Sonntag, 27. April 2014

Ein Gastbeitrag von "bb-dd": Illustre Illustrierte und das Drumherum

Bevor ich bloggte, schrieb ich wie beispielsweise der Kiezneurotiker oder Tikerscherk (die aus gewissen Gründen ihren Blog grad geschlossen hat...ich habe aber Hoffnung, dass sich das bald wieder ändert!) auf einem inzwischen geschlossenen Bewertungsportal.

Ich habe mir dann überlegt, dass ich auf meinem Blog keine Restaurant-Bewertungen oder ähnliches machen möchte, hier möchte ich lieber persönlichere Texte, Alltagsgeschichten und dergleichen posten.

Dennoch wollte ich auch weiter bewerten und fand dafür das Bewertungsportal GoLocal.

Dort schreibe ich also hin und wieder mal wenig weltbewegendes Zeug, habe aber schon ein paar prima Menschen kennengelernt oder wieder entdeckt.

Unter anderem die mir schon zu Qype-Zeiten sehr sympathische "bb-dd" - ja, ich frage mich auch, was das Kürzel bedeutet. Ich habe eine (vermutlich nicht ganz falsche) Theorie, das war`s aber auch schon.

Auf jeden Fall hat sie bei GoLocal einen Text rausgehauen, den ich sehr abgefeiert habe. Inklusive Lachtränen und Schnappatmung.

Es geht um Zeitschriften. Auf Frauenthemen spezialisierte Zeitschriften, die in Wartezimmern von Arztpraxen oder bei Friseuren ausliegen und die sehr wahrscheinlich niemand lesen würde, lägen sie nicht grad eben da auf dem Präsentierteller.

"bb-dd" hat sich dem Thema mal angenommen. Und ich darf das Ergebnis hier veröffentlichen, was mich sehr freut:


Illustrierte (besonders die berühmten „Frauenpostillen“)sind wie Mc Donald’s und Dschungelcamp. Liest keiner, geht keiner hin, guckt keiner - dennoch existieren sie! Und vermutlich gar nicht mal so schlecht.

Böse Zungen behaupten, diese Gazetten seien nur erfunden worden, um den armen Friseurinnen zwischendurch eine wohlverdiente Pause von zuweilen nervigem Kundinnengequatsche zu ermöglichen. Ansonsten seien sie völlig überflüssig.

Falsch, liebe Kritiker! Die bilden! Echt jetzt!

Man stelle sich vor: Als Kandidat bei „Wer wird Millionär“ und an der Frage scheitern, von wem Heidi sich gerade getrennt hat. Die 50-Euro-Frage! Puppig leicht! Jeder weiß es! Nur DU nicht!

Da hilft doch nur noch die Papiertüte über dem Kopf beim nächsten Gang zum Bäcker. Ach, was sag ich: Zeugenschutzprogramm!

Oder bei der Diskussion in der firmeneigenen Teeküche nicht mitreden zu können, wenn erörtert wird, welche Robe das Model X neulich auf dem roten Teppich getragen hat-und welcher Schönheitschirurg für die Schlauchbootlippen von „Model und Schauspielerin“ Y verantwortlich zeichnet. Pein-lich!

Ich könnte jetzt natürlich behaupten, daß ich über all diesen Schwachsinn erhaben bin und beim Friseur meinen eigenen Lesestoff mitbringe. Das Handelsblatt, einen (ledergebundenen) Tolstoi oder zumindest ein Reclam-Heftchen im handtaschenfreundlichen Format. Im Internet kann man ruhig angeben; kennt mich ja kaum einer hier. Aber es wäre natürlich gelogen.

Friseur heißt Wellness! Und dazu gehört für mich auch, unter dem kuschelig warmen Climazon meinen Espresso zu süffeln, nicht ständig vom Telefon gestört zu werden und anspruchsloses Zeug zu lesen. Eben das, was der Friseur beim Lesezirkel im Abo hat. Gottlob sind nie Fachzeitschriften dabei, so daß ich kein schlechtes Gewissen haben muß, wenn ich doch zur „Trivialliteratur“ greife.

