Dienstag, 13. November 2012

Der Papst muss warten.

34 Grad. Die Sonne brennt. Ich schwitze wie ein Weltmeister und wünsche mir norddeutsches Klima herbei. Jetzt bei 13 Grad im Nieselregen herumlaufen, wie herrlich! Stattdessen ballern mir weiterhin diese hammerharten Temperaturen und ein wolkenloser Himmel auf die Schädeldecke. Nicht zum Aushalten!!

Also sitz ich da, im Kreise meiner Reisegruppe. In der Sonne, auf den Treppenstufen, die rund herum des riesigen Platzes angelegt sind. Hinter uns umrunden im Abstand von einigen Metern steinerne Säulen den Platz und in dem Rundgang unter dem Dach, das diese Säulen stützen, den Colonaden, ist der Teufel los. Der Teufel im Vatikan in Form von was-weiß-ich-wieviel-tausenden  Menschen, die mit uns warten. Darauf, das er erscheint. Er, der alte Mann im weißen Gewand. Habemus papam! "Wir sind Papst!" Hallelujah!! Seine Heiligkeit, der Papst, soll hier nachher in seinem Papamobil oder einem anderen Gefährt durch die in mindestens zweistelliger Milliardenzahl anwesende Menschheit rollen, dabei Hände schütteln, selig sprechen, taufen, weiß der Geier, was der Kollege sonst noch tun soll, will, muss.

Ich bin gespannt. Und sitze und warte und schwitze und rate beim lustigen Gruppenspiel "Wer bin ich?" mit. Gezwungenermaßen. Die Zettel kleben dank des Schweißes von ganz allein an der Stirn, was das ganze Spiel etwas eklig macht. Und ich bin George Bush. DAS macht es auf KEINEN Fall besser. "Bin ich ein strunzdummes, was Politik angeht vollkommen inkompetentes Arschloch, das bei seiner Wahl bewiesenermaßen beschissen hat?" fragt doch niemand bei so einem Spiel, wie soll ich da denn meine geheime Identität entschlüsseln?! Ich verliere. Meine Laune sinkt in den Keller.

Ich gehe einfach mal los, noch ist der Platz leer, noch kann man das machen. Die Hitze macht fertig. Ich laufe bis so etwa in die Mitte des Platzes. Das sind knappe 100 Meter, wahrscheinlich sogar mehr. Hätte ich doch jetzt bloß schon mein tolles Smartphone. Hab ich aber nicht. Grad wärs hilfreich, denn der Anblick ist nicht in Worte zu fassen und ich hätte doch so gern Erinnerungsaufnahmen. Ich dreh mich langsam im Kreis und sehe in immer fast gleichbleibender Entfernung die Stufen, auf denen irgendwo auch meine Gruppe sitzt, die weißen Säulen und in den Colonaden drängen sich die Massen. Der Platz ist fast menschenleer, denn keiner will ja in der prallen Sonne sitzen, die überdachten Gänge quellen über vor lauter Menschheit. Und ich bin mir ziemlich sicher, daß die da viel viel mehr schwitzen als ich, der mitten auf diesem beeindruckenden Fleck Erde steht, das Panorama des Petersdoms im Rücken. Und noch dazu ist es ein verdammt geiles Gefühl, diesen Platz fast für sich allein zu haben! Ich fühl mich richtig gut, aber an so einem heiligen Ort kann selbst ich mich zurückhalten. Ergo nicht wieder in lautes Kampfgebrüll ausbrechen, nur mal kurz die Faust in der Hosentasche ballen und ne Runde in sich rein freuen.

Auch die beiden Brunnen auf dem Petersplatz sind beeindruckend, in dem, an dem im Buch "Illuminati" der Bischoff (oder was der war) abgemurkst wird, baden sich einige wenige Schwitzende die Füße. Auch schön. Ich überlege, ob das bei so einem Kunstwerk von Brunnen nicht irgendwie barbarisch ist - würde aber sofort mitmachen. Abkühlung, oh Mann. Das wär jetzt ein Hit!

Zurück zu meiner Gruppe. Ich setz mich hin, schau mich um...ein ziemlich hübsches Mädchen mit langen dunklen Haaren hat eine eingefrorene Wasserflasche in den Händen, dreht und wendet sie, schaut sie fragend von allen Seiten an...guckt dann mit großen Augen in die Runde und fragt: "Wie bekommen die eigentlich das Eis in die Flasche?!?" Betretenes Schweigen. Ungläubige Blicke. Ich spiele mit dem Gedanken, entweder mit dem Finger auf sie zu zeigen und laut zu lachen oder die nächsten 30 Minuten mit dem Kopf vor eine dieser riesigen Säulen zu hauen...

Das kann jetzt nur noch der Papst, UNSER Papst retten! Aber der kommt nicht. Warten.

30 Minuten später. Hätte ich mal den Kopf gegen die Säule gehauen. Dann wär hier jetzt Ende. Kein Papst zu sehen. Aber der Platz füllt sich zusehends. Ich könnt was essen...

30 Minuten später. Der Platz ist voll. Kein Papst zu sehen. Wo und wie soll der auch durchkommen mit seinem Autodingsbums? Ich könnte nicht nur, ich müsste sogar dringend was essen....

30 Minuten später. Auch ein Papst kann sich mal verspäten. Auch um eine Stunde. Der ist alt, der braucht halt länger.

Mein Magen macht seltsame Geräusche.

Eine halbe Stunde später. Der Magen brüllt mich an. "Gib Essen! Du Arsch!!" Ich leide. Er auch. Der Platz ist inzwischen rappelvoll. Gedränge und Geschubse, schlimmer als bei Metallica vor der Bühne. Ellenbogen werden verteilt, jeder will der erste in der Reihe sein. In welcher Reihe eigentlich? Es lässt sich keine ausmachen. Durchsage: Der Heilige Vater ist auf dem Weg. Hatte wohl verschlafen.

Zehn Minuten später. Mein Magen bringt mich um. Im Umkreis von etwa 20 Metern kann man ihn knurren hören und ich werde böse angeschaut und mir wird ein "Psssccchhhtt!!" entgegengezischt wie im CinemaxX in der Abendvorstellung beim Aufreißen der Chipstüte.

Ich will durchhalten, ich will. Ich WILL. Meine Omi ist so stolz. "Ach Gott, der Junge trifft den Papst!" Geweint hat sie vor Rührung. Omi ist sehr gläubig.

Und ich bin sehr hungrig.



Ich habe das Gedränge des Platzes gerade hinter mir gelassen, da bricht der Jubel los. Da isser wohl, der alte Mann im weißen Gewand. Und verteilt vermutlich High-Fives. Und Segen. Und was weiß ich noch.

Is mir wurscht.

Ich finde eine kleine Pizzeria etwa 500 Meter vom Petersplatz weg und 10 Minuten später stopfe ich ein Meisterwerk, erschaffen von einem wahren Meister der Pizzabäckerzunft, in mich rein, als gäbs kein morgen mehr.

Habemus Pizza! Besser geht grad nicht!

Der Papst muss warten.

Nächstes Mal denn...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen