige obskure Gestalten.

Verwachsene, für ihre aufgeqollenen Körper viel zu junge, in Camouflage und pink "gekleidete" "jugendliche" Mädels Tussen, schwerlich als solche zu erkennen, keine von denen wird älter als 18 gewesen sein...wenn man nicht genau hinschaute, was empfehlenswert war, dann konnte man jede von denen mit einem Panzernashorn, gewandet in Camouflage oder pink, verwechseln. Die Handies dudelten nicht synchronisiert "Stress ohne Grund" vom absolut obergeilen Macker Bushido in die Gegend...und ich glaub, selbst dem wäre das peinlich gewesen. Schwör!

Ich verzog mich mit meinem (inzwischen natürlich komplett erkalteten) Burger wieder zum Vorplatz, hockte mich auf den Rand des Brunnens, der zu einem Drittel mit Müll befüllt war, Zigarettenschachteln und -filter, alte Zeitungen, Verpackungen des unsäglich schlechten Dönerdealers neben dem Bahnhof, den ich eigentlich verschweigen wollte, Bierdosen und - natürlich, mir war ja noch nicht schlecht genug - ein paar Kondome.

Wie zu erwarten war, schmeckte der Burger schlimm, heiß wäre er wohl marginal besser gewesen...ich fand vier Scheiben Jalapenos, die waren gut...der Rest? Kurz habe ich überlegt, meinen angefressenen Burger-Rest dem blondierten Jüngling mit Augenbrauenpiercing frontal ins Gesicht zu rammen, der zwei Meter neben mir seine Gesichtsgrätsche befummelte ...knutschen...rotzen...knutschen...rotzen... bitte BITTE pflanzt euch NIE fort!! Ein frommer Wunsch, haben sie vermutlich eh schon... Ich hab dann lieber Tauben mit dem Burger gefüttert. Solang, bis die beiden "Hübschen" flüchteten. Nicht ohne die Federviecher vorher mit Geschlechtsverkehr zu bedrohen. "Eyh, hau ab oder isch fick disch!" Ich wär um mein Leben gerannt...

Ein Blick auf die Uhr: Es ist bald überstanden. In zehn Minuten kommt meine Bahn. Ich war selten froher, ins Nichts zu fahren!

Auf Gleis eins warte ich mit vielen anderen. Eine Gruppe Endsechziger, quietschvergnügt und bierselig. Vier Jugendliche, ausgestattet mit Spirituosen noch und nöcher. "Wir fahn na Osnabrügg...sum feian! Beim Gumbel!" erklärt mir ein Schwankender und seine ganz niedliche Begleitung rollt mit den Augen. "Der ist jetzt schon dicht, in Osna packen wir den direkt ins Bett! Wenn du n Bier willst, setz dich zu uns!" Ein Angebot, das ich sehr gern annehme. Es gibt einiges weg zu trinken nach diesen knapp 50 Minuten in...

...Leer.

Leer in Ostfriesland.

Zumindest der Bahnhof ist einer der schlimmsten Orte der Welt! Ganz ehrlich!

Freitag, 6. September 2013

Wenn einer eine (Bahn-)Reise tut...

Mutter hatte Geburtstag, noch dazu einen runden. Das bedeutet für mich guten Sohn natürlich: Abflug gen West-Niedersachsen.

Und Abflug bedeutet: Entweder Niedersachsen-Ticket kaufen oder Mitfahrgelegenheiten nutzen. Leider fand sich niemand, der zum passenden Zeitpunkt ins niedersächsische Nichts reisen wollte, so kann ich leider auch keine aktuellen Mitfahrgelegenheitsgeschichten zum Besten geben. (Vor allem sollte ich mal die lang nicht mehr aktuellen in Worte fassen...).

Dooferweise hatte mir auch noch die gute Frau "Sunflower22a" den Titel, den ich für diesen Text geplant hatte, "geklaut"...neeh, sie war einfach schneller.

Die Deutsche Bahn war dann also das Transportmittel meiner..."Wahl", denn zu Fuß laufen wollte ich nicht, eigenes Auto, motorisiertes oder per Muskelkraft betriebenes Rad besitze ich nicht, an meinen Fähigkeiten, Harry-Potter-gleich auf einem Besen zu reiten, feile ich noch und getrampt bin ich irgendwie noch nie so wirklich gern.

An einem Freitag um 13.15 Uhr sollte es von Gleis 13a/b ab dem Hamburger HBF losgehen. Da ich noch ein Ticket lösen und Reiselektüre kaufen wollte (musikalische Unterhaltung oder gar Internetz waren für die Reise ausgefallen, da mein Handy Tage vorher spontan den Dienst quittiert hatte), ich hatte zwar ein Taschenbuch eingepackt, aber ich kenn ja die Horrortrips runter in die Heimat, es ist besser, wenn man da vorbereitet ist, ich machte mich also frühzeitig auf den Weg.