Die AMS kreist in der Regel im Herrensalon, da komm ich nicht dran. Bleibt die Wahl zwischen den verschiedenen Frauenzeitschriften. Und die Wahl der Qual.

Die Verlagserzeugnisse für die betagtere Damenwelt? Hier ist viel vom Adel die Rede, auch von Volksmusik. Themen, bei denen ich wirklich nicht mitreden kann. Aber durchaus amüsant, zwischen den Zeilen mit viel (unfreiwilligem) Witz geschrieben. Jesses! „Kronprinzessin Schneewittchens süßes Geheimnis!“ Nein, ich fass es nicht! „Versteckt sich da etwa ein Babybäuchlein? Eine enge Vertraute der Prinzessin lüftet nun das Geheimnis: Es wäre unter Umständen vielleicht möglich!“ Und eine Woche später erfahren wir vermutlich, daß das „süße Geheimnis“ wohl doch nur ein Stück Kuchen zuviel war -keine Ahnung, so oft geh ich nicht zum Friseur.

Frau Renates (wahlweise Monikas oder Klaras) Beratungsforum amüsiert mich immer besonders. „Mein Enkel hat „Scheiße“ gesagt-ich bin bestürzt über die Erziehung meiner Tochter“ oder „Er schlägt mich grün und blau-aber soll ich ihn wirklich verlassen?“ Da bastele ich mir immer gern im Geiste die Antworten zusammen, die ich auf so was verfassen würde-aber die würden natürlich nie in Druck gehen.

Das „Forum Gesundheit“ überblättere ich geflissentlich. „Woran erkennt man Gallensteine?“ Oder: „Die Warnzeichen für..“Alle jene Symptome stelle ich dann sofort fest und bin versucht, mit noch nassen Haaren direkt beim nächsten Doc einzuchecken.

Dann gibt’s noch die „Hochglanzzeitschriften“ mit ganz viel Werbung und vielen bunten Bildchen, die mir unbekannte Frauen in Gala-Plünnen zeigen. Zu lesen gibt’s da quasi nix, so daß ich diese Postillen in etwa 1 Minute durch hab und nach dem nächsten „Fachgebiet“ greife.

Eine Zumutung und scheinbar der neueste Schrei in der Welt des Printmediums: Die Zeitschrift für die „junggebliebene Frau“! Oha!

Verdolmetscht also: „Du bist über 40, also schmeiß noch mal ordentlich mit Konfetti, bevor dir der Sargdeckel ins Gesicht fällt! Falten sind toll; zelebriere sie, die Kerle gucken eh nicht mehr! Die Wechseljahre-kein Grund, den Strick am Fensterkreuz zu befestigen; sieh das Positive: Haarausfall, Hitzewellen, Depressionen und übelste Gewichtszunahme zeigen dir, daß du einen neuen Lebensabschnitt erreicht hast (also den letzten!)“

Nö, muß ich nicht haben. Mit diesen Themen befasse ich mich lieber, wenn’s so weit ist.

Bleiben die „gedruckten Freundinnen“ für das jüngere Damenvolk, die ganz große Zielgruppe für verkappte und offene Werbung. Werbung für jeden erdenklichen Mist! Und natürlich die Anleitungen für den einzig wahren (Life-)Style.

Da muß es in die Vollen gehen. Denn die Zielgruppe (Mittzwanziger/Anfangsdreißiger) kämpft bekanntlich an vielen Fronten. Optimalerweise perfekt geschminkt und gekleidet.

Diese Zeitschriften mag ich besonders. Was da abgeliefert wird, ist Realsatire vom Allerfeinsten. Wer das wirklich ernst nimmt, ist Burnout-gefährdet, ohne auch nur 5 Minuten gearbeitet zu haben.

Gertenschlank müssen wir sein! Größe 34 wär gut; Size Zero besser. Schließlich können wir über gefühlte 100 Seiten mehr oder weniger traumhafte Outfits an 15-jährigen Models anschauen und die zumeist elend teuren Plünnen dank der Bezugsadressen am Ende des Heftes käuflich erwerben. In Größe 42 kommen die alle nicht gut.

