Freitag, 7. Juni 2013

Daumen-Ecki

Gestern bin ich beim Einkaufen zum ersten Mal seit locker zwei Jahren mal wieder Daumen-Ecki begegnet.

Ich dachte schon, er habe sich ein neues Stadtviertel gesucht oder gar eine neue Stadt, daß er wegen irgendwas eingefahren ist, hatte ich auch nicht ausgeschlossen.

Aber er erzählte, er sei nur "mal hier, mal da" gewesen, das wird ähnlich wie beispielsweise "Import, Export" eine halblegale Grauzone beschreiben, über die man nicht spricht und von der trotzdem fast jeder weiß, daß sie da ist. Als Ecki das an der Discounterkasse erzählte, nickte ich also nur wissend und Ecki grinste breit.

Daumen-Ecki ist in etwa in meinem Alter, kam wie ich aus der Provinz in die große Stadt, in seinem Fall die hessische Provinz, wir tragen beide einen "Good night white pride"-Button an den Klamotten. Das war's aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten.

Denn Daumen-Ecki ist obdachlos, besitzt nur das, was er am Körper trägt und den Spitznamen, den ihm einer von seinen "Straßenbrüdern" verpasst hat, trägt er seit 2002, denn da schlief er betrunken im miesesten Wintersturm auf einer Parkbank ein und alle Finger außer der Daumen froren ab und mussten abgenommen werden.

"War ne Scheiß-Aktion, ich hätt das letzte Bier nicht trinken sollen damals" sagte er, als er mir die Geschichte zum ersten Mal erzählte. Und zwinkerte mir zu und grinste.

Ich kenne Daumen-Ecki seit etwa sieben Jahren, vielleicht auch acht. Ich sah ihn früher oft vorm alten Barmbeker Bahnhof stehen und Passanten anschnorren. Mich auch.

"Haste ma n Euro??" Und als ich stehen blieb, schob er hinterher "Ich nehm auch zwei Euro. Und ja, ich bediene gerne das Klischee!" Und grinste.

So sind wir ins Gespräch gekommen und ab da hab ich ihm jedes Mal, wenn ich ihn getroffen habe, einen Kaffee oder was zu essen gekauft oder seinem namenlosen Schäferhund, der auf "Eyh!" reagierte und direkt angetrabt kam, mal eine Dose Hundefutter mitgebracht.

Einmal wollte ich mit Daumen-Ecki und "Eyh!" beim großen gelben M an der Fuhle essen, wir wurden aber direkt wieder hinaus komplimentiert. Hunde seien nicht erwünscht. Die fast schon angeekelten Blicke trafen allerdings nicht den Hund...

Und gestern hab ich Daumen-Ecki nun mal wieder gesehen und hab mich ehrlich gefreut. Er lebt noch, "Eyh!" geht's auch gut, der erkannte mich auch direkt wieder und freute sich, leider hatte ich kein Leckerlie dabei und "Eyh!" musste sich mit Streicheleinheiten begnügen. Er ertrug es tapfer.

Ecki und ich haben dann eine Weile auf einer Bank gehockt und uns unterhalten. Die letzten Tage hatte er ein Dach über dem Kopf erzählte Ecki, ab kommender Nacht nicht mehr, aber er hat in Aussicht, in einem Wohnheim unterkommen zu können. Ein kleines Zimmer nur, aber das wäre ein Traum, sagt er. "Eyh!" dürfte mit rein und außerdem hätte er ein Mädel kennengelernt und da wär ein eigenes Zimmer echt von Vorteil!

Sagt er.

Und grinst breit.

Und ich grinse auch.

Und wünsch Glück!

2 Kommentare:

  1. Schöne Geschichte.
    Und Eyh! ist echt ein extrem toller Name für einen Hund!

    M.

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  2. Jepp, das find ich auch! Ich kann mir kaum einen besseren vorstellen!

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