Ich stieg eine satte Stunde vor planmäßiger Abfahrt in Barmbek in die S1, die im Normalfall zum HBF keine zwanzig Minuten braucht. Sie stoppte auf der Strecke drei Mal und kam mit acht Minuten Verspätung am Ziel an, was der Chauffeur auch vergnügt ins Mikro flötete. "Paar Minuten zu spät, aber jetzt sind wir am Hauptbahnhof angekommen! Allen jetzt Aussteigenden noch einen angenehmen Tag!" Geschäftsleute mit Aktenkoffern hätten den S-Bahn-Fahrer vermutlich erwürgt, hätten sie nicht zu ihren wartenden ICEs sprinten müssen - auf mich warten Züge übrigens nie. Nichtmal Regionalbahnen.

Weise wie ich bin, war ich ja frühzeitig losgefahren und hatte noch Zeit, mir Lesestoff und ein belegtes Baguette mit Salami und eingelegten Gurken zu einem Schnäppchenpreis auf dem Südsteg zu organisieren. Das Baguette mieft zwar bösest, ist aber fester Bestandteil jeder meiner Bahnreisen, da lecker und günstig. Die hasserfüllten Blicke Mitreisender prallen inzwischen an mir ab wie ein Flummi oder Pistolenkugeln bei "Under the dome".

Kurz nachdem der Zug aus aus dem HBF gerollt war, ich bestaunte das Hafenpanorama unter blitzeblauem Himmel und dann die Grafittis, die kilometerweit bis nach Harburg flächendeckend die Lärmschutzwände verschönern, setzte sich ein Herr um die 70 zu mir in mein Viererabteil, er hatte vorher freundlich gefragt, ob das ok sei...was für eine Frage! Wir smalltalkten über das Wetter und unsere Reiseziele ("Ach, Emsland? Nein, entschuldigen Sie, das kenne ich nicht...aaah. Ach, SV Meppen, jaaa, kenne ich!!" Soll mir noch mal wer erzählen, Fußball bringe die Menschen nicht zusammen.) Leider stieg er 25 Minuten später in Buchholz auch direkt wieder aus.

Hab mich dann kurz in der näheren Umgebung umgeschaut, hab aber niemanden entdeckt, wegen dem ich das stinkende Terror-Baguette nicht hätte auspacken sollen. Keine Alten, keine Kranken, keine Kids in der Nähe. Es war lecker wie immer. Drei Flüchtlinge, ein paar "böse" Blicke. Positiver Verlauf.

Endlich am Bremer HBF, den ich sehr mag, angekommen, habe ich 30 Minuten Umsteigezeit, da ich den Bhf aber in-und-auswendig kenne, hab ich mich erstmal rechts neben dem Bahnhofs-Vorplatz auf die Grünfläche vor dem Übersee-Museum gefläzt und fünfzehn Minuten abgeschaltet.

Dann zum "Burger King", blöderweise hatte ich mich in den "Double Chili Cheeseburger" verguckt, den es grad im Angebot für 1,99€ gab. Ein Watte-Brötchen mit zwei Lagen Rindfleischersatz plus doppelt Chemiekäse und Jalapeno-Scheiben. Nun ja... Das Ding wurde eingesackt, essen wollt ich`s in der Bahn, nicht im Gedränge auf dem Bahnsteig.

Jetzt hatte ich aber folgendes nicht bedacht: Freitag Nachmittag. Feierabendverkehr für Pendler aus Hannover und Bremen zurück Richtung alle anderen Städte im nördlichen Niedersachsen, zur Nordsee und so.

Am Bahnsteig am Gleis drei Richtung Oldenburg, Leer und mit Umstieg straight gen Küste, stapelten sich die, die in den Zug wollten.

Im Zug selbst sah es nicht anders aus, ich wurde mit der ersten Welle in die doppelstöckige Bahn "reingespült", selbst wenn ich das nicht gewollt hätte - keine Chance.

Ich landete in einem Wagen, der zum Transport für Fahrräder gedacht war und fand einen Platz, an dem ich mich irgendwo fest halten konnte und an dem gleichzeitig ein wenig Freiraum um mich rum war. Ich hätte mich am Sack kratzen können, wäre das nötig gewesen. Andere hatten die Option nicht.

Irgendwann endet der Zufluss von Menschheit und die Tür unseres Waggons ist schon fast geschlossen...ein im bebatikten Jutesack gekleideter Arm drängt herein, danach eine schwitzende Hippietrulla, die ihre besten Jahre lange hinter sich hat.