Moderne Frauen kochen göttlich, gern und mit leichter Hand; es ist mit den tollen Rezepten im Heft auch kein Problem, „nach dem Büro“ (von dem hier immer gern die Rede ist) ein 18-gängiges Menü für die vielen Freunde, Mann und Kinder zu fabrizieren. Selbst davon essen sollten wir natürlich nichts, sonst ist’s bald vorbei mit Size Zero.

Haben wir doch mal zugeschlagen, werden wir aber nicht im Stich gelassen: Diättipps gibt’s jede Woche neu. Die Zucchiniplempe kann man sich ganz zeitsparend anrühren, während „nach dem Büro“ die 4-stöckige Kuppeltorte für die vielen Freunde, Mann und Kinder auskühlt.

Trendy müssen wir sein! Und zwar jede Woche auf’s Neue! Denn die Trendscouts, die extra für uns die Clubs des Big Apple und andere mega-angesagte Örtlichkeiten durchforsten, geben sich wirklich Mühe. Peeptoes in Pink-Glitter, mit 16-cm-Plexiglasabsatz (ab 799 €)! Gummistiefel mit schrillem Schmetterlingsprint, toll zum Kostüm für die After-Work-Party! Die Goldlamee-Bikerjacke und der „mädchenhafte“ Blumenrock im A-Schnitt passen jetzt in LA am besten zur Netzstrumpfhose und „süßen Ballerinas“ im Audrey-Style!

Und nächste Woche dürfen wir Klamotten im Wert von zigtausend Euro in die Altkleidertonne schmeißen, denn dann sind die „angesagten Looks“ megaout. Und das wollen wir doch nicht..

Einen Top-Job müssen wir haben! Die Klientel der einschlägigen Gazetten schuftet niemals in der Werkstatt, niemals am Kranken-oder Pflegebett, niemals an der Wursttheke. Alles zu anstrengend und zeitraubend. Glamouröser ist „das Büro“ oder vielleicht noch „die Agentur“. Macht Sinn. Denn schließlich muß ja auch die nicht unerhebliche Kohle rangescheffelt werden, die man für den perfekten Style hinblättern muß.

Toll geschminkt müssen wir sein! Und das in jeder Lebenslage. Nach einem morgendlichen Wohlfühlbad mit Teelichten auf dem Badewannenrand und Räucherstäbchen, Peeling, Rasur und Eincremen beginnen wir mit der „Foundation“. Himmel, was ist das jetzt schon wieder? Der letztens „gelesene“ Artikel hat mich nicht wirklich darüber aufgeklärt; Eingeweihte wissen so was. Jedenfalls wurde eine Doppelseite mit den „Foundations, die wir jetzt dringend brauchen“ vorgestellt. Fast alles Nobelmarken,fast alles unermeßlich teuer. Daneben muß natürlich Make Up, Rouge, Concealer, Puder und dergleichen die letzte Pore verstopfen, bevor wir uns mit Kajal, Eyeliner, Eyeshadow, Antiglanzcreme und Wimperntusche zur Nofretete tunen-oder den „Nude Look“ anlegen, weil es eine besondere Herausforderung ist, sich stundenlang so zu schminken, daß jeder denkt, man wäre ungeschminkt. Weiter geht’s mit dem Lippenkonturenstift, dem Lippenstift, dem Gloss. Kaffeetrinken oder Essen im Büro ist damit natürlich gestorben. Leute wie ich müßten sich dann das lebensnotwendige Koffein eben mittels Infusion zuführen, und Essen macht eh dick (Size Zero!). Was tut man nicht alles!

Aber fertig sind wir noch lange nicht. Nach dem sorgfältigen Ankleiden mit den neuen oberheißen Klamotten müssen wir uns noch unseren Haaren widmen. Auch dafür gibt’s tolle Frisurentipps, die sich „ganz schnell und kinderleicht“ von einem Friseurmeister umsetzen lassen. Verspielter Haarknoten, eine Strähne für Strähne geglättete Mähne oder romantische Korkenzieherlocken?

Spätestens an dieser Stelle lasse ich das Blättchen sinken und verschlucke mich vor Lachen am Espresso.

