Samstag, 8. Dezember 2012

Mitfahrgelegenheitsgeschichten (Folge 1)

Ich bin ein armer Mensch, deswegen nutze ich Mitfahrgelegenheiten. Das tue ich seit mehr als zehn Jahren und mit der Zeit erlebt man so einiges...

Thorge Fährlich erzählt: Mitfahrgelegenheitsgeschichten!

Folge 1 "Pilot: Traveling at the speed of light"

Ich bin in Rostock. Besser: In einem Dorf namens Sanitz etwa 20 Kilometer östlich von Rostock. Provinz. So richtig. Da ist es so wie dort, wo ich aufgewachsen bin: Einfamilienhäuser, viel Grün, Geschwindigkeits-Begrenzungs-Buckel auf den Straßen, drumherum viel nichts. Ausschließlich nichts. Totschlagende Langeweile wohin man schaut. Aber anscheinend leben hier Menschen freiwillig. Ich Stadtmensch werde das nie verstehen.

Ich muss "heim" nach Hamburg, der Job wartet. In zwei Stunden soll es losgehen ab Rostock-HBF, bis dahin muss ich noch etwa 25 Minuten in einer blau/gelben Regionalbahn mit meist nur zwei oder drei Wagen fahren. Diese fährt tagsüber alle 30 Minuten ab dem kleinen eingleisigen Dorfbahnhof mit seinem verfallenen Bahnhofsgebäude.

 Das Handy klingelt. Der Fahrer. Sowas ist so kurz vor Beginn der Reise erfahrungsgemäß nie gut.

"Ja, hallo, T. hier?" - "Hallo T., Fahrer hier, du sagtest, du bist nicht in direkt in Rostock?" - "Das stimmt, ich brauch so etwa 30 Minuten per Bahn, ist das jetzt ein Problem?" - "Nein, keine Sorge. Wo bist du denn? Ich komm hin, das spart dir die Bahnfahrt! Musst du mir nur die Adresse sagen!" Ich wundere mich und mache klar, daß der Sanitzer Bahnhof unser Treffpunkt sein wird, ungern möchte ich nämlich die Adresse meiner Exfreundin an einen Unbekannten weitergeben. Das wird natürlich so akzeptiert.

Am Sanitzer Bahnhof hängen die üblichen Gestalten herum, der Dorf-Alki, schon wieder (oder immer noch) sturzdicht, mit seiner Pulle "Rostocker Pils" im Anschlag, die Dorfjugend, auf der einen Seite des Bahnhofsgebäudes die "Punks", die Jungs machen optisch auf Campino, die Mädels auf Avril Lavigne, beide machen es falsch. Auf der anderen Seite des Gebäudes die mit der Hirnlähmung, die mit den weißen Schnürsenkeln in den Springerstiefeln, mit nassrasierter Glatze und "Böhse Onkelz"-Aufnähern auf den Bomberjacken, die Mutti, selbst lange vom Kindsvater verlassen und gegen eine Neue ersetzt, ihnen am letzten Weihnachtsfest unter den Christbaum gelegt hat, bevor sie dann zum billigen Cognac griff, um den Tag zumindest halbwegs zu ertragen.

Ein ekelhafter Ort.

Wir werden in Ruhe gelassen, sowohl von links als auch von rechts, ernten nur ein paar neidische Blicke ob unserer Zweisamkeit.

Erneut klingelt das Handy. "Bin gleich da, zwei Minuten!" 90 Sekunden später hält ein Wagen auf dem kleinen Bahnhofsparkplatz, der allen Anwesenden die Kinnlade herunterklappen lässt. Jaguar XK8, weiß, die Felgen blitzen, der Motor röhrt, meine Fresse!! Ich bin ein kleines bisschen beeindruckt.

Ein Typ Anfang 50 steigt aus, schaut irritiert ob der Gesamtsituation, entdeckt dann uns und fuchtelt in meine Richtung: "Ey, du siehst so wartend aus! Komm mit nach Hamburg!!" Macht ne Pause. "Von den Idioten da links und rechts muss ich ja hoffentlich keinen mitnehmen!" Zack, sympathisch! Die Lady bekommt noch einen Knutscher und ich winke, als der Motor beim Starten erneut aufröhrt, danach ist nur noch der Wagen interessant. (Ein Jahr später, als wir uns trennen, wird sie mir unter anderem diesen Moment vorwerfen...aber sie ist halt eben nicht in dem Ding gefahren, das zählt also nicht...und eigentlich hab ichs NULL mit Autos, wenn überhaupt, dann solche, die ebenso alt oder älter sind, wie ich, solche neumodischen Rennschlitten find ich albern -  dachte ich zumindest immer. Man muss wohl erst drin sitzen...)

Der solariengebräunte Anfangfünfziger grinst mich an. "Schmeiß dein Zeug auf den Rücksitz!". Da passen meine zwei Rucksäcke auch grad so rauf. Dann lasse ich mich in den weißledernen Beifahrersitz fallen...mein Gott, das ist bequemer als mein verdammtes Bett! Hier würd ich gern wohnen...

