Montag, 3. Juni 2013

Momentaufnahme: Park Fiction

NoFx schreddern mir ihr geniales Album "Punk in drublic" in die Ohren, der Wind zerrt an der Kapuze und zum wiederholten Male rauscht ein Inline-Skater nur Zentimeter an mir vorbei.

Ich sitze auf dem in Schwimmbadfliesenoptik ausgelegten Rand einer kleinen Grünfläche neben einer Kunstpalme an einem meiner liebsten Orte dieser verdammten Stadt.

Dem "Park Fiction" zwischen dem Kirchhof der St.Pauli-Kirche und der Hafenstraße, über die man auf den Fischmarkt herunterschauen kann und hinter dem sich dann wieder Werften und Kräne auftürmen.

Es ist 19.50 Uhr, ein schwarzer Hund schnüffelt an meinem Schuh und freut sich.

Um mich herum sind die unterschiedlichsten Menschen versammelt, sitzen auf den künstlich angelegten Rasenflächen, einige trinken Astra, andere drehen Kippen, wieder andere drehen anderes, der süßliche Geruch hängt in der Luft.

Der Skater zischt wieder vorbei, der schwarze Hund zuckt zusammen und ein kleiner Junge, begleitet von seinen vollgehackten und diverse Male gepiercten Eltern, klatscht verzückt in die Hände, ob er den Skater oder den Hund gut findet, kann ich nur raten.

Auf dem kleinen Basketball Court zocken ein paar Streetballer, so richtig gut sind sie nicht. Der Ball fliegt am Korb vorbei und trifft ein Mädchen am Rücken. Anderswo auf Pauli oder generell in dieser Stadt gäb's jetzt eventuell Stress. Hier nicht. Man kennt sich.

Ich entdecke eine Gruppe Dreadlockträger, die Hacky Sack spielen, damit dürfte die Quelle des süßlichen Geruches geklärt sein.

Ein Jongleur jongliert, ein Paar kuschelt auf einer Wolldecke, der schwarze Hund wird von einem maximal ein Drittel so großen Mops, dessen Kläffen sogar meine Musik übertönt, durch die Gegend gejagt und ein Flaschensammler taucht mit leeren Plastiktüten auf und geht zehn Minuten später mit prall gefüllten.

Zum Inliner stoßen zwei Boarder und drei Jungs auf ihren Fixies, ich warte noch auf die Tagger, denn außer Tags ist hier kaum Grafitti zu entdecken. Das wundert mich jedes Mal aufs Neue.

Ich schaue hoch zum Loft im Eckhaus am Pinnasberg. Die Fensterfront ist noch nicht erleuchtet, es ist noch zu hell.

Es gibt tausend Gerüchte darüber, wer dort oben wohnt. Der Sohn einer Kiezgröße? Ein Fußballer? Ein Schauspieler? Niemand weiß das so genau.

Vermutlich einfach nur irgendein stinkreicher Mensch, der sich nichts sehnlicher wünscht, als das der "Park Fiction" endlich plattgemacht wird zugunsten eines würdigen Privatparkplatzes für seinen Fuhrpark voller SUVs und Bentleys.

Wehe!

9 Kommentare:

  1. *schnief! schöne stimmung, die du da aus meiner alten heimat vermittelst.
    viva hafenstraße!!

    eine (bisher) stumme mitleserin

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    1. Dankeschön liebe (bisher) Stumme :) Ich liebe die Hafenstraße auch! War immer so, wird immer so sein.

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  2. Sehr schön atmosphärisch! Toll geschrieben! Hamburg ist auch nicht so schlecht, oder?

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  3. Danke TS! HH ist nicht immer schlecht, neeh. Vor allem nicht an solchen tollen Orten. Ein paar davon gibt's hier dann doch auch :)

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  4. Hi,

    spitzen Text, eigentlich wie bisher alles hier. Ich freu mich immer, wenn du was neues schreibst.

    Weiterso!

    einer aus Mitteldeutschland (auch bisher stumm o_O)

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    1. Zustimmung. ;-)

      (Einer aus fast Mitteldeutschland.)

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  5. Vielen Dank für's Kompliment! Immer toll, sowas zu lesen! Da macht das Schreiben gleich doppelt Spaß :)

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  6. Großartiger Bericht:-)
    Daß es solche Ecken noch gibt: Dafür u. a. liebe ich Hamburg.
    Hoffentlich macht die auch bei Euch zunehmende Verschnöselung da nix dran.

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    1. Danke :)

      Was die Gentri-Kacke angeht, da scheint es für den Park Fiction (noch) recht gut aus zu sehen.

      Will sagen: Da sind zuerst andere Orte dran, die mehr "stören". Momentan will man die Esso-Hochhäuser samt der berühmt-berüchtigten Kiez-Tanke abreißen und das "Molotow", einen der besten Konzert-Clubs der Stadt, gleich mit. Eine Schande!

      http://www.radio-reeperbahn.de/was-wird-aus-dem-molotov/

      Hamburg wehrt sich, nur helfen wird's wohl nix.

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