Wer schafft das? Um so ein Programm „vor dem Büro“ abzuspulen, müßte ich den Wecker auf 2 Uhr nachts stellen, damit ich gegen 9 am Schreibtisch andocken könnte. Hat die Nacht der modernen Frau von heute mehr Stunden als meine?

A propos: Schlafen dürfen wir sowieso nicht! Ist wirklich mega-uncool. Nach der Schicht zur Couch schleppen? Niemals! Wir schleppen unsere 10 Kosmetikkoffer (einer dürfte bereits für die Foundations draufgehen) und unsere Coiffeurausrüstung mit ins Büro, um uns nach einem stundenlangen Sitzungsmarathon ein paar kühlende Kompressen unter die Augen zu schmeißen und auf After-Work-Party zu stylen. Die Stilettos trägt Frau von Welt ohnehin in jeder Lebenslage am Fuß oder im Staubbeutel bei sich.

Für die AWP das Muß, damit die Männer reihenweise umfallen: Zum tiefroten Lippenstift (Ihr Styleberater rät: Dramatischer Kußmund nie im Büro, erst später!) die nicht minder dramatischen Smokey Eyes. Hand auf’s Herz: Kriegt jemand von Euch die ohne Visagist hin?

Gegen 21 Uhr (denn wer Karriere machen will, muß Überstunden schrubben) schlagen wir dann in einer gerade in Insidermagazinen angepriesenen Lounge auf, kippen diverse Prosecci oder Cocktails und flirten, was das Zeug hält. Auch dazu bietet das Frauenmagazin tonnenweise lebensnotwendige Ratschläge.. Der Vollprofi verausgabt sich auf dem Dancefloor und tanzt die Nacht durch-die ohnehin schnell vorbei ist, denn allerspätestens um 3 müssen wir ja schon wieder in der Badewanne liegen, um uns „schön für’s Büro“ zu machen.

Ich fasse zusammen: Gefühlt einen halben Tag stylen, einen halben Tag shoppen, einen halben Tag tolle Menüs zaubern und die Bude saisonal dekorieren, stundenlang mit Freundinnen zum Chai Latte treffen, einen halben Tag unseren Mann bepuscheln und uns für seine Hobbies interessieren, einen halben Tag die Kinderschar bespaßen, anderthalbtage einen Managerposten ausfüllen wie ein Kerl oder besser, die Nacht mit Tanzen, Saufen und Flirten verbringen-alles in 24 Stunden. Hab ich was vergessen?

Von Fensterputzen, Bügeln oder Spülmaschine ausräumen ist natürlich nie die Rede. „Das bißchen Haushalt“ beschränkt sich in der quietschebunten Trendwelt auf Blumenstecken und Serviettenfalten. Haben die alle Personal? Muß wohl.

Wieviel man im Monat verdienen muß, um die Kosmetik nebst den allerneuesten „Düften“, die teuren Klamotten, den Clubeintritt, Sonnenstudio, Maniküre, Pediküre, das Personal und die unzähligen Accessoires zu bezahlen, mag ich nicht mal schätzen. Für Erbinnen oder reiche Ehefrauen mag das zu bewerkstelligen sein, aber wozu geistert dann ständig „das Büro“ „die Kollegin“ „der Chef“ und ähnlich unerfreuliches Vokabular durch die Postillen?

Highlights der letzten Friseurbesuchslektüre: „Das passende Portemonnaie für’s Büro“ (Hä??) und „Wann hatten Sie Ihr letztes Handpeeling?“ (Noch nie).

Und weil das alles so maßlos übertrieben ist, machen mir diese Blättchen auch so viel Spaß. Als Lebenshilfe ist das für mich gnadenlos untauglich. Smokey Eyes stehen mir nicht, meine Haare machen ohnehin, was sie wollen, welches Portemonnaie ich in meiner „Bürohandtasche“ habe, interessiert meinen Chef null. Allerhöchstens, was drin und seiner Ansicht nach stets zu viel ist. In Stilettos tun mir die Füße weh, für die angesagten Overknees bin ich zu klein.. Sollte ich doch ein klitzekleines bißchen deprimiert sein, wenn die Zeitung gelesen ist?