Wir sind auf der Autobahn angekommen, smalltalken so vor uns hin und ich frag mal einfach, was der Spaß mich denn eigentlich kosten soll, das stand nämlich nicht in der Annonce.

"Kost nix, ich hab genug Geld!" - "Bitte was??" - "Ich brauch kein Geld von nem Studi, ich brauch Unterhaltung!" Ich verstehe nicht, das klingt jetzt doch etwas..."seltsam". "Ich bin jede Woche soviel unterwegs auf deutschen Autobahnen, da bin ich froh, wenn ich mal unterhalten werde. Die Langeweile ist tödlich. Erzähl mir halt was, das reicht. Unterhalt mich." Pause "Und nein, das ist keine Anmache, ich hab Frau und Kind!"

Ich suche die versteckte Kamera, texte aber los. Über langweilige Vorlesungen, wiederholungswürdige Studentenheimparties, verkackte Prüfungen, hübsche Kommilitoninnen, Frauen generell, das Thema scheint ihm zuzusagen.

Ich beobachte dabei den Tacho. 160 bei den Vorlesungen, 190 bei den verkackten Prüfungen, 230 beim Thema Frauen generell. Er mag sie dunkelhaarig und etwas "praller". Aha. Als ich frage, was er mit "praller" meint, bremst er runter von 230 auf wieder 190 und erzählt los, gestikulierend, teilweise keine Hand am Lenkrad, er malt Formen in die Luft, Rundungen, ziemlich viele Rundungen sogar, als er mit Malen fertig ist, nickt er zufrieden, die Augen strahlen und er hält mir die Hand zur High-Five hin, während wir an einer LKW-Kolonne vorbei preschen. Ich auf dem Beifahrersitz bin tief in selbigen hinein gesunken und mache mir bald in die Hosen...ich bin so ein beschissener Beifahrer, hektisch, panisch, ich bremse sogar mit! Als nächstes werd ich ihn mit den aktuellen Unfallstatistiken zutexten nehme ich mir vor. Selber fahr ich zwar wie der Henker himself, aber auf dem Beifahrersitz werd ich ganz klein und blass.

Hamburg ist in Rekordzeit erreicht. Keine volle Stunde.

"Wohin musst du denn? Ich hab noch Zeit, ich bring dich heim!" - "So Nähe Bahnhof Barmbek, den Rest schaff ich dann allein." - "Gibts da was zu essen? Ich hab Hunger. Hast du Hunger und Zeit?" - "Ääääh..." - "Also, wo gibts hier was Gutes zu essen?? Zahl ich! Hast du Hunger und Zeit?"

Was zur Hölle...?

Ich wurde in einem wahnsinnigen Wagen von A nach B kutschiert, ohne dafür einen einzigen Cent zahlen zu müssen, wurde zu einem verdammt guten Burger eingeladen, der mich auch nichts gekostet hat...und ich musste dafür mit niemandem schlafen! Das geht! Da sollten sich so manche "It-Girls" und "Promis" aus den Medien (damit meine ich die Springerpresse und RTL) mal ein Beispiel nehmen. Aber gut, ich muss mich damit arrangieren, ich seh nun mal besser aus als Gina-Lisa Lohfink und die ganzen anderen Silikonmutanten. Naja, ist jetzt auch keine Kunst...

Mitfahrgelegenheit mal anders. Definitiv wiederholungswürdig! Aber soviel Glück hab ich wohl nicht nochmal.





7 Kommentare:

  1. Alter, kannst du die blöde Sicherheitsabfrage abschalten, wenn man kommentiert? Die stresst doch ein wenig sehr doll fast nicht wirklich arg.

    BTW: Geile Geschichte mal wieder.

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  2. Ich kann und werde versuchen, sie abzustellen, sobald ich raus finde, wie ich das mache. Bisher wusste ich nichtmal, daß ich sie irgendwann ANgestellt hatte...ich oller Nixchecker. Tut mir leid um deine Nerven, mögen sie in Frieden ruhen! :)

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  3. Einstellungen / Posts und Kommentare:

    Kommentarmoderation: Immer
    Sicherheitsabfrage anzeigen: NEIN!!!!!!!!!!!

    Dann musst du zwar jeden Kommentar freigeben, aber das würde ich eh emepfehlen, sonst kacken dir irgendwelche Nazis Strafrechtliches hier rein und krisgst die Prügel dafür. Moderation macht die Sicherheitsabfrage überflüssig.

    So, und jetzt an die Arbeit. :-)

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    1. Meine Güte, Saufen und Kommentare schreiben killed the Rechtschreipunk...

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    2. Rechtschreibung, Wayne...

      Hab nun gemacht wie du geschrieben hast, es sollte also nichts mehr zur Last fallen. Hoffe ich :) Dir. Als Schreibender.

      Wolln wir doch mal sehn, wie das mit dem freigeben läuft, das ist neu und Neues kann ich oft nicht.

      Wie meine Ex-Kunden zu sagen pflegten: "Let it komms!". Abwarten, Wein trinken, schlafen gehn.

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    3. Da kriegste per E-Mail eine Mitteilung, datte freigeben sollst. Kriegste hin, ich glaub an dich.

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    4. manchmal muss man einfach nur jung und sympathisch sein....

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