Samstag, 8. Juni 2013

Rocktag (Part 1)

Die Sonne strahlt.

Mein Nachbar kniet neben seinem Uraltkleinwagen und poliert die Radkappen aus grauem Plastik. Ich beobachte das interessiert. Irgendwie ist es ein deprimierender Anblick, andererseits aber auch ein positives Zeichen.

Aufbruch!

Der Frühling, ach was, Sommer ist endlich da, das hatte ich in diesem Jahr gar nicht mehr erwartet, es deutete ja alles auf einen Übergang vom Winter direkt wieder in den Herbst hin. Klimaerwärmung, pah!

Aber heut ist's anders. Die Sonne knallt, es ist Wetter für kurze Ärmel und kurze Röcke, das Tragen einer Sonnenbrille hat endlich wieder einen Sinn abgesehen von angeblicher Steigerung des Coolnessfaktors, Menschen recken die blassen Nasenspitzen zum Himmel und Jungspunde fahren johlend zu den untermalenden Beats von David Guetta oder Will.i.am und Britney (bitch!) in Daddies Cabrio umher. Die Bässe wummern, der Sportauspuff röhrt und die Chromfelgen blitzen.

Frühlingserwachen. Drei Monate zu spät.

Mein Nachbar will auch so'ne coole Karre und deswegen kniet er schwitzend und keuchend im Staub neben der Bushaltestelle und poliert die Plastikradkappen seines aschefarbenen VW Polo Baujahr '88 im used look, auf das sie doch bitte chromfelgengleich erblitzen mögen, nur: Sie tun ihm den Gefallen nicht.

Arme Sau.

Der Bus rollt an, sogar pünktlich, es geschehen noch Zeichen und Wunder, aber nichts anderes habe ich erwartet an einem Strahletag wie diesem.

Eine Exfreundin nannte solche Tage immer "Rocktage" (der Musik, nicht des Kleidungsstückes wegen), Tage mit grauem Himmel und Nieselregen an denen nie irgendwas funktionierte oder so lief, wie man es gern wollte, waren "Gummispülhandschuhtage", den Zusammenhang habe ich nie verstanden. Ich glaube aber, sie hatte das aus einem Buch.

"Heute ist ein Rocktag" denke ich, halte mich an einer Stange im Bus fest und schaue durch die Gegend und mein Blick bleibt total gegen meinen Willen an einer Mitfahrerin hängen. Für die ist nämlich auch Rocktag, allerdings auf die Klamotte bezogen. "Was für Beine! Bis zum Boden! Alle beide!!" denke ich und versuche angestrengt, weg zu gucken, das ist aber gar nicht einfach. Wie bei einem Unfall auf der Autobahn, da guckt man auch automatisch, obwohl das total unangebracht und daneben ist.

Vom Bus geht's in die U-Bahn, in Gedanken bin noch bei den unendlich langen Beinen, die leider in die S1 gen Airport steigen, das seh ich noch vom Bahnsteig gegenüber.

Die Bahnfahrt zum Hafen verläuft unspektakulär, das ist erstaunlich, irgendein Idiot steigt eigentlich immer zu. Dieses Mal nicht. Ich lausche dem Electro-Set eines Freundes aus Berlin und beobachte, wie die Stadt am Fenster vorbeifliegt. Ab und zu blendet mich die Sonne.

Schön.

Ich wuchte den schweren Rucksack auf den Rücken und laufe durch den Strom der Touristen hinunter zum Fähranleger, wo Freundin M. schon aufgeregt zappelnd wartet.

"Beeil dich, ich will an den Straaahaaand!!" ruft sie mir mit den Armen über dem Kopf rudernd entgegen.

Während wir auf die Linie 62 warten, ertönen laute Signalhörner verschiedener Schiffe und verabschieden die MS Deutschland, die langsam ins Bild und dann an uns vorbei gleitet. Das "Traumschiff" aus der Serie, die ich damals immer mit Omi schauen musste. Die Touristen knipsen und jubeln, die Kreuzfahrer winken ein wenig prollig herab, so wie die Queen, wenn sie huldvoll ihren Untertanen aus dem Limousinenfenster zu winkt, während ihr liebster Corgie grad auf die Fußmatte schifft. Luftballons steigen auf, ein großes "Oooh" und "Aaah" überall.

Dann kommt unsere Fähre.

Wind um die Nase auf dem Oberdeck.

Freundin M. und ich stehen ganz vorn am Bug. Wenn man ganz fest dran glaubt, dann riecht man die salzige Meerluft, die eigentlich viel zu viele Kilometer weit weg ist.

Es ist herrlich, ich muss öfter mit der Fähre fahren beschließe ich, als Freundin M. und ich uns dann doch mal auf den metallgeflochtenen Stühlen an einem der Tische niederlassen.

Die nächste Haltestelle ist Övelgönne, der Elbstrand, da wollen wir hin.

Mit einem großen Rempler gegen die Kaimauer legt die Fähre an und wir entern zusammen mit Großfamilien, Junggesellengruppen und Tussen mit Handtaschenhunden das Festland, strömen Richtung Strand, alle rennen, alle wollen die besten Plätze okkupieren, Freundin M. und ich machen Pause. Mal rechts ran. Warten und nicht mit dem Strom schwimmen.

20 Minuten später laufen wir dann auch los. Und finden einen lauschigen Platz nah am Wasser...

(Fortsetzung folgt)

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