Keine millionisierten Wimpern! Kein diamantisierter Gloss-Shine in den Haaren (zumindest nicht mehr, wenn ich auf dem frisch frisierten Kopf einmal geschlafen wurde)!

Rauhe Pratzen, die niemand schütteln mag, weil ich wieder mal kein Handpeeling gemacht hab! Der Lippenstift auf der Kaffeetasse! Lidstrich verrutscht! Keine Gelnails! Billige Handtasche vom Trödel! Und nach „stundenlangen Sitzungsmarathons“ statt Salätchen und AWP Pizza, Glotze und Couch! Eine Schande ist das..

Und doch! Es könnte schlimmer sein. Mein Traum von der Journalistenkarriere hätte in Erfüllung gehen können. Und anstatt für „Geo“ oder schöne Reisemagazine durch die Welt zu jetten, könnte ich in der Redaktion einer Frauenzeitschrift sitzen, mit Todesverachtung dieses Zeugs schreiben müssen und mich abends (auf der Couch statt auf der AWP) mit dem Gedanken „Hast du dich dafür durch Abi, Studium und Volontariat gequält?“ in den Schlaf weinen;-))




Ein Äquivalent, in dem es dann um die auf Männer ausgelegten Blätter geht, ist bereits in Arbeit. Wurde mir gesagt. Und ich freue mich darauf und darf den Text dann hoffentlich auch wieder hier veröffentlichen - denn "bb-dd" zieht es leider nicht in die Welt der Blogger.

Ich finde das sehr schade.

Freitag, 11. April 2014

"Wenn kommt, kommt!" (3): Damals im Ex-Job: Geld - Mal ist es da, meist ist es weg.

Im dritten Teil der "Wettbüro-Serie" geht es um das liebe Geld.

Darum geht es zwar in vielen Lebenssituationen zu bestimmten prozentualen Anteilen, jemandem, der zum Zocken ein Wettbüro betritt und seine mehr oder weniger sauer verdiente Kohle auf den Tisch legt, dem geht es zu 100 Prozent ums Geld, um den möglichen Gewinn. Wenn nicht gar zu 110 Prozent.

Wie vielleicht bereits in Teil eins und Teil zwei der Serie durchgeklungen ist, war sich meine Kundschaft in vielen Punkten sehr ähnlich.

Viel halbseidenes Volk, dem man nicht unbedingt im Dunkeln auf der Straße begegnen wollte, viele "harte Kerle", die so lange auf dicke Hose machten, bis ihnen ein noch "härterer Kerl" die Grenzen aufzeigte...(es gab tatsächlich eine Art Hierarchie - aber dazu evtl ein anderes Mal mehr)..., locker 50 Prozent werden wohl eine Knastvergangenheit gehabt haben, die Liste könnte ich noch recht lange fortsetzen.

Spielsüchtig waren bis auf einige wenige Ausnahmen, die tatsächlich nur alle paar Tage mal zum Spaß vorbei schauten, alle. Mindestens 95% der Kunden waren Stammkunden, die täglich im Laden waren und das dann nicht nur für ein paar Minuten. Wir hatten da einige, die standen bereits Minuten vor der Laden-Öffnung (11 Uhr vormittags) vor der Tür und warteten, wenn um 11.01 Uhr noch nicht offen war, weil mal wieder der Drucker streikte oder sich sämtliche PCs aufgehängt hatten (passierte beides in schöner Regelmäßigkeit), klopften sie wild an die Scheiben und deuteten hektisch auf ihr Handgelenk. "Seit einer Minute sollte geöffnet sein, macht hinne! Gleich beginnt in der dritten walisischen Liga ein Feldhockey-Spiel und auf das will ich wetten!!".

