Es ist Samstag, der 22.12.2012. 13.30 Uhr am Nachmittag. Zeit fürs Weihnachts-Shopping! Wird Zeit, das Fest kam wie immer total überraschend und ich bin null vorbereitet. Ich habe keinen Plan, wem ich was schenken möchte, will oder muss, habe aber in den letzten Jahren festgestellt, daß ich, was Weihnachtspräsente angeht, unter Zeitdruck effektiv bin. Und so flippern Ideen durch meinen Kopf, einige bleiben hängen und nach einer Weile brainstorming, welches teils noch in der Bahn gen Innenstadt stattfindet, hab ich meine Liste komplett.
Vollkommen unmotiviert schlendere ich durch den Hauptbahnhof, den ich eh in etwa so mag, wie einen Wadenkrampf oder Brechdurchfall, die Anreise war abenteuerlich, wie das eben immer so ist im ÖPNV.
An sich fahr ich relativ gerne Bus oder Bahn (oder Hafenfähre), mit Musik im Kopf geht das zumeist, man darf eben nur nicht den Fehler machen und auf seine Umwelt achten. Ich mache diesen Fehler in schöner Regelmäßigkeit und beobachte Eigentümlichkeiten, die mir seit ich denken kann, immer wieder begegnen, manche davon werd ich nie begreifen.
Warum warten Menschen zehn Minuten auf einen Bus, um dann nur eine Haltestelle weiter auszustiegen? Zu Fuß wäre man in drei Minuten dort gewesen...
Warum drängen Menschen sich im Hintertürbereich des Busses, stehen sich dort auf den Füßen, können kaum atmen, berühren sich ungewollt unsittlich, atmen sich gegenseitig die Luft weg - während ein Haufen Sitzplätze frei und der gesamte Mittelgang abgesehen vom Türbereich vollkommen leer sind?
Warum stehen Menschen (und zu 97% die, die eh kaum noch auf den eigenen Beinen stehen können) zwei Kilometer, drei Minuten Fahrtzeit und vier Steilkurven vor ihrer Zielhaltestelle auf und klammern sich dann an allem und jedem fest, damit sie nicht bei der kleinsten Bremsbewegung oder in einer Kurve einer Bowlingkugel gleich durch den Mittelgang ballern? Und warum entschuldigen sich diese Menschen nicht, wenn sie einem mal wieder den knochigen Ellenbogen in den Magen gerammt haben oder warum bedanken sie sich nicht, wenn man sie mit einer halsbrecherischen Aktion am Arm gepackt hat, damit sie nicht stürzen und sich selber den Hals brechen? Warum hört man da immer nur "Ach, der Fahrer, der rast aber auch...! Früher hätte es das nicht gegeben...! Und überhaupt, die Jugend von heute..."
Solche Fragen stelle ich mir. Stellen sich mir. Ich steh immer nur kopfschüttelnd da und nehm es hin.
(Rewind)
Passenderweise hat es natürlich über Nacht geschneit, ich liebe Schnee, der ist schön anzusehen - wenn ich aus dem beleuchteten Fenster meiner warmen Wohnung schaue. Er motiviert mich aber nicht dazu, diese zu verlassen. Genau das muss aber heut mal sein. Ich fluche. Es soll für heute nicht das letzte Mal sein.
Ich verlasse die Wohnung, just in dem Moment setzt auch noch starker Wind ein und die Schneeflocken werden mir ins Gesicht geprügelt. Das ist jetzt nicht mehr schön. Durch verschmierte Brillengläser erkenne die Einparkversuche einer Nachbarin, jemanden von der Stadt, der den Gehweg räumt, eine große schwarze Krähe, die....MOMENT!!!...Blick zurück. Da ist tatsächlich jemand in einer neongelben Warnweste, der den Gehweg mit einer riesigen Schneeschippe bearbeitet - dank des einsetzenden Schneefalls ist dieser allerdings bereits zwei Meter hinter ihm wieder vollgeschneit. Mein lieber Mann, muss DAS ein Scheißjob sein! Da hast du grad alles gegeben und bist stolz wie Oskar - und dann kommt Mutter Natur mal eben längs und zeigt dir einen GANZ dicken Mittelfinger! Aber hier wird tatsächlich geräumt...verrückt. Hätt ichs nicht mit den eigenen Augen gesehen...
