Mittwoch, 14. November 2012

Der Tag, an dem es passte.

Anfang Juli 2012. Meine allerliebste Lieblingsband tourt endlich mal wieder durch Europa. Für mich heißt das: MUSS ich hin. Letztes Jahr hab ich sie noch in Frankfurt und in heimischen Gefilden gesehen, dieses Mal spielen sie nur in Berlin. Oder auf Festivals. Und ich hasse Festivals. Nicht ordentlich duschen können, nicht ordentlich kacken können, nicht ordentlich schlafen können, nicht ordentlich Musik hören können...denn die Band mit neunzigtausend anderen vor einer Bühne, groß wie ein Parkplatz, zu teilen...nein, das hat für mich nichts mit "Konzert" oder "Spaß" zu tun. Und dafür noch hundertirgenwas zahlen? Klar! Arschlecken!

Ein gutes Konzert hat nicht mehr als 200 Zuhörer und findet möglichst im kleinsten intimsten Club, den man auftreiben kann, statt. Bei nem Konzert will ich die Energie der Band spüren, mitgerissen werden, mit der Band interagieren. Notfalls, wenn auch ungern, Schweiß-/Spucketropfen abbekommen, das ist ekelhaft, aber den Preis zahl ich gern.

Fünfzig Meter von der Bühne weg zu stehen, die (schlimmstenfalls) Kommerzband nur per HD-Leinwand zu sehen und die Musik nur aus der Ferne wahrnehmen können...Scheiße, nein, das hat nichts mit einem guten Konzert zu tun! Auf Festivals kann man sich sicherlich grandios zum Filmriß saufen, man kann sicher tolle Leute kennenlernen, garantiert kann man Spaß haben, man wird sich garantiert noch Jahrzehnte danach daran erinnern, "Ach, guck, wir beide, vollgekotzt beim Rock am Ring, im Hintergrund spielen "Die Toten Hosen", die "Oldskool Punks"...heute, mit fast siebzig, feuern sie auch noch jedes Jahr eine Ballade raus, das haben sie ja damals schon getan, wenns mal nicht lief. Karriereknick? Ballade spielen! Der Durchschnittsdeutsche feiert das dann ab. Zum Kotzen, diese Band!! Pseudopunkscheiße. Und wahrscheinlich kommt gleich Alex und vermöbelt mich mal so richtig!" Oha, da musste wohl mal was raus. Ups. Aber ist ja die Wahrheit...

Ich ziehe jedes Garagenkonzert einer guten No-Name-Band mit vier Zuschauern einem Festival mit achtzigtausend Deppen auf einem Gelände ohne ordentliches Scheißhaus vor.

Aber...

...darum gehts ja gar nicht.


Meine allerliebste Lieblingsband spielt also mal wieder auf dem heimischen Kontinent. Unter anderem auch in Berlin. Am achten August. Pflichttermin.

Ich betrete den Ticketshop meines Vertrauens, hier hab ich schon die beklopptesten Sachen bekommen, die es anderswo nicht gab.

Ein kleiner, enger, innen mit Postern zu tapezierter Laden, ein kleiner Bedienthresen, der voller Flyer für die Clubs und Theater der Stadt ist, sie liegen wild herum. Alles auf den ersten Blick vollkommen chaotisch. Ich mag das.

"Hallo, was kann ich für Sie tun?"

Hinter dem kleinen Thresen sitzen abwechselnd zwei ältere Herren (Mitte 50; "Ich kann den Namen der Band, die sie sehen möchten, nicht aussprechen...aber ich wünsche ganz viel Spaß!"), die immer stinkefreundlich sind und mir schon so manchen Wunsch erfüllt haben und denen ich irgendwann mal auf Knieen daher kriechend ein Opfermal bringen werde. Vielleicht den linken Daumen von Campino?...

"Guten Abend...ich kann doch hier auch Karten für Konzerte in Berlin kaufen, oder? Letztes Mal konnte ich..." - "Wenn es das letzte Mal ging, dann sicher auch heute. Was solls denn sein?"

Vorfreude. Mit freudig erregter Stimme sage ich

"Achter August, Festsaal Kreuzberg, boysetsfire! Bitte!"

Der nette Herr tippt auf der Tastatur herum. "Oha!" sagt er.

"Oha!!!" denke ich und Panik bricht aus. Ich beginne, zu schwitzen, das Atmen fällt schwerer als zuvor. Vor meinem inneren Auge tänzelt das Wort "Ausverkauft" hin und her, es trägt ein rosarotes Tütü und grinst mich fies an mit blitzeweißen Zähnen.

"Wieviele Karten sollen es denn sein?" Ich zucke zusammen. Er spricht mit mir. Aber: Meint der die Frage ernst?? "Naja, ich bin eine Person...also würd mir eine reichen!"..."Ooooooooha!!!" sagt er.

Ich schwitze. Und wenn der mir nicht bald sagt, was Sache ist, dann kletter ich über diesen verdammten Thresen und...

"Da kann ich Ihnen jetzt nur gratulieren! Das war ein Volltreffer!" - "Wie bitte?" - "Sie haben soeben die letzte überhaupt verfügbare Karte für das Konzert erstanden. Es gibt keine mehr. Keine Abendkasse, kein gar nichts, das Ding ist vollkommen ausverkauft!"

Ich gucke ihn mit großen Augen an, mein Herz puckert wie bescheuert. "Ich hab die letzte...die allerletzte Karte überhaupt bekommen??" - "Ja, genau, die allerallerALLERletzte Karte war das!" Das demonstriert er mir dann auch gern nochmal, er versucht, eine weitere Karte für das Konzert zu erstehen, ich kann seine Arbeitsschritte auf einem Monitor auf dem Verkaufsthresen ansehen und nachverfolgen. Da geht nix mehr. Ich hab die ALLERletzte Karte gekauft. Wegen nem Bauchgefühl, das mir sagte "Geh nicht erst  morgen am freien Tag hin, machs jetzt, dein Kollegah kommt auch mal ohne dich aus!" Wahnsinn!! Zufall?? Göttliche Fügung?? Mir alles egal, ich hab das Ding!!

"Na Mensch, sie freuen sich ja!" stellt der nette Herr hinterm Thresen fest und freut sich wohl auch ein bisschen mit. "Da haben sie aber wirklich Glück gehabt!" Und ich würd ihn am liebsten grad umarmen und er weiß das zum Glück nicht.

Beschwingten Gemütes ging es zurück zur Arbeit, die ganzen kranken Asis dort konnten mir an dem Tag nix, aber auch gar nix mehr, meine Mannschaft hat gewonnen und das Geld für die Konzertkarte kam durchs Trinkgeld wieder rein. Kanns besser laufen?

Ich mag solche Tage bitte gern öfter haben!! 

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