Nein, ich übertreibe nicht...es gibt so Bekloppte. Viele. Eben diese Gestalten durfte man dann zum Feierabend (meist zwischen 23 und 0 Uhr, ab und zu auch später) teils unter erheblicher Gegenwehr aus dem Shop hinaus "komplimentieren". Den ganzen langen Tag über hatten die nichts anderes getan, als Kreuze auf Wettscheine zu malen und auf Mannschaften und Spiele zu tippen, bei denen sie oft nicht mal wussten, auf welchem Kontinent diese Mannschaften spielten oder diese Spiele statt fanden oder um welche Sportart es sich überhaupt handelte. Die saßen auf ihrem Stuhl, starrten tumb auf die Monitore, gaben alle zehn Minuten einen Wettschein ab, holten sich alle 45 Minuten einen grauenhaft schlechten Automaten-Kaffee und gingen alle drei Stunden pinkeln. Jeden beschissenen Tag aufs Neue.

Was für ein "Leben"...

Ich schweife ab. Zurück zum Wesentlichen.

So ähnlich sich meine täglich wiederkehrende Kundschaft auch war, in einem Punkt gab es gehörige Unterschiede.

Das Geld.

Der eine haute mir ohne mit der Wimper zu zucken mehrere hundert Euro oder auch deutlich mehr auf den Tresen, der andere spielte immer nur für den minimalen Einsatz von zwei Talern.

Zu meinen Stammkunden gehörte ein waschechter Millionär, der aber aussah, als habe er seit Tagen im Gebüsch auf der anderen Straßenseite übernachtet - vermutlich war das auch gar kein so abwegiger Gedanke. Ich habe maximal Zwanzigjährige gesehen, die Geldmengen lose in der Hosentasche hatten, mit denen ich meine Wohnungsmiete über Jahre hinweg problemlos hätte zahlen können. Das waren Beträge, die ich noch NIE auf meinem Konto gehabt habe. Ich erinnere mich an einen Typen, keinen Tag älter als 25, er legte mir zwei Geldbündel auf den Tresen. Ein Bündel Hunderter und ein Bündel Zweihunderter.

"Das sind 10000 Euro, setz die mal auf das und das Spiel!" sagte er. Man hinterfragt sowas dann nicht, man macht es einfach. Natürlich spekuliert man da auf ein entsprechendes Trinkgeld, sollte die Wette treffen.

Blöderweise hatte ich die Scheiße an den Hacken, in den ganzen Jahren wurde nicht eine der Wetten, die ich angenommen habe und deren Einsatz jenseits der 1000 Euro lag, gewonnen. So auch diese für 10000 Taler nicht. Weil die falsche Mannschaft in der allerletzten Spielminute ins Tor traf. Ansonsten hätte der Typ sein Geld mal eben verdreifacht.

Hat er aber nicht.

Man sollte nun annehmen, dass mensch ausrastet, wenn man grad 10000 Euro verloren hat. Verbrannt. Im Klo runtergespült. Die Kohle ist weg. Wegen ein paar Sekunden, die der Schiri zu lange nachspielen ließ.

Ich habe Menschen ausflippen sehen, weil sie durch so eine Situation 100 oder 200 Euro verloren haben, die haben geschrieen, getobt, mit Stühlen geschmissen...der Typ, der grade 10000 Tacken versenkt hatte, rastete aber nicht aus. Er legte mir lächelnd einen Zehner als Trinkgeld auf den Tresen, sagte "Wenn`s heut nicht klappt, dann vielleicht morgen!" und ging.

Mein Chef hat sich natürlich über die Einnahme gefreut, so viel Kohle auf einen Schlag streicht man selbst in der Sportwetten-Branche nicht so häufig ein. Mir war der Kunde ab dem Moment suspekt und das sehr. Jemand, der in dem Alter den Verlust von so viel Geld einfach lässig weg lächelt, kann unmöglich sauber sein. Das schließt sich einfach aus. Und ich (er)kenne doch meine Pappenheimer...

Aber es geht auch anders. Ganz ganz anders.

Eines Tages kam einer meiner afrikanischen Jungs zu mir, einer, der eher selten im Laden war, ein sehr netter Kerl Mitte 50. Er legte mir strahlend seine Kundenkarte (ähnlich wie eine Bank-Karte und man kann mit ihr auch online zocken) auf den Tresen und sagte "Ich möchte bitte 50000 Euro haben."