(Fast forward)
Ich stehe am Eingang zur Spitalerstraße und muss lachen. Denn ich sehe die Spitalerstraße vor lauter Menschen nicht. Es ist ein ziemlich ironisches Lachen, vielleicht sogar ein bisschen irre. Ich habe jetzt verstanden, was mir bevorsteht, würd zu gern einfach gehen, kann aber nicht, denn ohne Geschenke kann ich nicht zuhause auftauchen, das geht nicht, obwohl allein meine Reise an den Arsch der Welt eigentlich Geschenk genug sein sollte...
Kopfhörer auf, skippen zum passenden Album "Parkway Drive - Killing with a smile" und dann auf ins den Kampf. Und während Winston mir ins Ohr brüllt und growlt und kotzt, krieg ich meinen Kram tatsächlich recht schnell zusammen. Gewusst was und gewusst wo.
Danach bin ich zum Zweck der Selbstgeißelung (und weil meine Fahrkarte bis 18 Uhr nicht gültig war) noch über eine Stunde durch die "City" gelaufen oder habe gesessen und beobachtet. Und es ist Wahnsinn, was man da alles entdeckt, wenn man genauer hinschaut. Hab mir nebenbei meine "Notizen" ins Handy getippt. Während ich da vor einen Schaufenster stehe, erscheint eine Mittfünfzigerin. Stellt sich sechs Zentimeter neben mich, hat ihren stinkenden belanglosen "Asia"-Fraß in der Hand, frisst Scheiße, äugt dabei auf mein Display wie es auffälliger kaum geht und ist nichtmal peinlich berührt, als ich sie darauf anspreche. "Eyh, wollt ich nur mal sehen!" haut sie mit "Sojasoßen"-Atem entgegen und zeigt mir dann noch den Vogel, bevor sie sich laut schmatzend verzieht. Ich frage lieber nicht nach dem Sinn ihrer Existenz...
Zum Abschluß bin ich dann noch einmal über den Weihnachtsmarkt auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz gegangen, an sich ein recht schöner Markt, wenn auch natürlich vollkommen überlaufen. An sich ist so ein Weihnachtsmarkt ja ein fröhlicher Ort, wenn man sich aber mal einfach an die Seite hockt und gut hinschaut, dann ändert sich das. Da drücken vom vierten Glüh"wein" angeschickerte Anzugträger heroisch in die Runde anderer ihrer Art grinsend 50 Cent an einen frierenden "Hinz und Kunzt"-Verkäufer ab, bilden sich ordentlich einen drauf ein, ihre gute Tat des Jahres. Oder "Mütter", die nicht viel können, außer sich von irgendwelchen Neureichen schwängern zu lassen und die jetzt ihre Kinder von eben diesen Verkäufern der Straßenzeitung wegzerren..."Nein, mit solchen Leuten möchten wir nichts zu tun haben! - Aber dem ist doch kalt, Mama! - Ja, dann muss der eben arbeiten gehen!" sagt sie, rafft ihren (Kunst?-)Pelz zusammen und geht. "Aber du gehst doch auch nicht arbeiten, Mama!?" Woraufhin "Mutti" kurz inne hält und dann ausholt, links, rechts, bamm, bamm, oh du schöne Weihnachtszeit.
Ich seh solche Dinge und ich versteh sie nicht. Dabei streng ich mich echt an! Aber so manches will nicht rein in den Kopf...
"Vielleicht ganz gut so" denk ich mir, während ich hier beim Frühstück sitze, um danach den Weg zur Familie anzutreten, immer die A1 runter, Schneefall und Blitzeis trotzend. "Vielleicht ganz gut so, daß du nicht alles verstehst. Das würd den Kopf sonst wohl noch kaputter machen."
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!
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