"Hallo! Ich bin Ute! Draußen stehen meine sechs Kinder samt ihren Rädern. Dies hier ist ein Wagen, der für Fahrradtransporte gedacht ist, nicht für normale Reisende. Suchen sie sich doch bitte einen anderen Platz!"

Fassungslose Gesichter derer, die ihr Gepäck in diesem Waggon mangels Platz auf den Schultern tragen und mit dem Nacken und Hinterkopf abstützten, damit es ihnen nicht ins Kreuz fällt.

"Ich habe Kinder! Sechs Stück! Dies ist ein Fahrrad-Waggon! Mein Name ist Ute! Wechseln sie bitte den Wagen!"

Ich muss bei ihren Ansagen grinsen und zwinkere dem Mittfünfziger, der neben mir nach Luft ringt, zu. "Der war gut!". Er nickt zustimmend und röchelt dann. Luftzufuhr durch Kopf abnicken kurzzeitig abgeschnitten.

"Ich habe Kinder!" wiederholt Ute, und nicht nur ich frage mich, woher sie die hat. Adoptiert? Entführt? Bei der Kartoffelernte gefunden? "Gehen sie woanders hin, der Zug ist lang, meine Kinder und ich haben die Räder dabei. Wir sind im Recht!"

Irgendwer muss laut lachen.

Woraufhin Ute sich in ihrem selbst bebatikten Hippie-Poncho aufplustert wie ein in Tschernobyl geschlüpfter Pfau auf Pillen.

Das Lachen steckt mich an und ich pruste auch los.

"ICH bin im RECHT!!" krakeelt sie mit sich überschlagender Stimme in den Waggon, in dem die Reisenden noch immer Körper an Körper stehen wie die Sardinen in der Büchse, "Lustig ist das gar nicht, warum wird hier gelacht??" brüllt sie und ihre Augen quellen aus den Höhlen unter ihrer..."Frisur" hervor. Ich würde gerne aufhören mit dem Lachen, dazu muss sie aber aufhören mit dem "Ich bin Mutter, ich darf das"-Getue, das selbst ihren Kindern inzwischen peinlich ist, die aufgereiht wie Orgelpfeifen auf dem Bahnsteig stehen. Der Älteste guckt hilflos durch die Gegend und ein kleines Mädchen weint herzzerreißend, "Mutti" nimmt das nicht wahr, sie ereifert sich weiter und geifert ihren Quatsch in die Gegend.

Der Zug sollte seit zehn Minuten unterwegs sein, da die wildgewordene Hippie-Zombie-Mutter aber weiterhin zwischen den Schiebetüren steht, die Ansagen des Zuführers missachtet und Gift und Galle verspritzt, im TV bei "Grimm" hätte sie sich längst in irgendetwas eklig reptiloides mit Schuppen und Reißzähnen verwandelt, rückt jetzt tatsächlich die Bahn-Polizei an.

Und entfernt Mutti vom Zug. Nachdrücklich. Zwei Beamtinnen kümmern sich derweil um die weinenden Kinder. Der Anblick der Jüngsten, maximal vier und mit einer Schleife im Haar, die nicht weiß, was passiert und warum Mami so schreit, ist herzzerreissend. Aber Mami krakeelt immer noch in Richtung des Zuges, der mich nun langsam aus dem Bremer HBF bringt - ihre weinenden Kinder sind ihr ziemlich egal.

Der Zug rollt von Bremen über Oldenburg...

(meine alte Heimat, er fährt quasi direkt an meiner ehemaligen Wohnung vorbei, das Studentenwohnheim, in dem ich lebte und in dem ich die beste Zeit meines Lebens hatte, liegt direkt neben den Gleisen und oft hab ich, im Bett liegend, das Gebimmel der kleinen Glocken an den Schranken vorm Wohnheimgelände gehört.

Vierzehn Jahre her und ab und zu würd ich gern die Uhr zurück drehen und wieder genau dort in meiner Studi-WG von meiner hysterischen Mitbewohnerin Constanze aus dem Schlaf gerissen werden, weil sie mal wieder einen Spritzer auf der Klobrille entdeckt hat oder keine Kaffeefilter mehr da sind. "THORGEEEEEEEE, es ist WICHTIIIIIIIICH!!!" Herrlicher Gedanke!)...

...und als er durch Oldenburg durchgerollert ist und das Kopfkino nachlässt, widme ich mich meinem Lesekram. Und bereite mich vor, auf das, was kommt.

Fast eine Stunde Aufenthalt am HBF Leer...

...(to be continued.)