Ich musste lachen und antwortete "Ja, ich auch!", ich hielt das Ganze für einen Scherz. Bis auf meinem Monitor ein Fenster aufploppte, das mir das Guthaben auf der Karte verriet. Knapp über 80000 Euro.

Da wird einem - zumindest mir - dann schwindelig. So viel Geld...die höchste Geldsumme, die ich mal ausgezahlt habe, ergo bar in der Hand hielt, war 28000 Euro...das sind für mich unvorstellbare Mengen Geld! Ich hatte noch nie auch nur ansatzweise einen fünfstelligen Betrag auf dem Konto...

Unnötig zu erwähnen, das Summen wie 50000 Euro natürlich in bar nicht im Shop vorrätig waren, wir hatten da zwar eine gehörige Rücklage, das war viel Geld, nicht aber SO viel. Nicht mal ansatzweise. So musste ich auf ein saftiges Trinkgeld verzichten und dem Kunden leider mitteilen, dass er noch einen oder zwei Tage auf seinen Reichtum warten müsse, denn der kam dann per Überweisung. Er nahm das entspannt lächelnd auf, es gibt wahrscheinlich Schlimmeres, als einen oder zwei Tage lang warten zu müssen, bis einem über 80000 Euro aufs Konto überwiesen werden.

Zu der Sache gibt es noch eine interessante Randnotiz.

Den Wettschein, der traf und 80000plus einbrachte, wurde gar nicht von dem, der am Ende die Kohle einsackte, ausgefüllt. Der Gewinner stand lediglich in der Warteschlange hinter demjenigen, der den Wettschein ausgefüllt hatte, dieser entschied allerdings, dass er lieber auf andere Spiele tippen wolle. Der hinter ihm wartende zukünftige "Gewinner" fragte dann den eigentlichen "Ausfüller", ob er den Schein spielen dürfe, da er grad noch zwei Euro Münzgeld über habe und das wurde bejaht.

Er durfte. Und hatte ein paar Stunden später aus seinen zwei Euro mehr als 80000 Euro gemacht.

Demjenigen, der den Schein ursprünglich ausgefüllt hatte, hat er 500€ als Dank geschenkt (na herzlichen Glückwunsch!) und jeder Mitarbeiter unserer Filiale hat von ihm 50 Euro Trinkgeld bekommen.

50 Euro Trinkgeld, da schlackern jetzt wohl einigen die Ohren. Ich setze noch einen drauf, mein höchstes Trinkgeld waren 100 Euro. Allerdings hatte ich dem Kunden, den ich gut kannte und mochte, die zehn Euro, mit denen er dann gespielt hatte und aus denen er am Ende knappe 400 Euro gemacht hatte, geliehen. Er "bedankte" sich quasi nur. Ob der Höhe des "Trinkgelds" war ich dann doch ein wenig überrascht...

...

...
Mit großen Geldsummen umzugehen war im Prinzip also Alltag für mich. Am Ende des Tages spät am Abend, wenn man die ganzen Suchtis und die wenigen Normalen aus dem Laden hinauskomplimentiert hatte, kam dann die Kassen-Abrechnung. Und das war immer einer der miesesten Teile des Jobs!

Zu viel? Zu wenig?? Punktlandung???

Ich hatte manchmal zu viel in der Kasse und habe mir dann davon spät nachts noch was Gutes zu essen oder ein Bier zum Feierabend gegönnt, eine Punktlandung, bei der die Kasse nach allen Unwegbarkeiten des Tages bei +/- 0 steht, gab es ganz ganz selten und ein Verlust war im Prinzip Standard. Wenn man stundenlang unter Hochdruck mit Einflüssen aus jeder Richtung an der Kasse hockt, dann rutscht früher oder später was durch und man gibt zuviel Wechselgeld herausb.

Mal einen Euro, mal zehn. Passiert halt.

Das zahlt man dann aus der eigenen Kasse zurück. Da ist das Trinkgeld dann ganz fix wieder weg. Der Großteil der Kundschaft freute sich halt eher über ein paar Taler mehr zum Verzocken anstatt das unberechtigt erhaltene Geld zurück zu geben, zurück gegeben haben es nur ganz ganz wenige. Traurig und uncool, anders war es aber nicht zu erwarten.

Wenn dann auf ein Mal 1000 (in Worten: Eintausend) Euro in der Kasse fehlen, wird es kompliziert.

Das passierte mir an einem Freitag, ich hatte die Spätschicht und war seit Stunden allein im Laden, es war gegen 23.30 Uhr und ich war dementsprechend bedient.

Dazu kam noch, dass 1000 Taler an einem Wochenende wegen dem ganzen weltweiten Fußballzeug (am Wochende wird auf jeden Mist gewettet) essentiell wichtig sein können...wenn die in der Kasse fehlen, weil sie "irgendwo" sind, dann ist das nicht gut. GAR nicht gut!

Nicht nur ich steckte also in der Bredouille sondern auch meine Arbeitskollegen, die am nächsten Tag, einem Bundesliga-Spieltag. an dem korrekte Kassenbestände immens wichtig sind, arbeiteten. Und da fehlten mal eben 1000€, also zwei Drittel des generellen Kassenbestandes.

Vorspulen. Sonntag Abend.

Entgegen meiner Erwartungen waren meine Arbeitskollegen trotz der vierstelligen fehlenden Unsumme gut durch das Wochenende gekommen, ich hatte inzwischen mit meinem Chef telefoniert und klar gemacht, dass ich das fehlende Geld natürlich zurückzahlen würde...abstottern bei den nächsten Gehältern oder so...

Nachdem ich das Telefonat mit Cheffe beendet hatte, lief ich entnervt durch meine Wohnung, meinen im Weg liegenden Rucksack, den ich seit Tsgen nicht mehr beachtet hatte, kickte ich achtlos und fluchend zur Seite.

Aus ihm fielen zwei Geldrollen, 50€-Scheine, jeweils zu zehnt gebündelt.

1000 Euro.

Ich habe bis heute keine Erklärung dafür, wie das Geld in meinem Rucksack gelandet ist, vermute aber, dass ich die zwei Geldbündel vom Tresen und in meinen offenen Rucksack gewischt habe, als ich wild gestikulierend mit einem Kunden diskutierte, während der Inhalt "meiner" Kasse, die ich grad abrechnete, um mich herum verstreut lag...da kann man schon mal unbewusst was vom Tisch fegen, wenn man gestikuliert, diskutiert und streitet..

Ich habe das Geld zurück gegeben und wurde gefragt, was da passiert sei, das konnte ich leider nicht beantworten oder erklären.

Kurze Zeit später wurde mir gekündigt. Fristlos. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...

Seitdem bin ich raus aus der Szene, ich laufe nur noch täglich an einer Filiale meines ehemaligen Arbeitgebers vorbei und sehe dort ehemalige Kunden und Bekannte. Dann wechselt man ein paar nette Worte und wünscht sich Glück.

Im Leben oder beim Zocken, je nachdem, was man präferiert..

Mit der Zocker-Szene will ich NIE wieder etwas zu tun haben, ich habe genug Erfahrungen gesammelt und noch mehr davon brauche ich nicht...ich bin vorerst kuriert.

Sonntag, 6. April 2014

Direkt auf den Punkt gekommen

Vorhin in der Schanze.

Vor dem Restaurant "Feuerstein" am Neuen Pferdemarkt stehen zwei Mittzwanziger, der eine groß und gut aussehend, sein Kumpel ist eher der schluffige Typ mit Bauchansatz und leicht strähnigem Haar.

Auf sie zu kommen zwei junge Frauen, man scheint verabredet zu sein, denn die eine winkt den Jungs von Weitem zu und umarmt beide zur Begrüßung. Küsschen links, Küsschen rechts, man kennt sich offensichtlich schon.

Ihre Begleitung scheint neu in der Runde zu sein, sie steht etwas abseits und als die erste Begrüßungsrunde abgeschlossen ist, geht sie schnurstracks auf den gut aussehenden Kerl zu, setzt ihr strahlendstes Lächeln auf, streckt ihm die Hand entgegen und stellt sich fröhlich vor:

"Hallo, ich bin Single!"

Dann verschwinden die vier im Restaurant.