Sonntag, 29. Dezember 2013

Aber das Navi sagt "Links"!

Am zweiten Weihnachtstag bin ich aus der Heimat im niedersächsischen Nichts per Mitfahrgelegenheit zurück nach Hamburg gefahren.

Die Fahrt verlief einigermaßen unspektakulär, obwohl mich die Fahrerin doch äußerst stark an Disneys Kampf-Prinzessin Merida erinnerte.

Anfangs wurde sich noch geschwätzig unterhalten, mit der Zeit erstarb aber das Gespräch, ich war eh todmüde und wollte, nachdem ich glücklicherweise meinen Lieblingsplatz hinten links erobert hatte, die Fahrt verschlafen, die Beifahrerin knickte auch urplötzlich ab, grad hatte sie noch davon erzählt, wie toll ihre ersten drei Monate in Berlin gewesen seien, die große Stadt, das Mädchen aus der Provinz, in Friedrichshain lebe sie jetzt, Dachgeschoß, mit Balkon, tralali tralala, alles supi, ABER...!

Allmählich bekam ich schlechte Laune. Kann ich denn nichtmal friedlich vom Arsch der Welt nach Hamburg fahren, ohne mir Geschichten von irgendwelchen Hipster-Kiddies Anfang zwanzig anhören zu müssen, die sich darüber beschweren, dass ihre verfickte liebste Boutique mehr als eine Tram-Station von ihrer an der Decke mit Stuck verzierten Altbauwohnung mit Blick auf den Fernsehturm und in Rotznähe des Boxhagener Platzes gelegen ist und das der Bio-Laden ums Eck vorgestern schon wieder keine fair getradete handaufgezogene Karambola mehr im Angebot hatte?

Und warum muss ich bei "Karambola" immer an einen Haufen Schrottautos denken? Sternfrucht Alter, Sternfrucht!

Die Laune wäre wohl noch weiter gesunken, hätte sich nicht zwischen der rotbelockten Fahrzeugführerin und ihrem Navi ein lustiges "Gespräch" entsponnen.

"In 300 Metern links abbiegen!" - "Häh?" - "In 250 Metern links abbiegen!" - "Was? Wieso??" - "In 100 Metern links abbiegen!" - "Aber...zur A1 muss ich doch gerade aus? Fünf Kilometer noch?" - "Sie haben Ihre Abfahrt verpasst. Bitte wenden!" - "Gott verdammt! Gerade aus! Fünf Kilometer! Da, es steht auf dem Schild!!" - "Bitte wenden!"...

Viel hat nicht gefehlt und aus Nase und Ohren wäre weißer Rauch aufgestiegen, farblich abgestimmt zum Kopfhaar. Es hatte ein bisschen was von einem Beziehungsstreit. Auch wenn weder gewendet noch links abgebogen wurde, so hat gefühlt dann doch das Navi gewonnen, denn Prinzessin Merida fluchte noch Minuten später auf der Autobahn wie ein Rohrspatz leise vor sich hin. Irgendwie ganz niedlich.

In Hamburg wiederholte sich das Spielchen nochmals, als wir unser angepeiltes Ziel, den U-Bahnhof Schlump, ansteuerten. "Bitte links abbiegen!", "Nach 200 Metern halbrechts halten!", "Bitte schlagen sie vier Mal mit der Stirn auf das Lenkrad!", "Bitte erwürgen sie jetzt die Person zu Ihrer Rechten!"...meine wegweisenden neunmalklugen Kommentare von der Rückbank habe ich mal lieber für mich behalten, das war vermutlich besser für alle Beteiligten.

Ich weiß schon, warum ich einem Navi nicht über den Weg traue...

Im Sommer hatte ich schonmal so eine mehr oder weniger lustige Erfahrung mit einem sogenannten Navigations-System.

Im Rennflitzer meiner Cousine auf dem Heimweg vom Besuch im Münsteraner Zoo waren wir schon viel zu lange unterwegs, normalerweise braucht man 45 Minuten pro Strecke, wir waren bei einer Stunde Fahrtzeit und das Heimatdorf war alles andere als in Sichtweite. Da meine Cousine mit ihren zwanzig Jahren zwar eine gute Fahrerin ist, sich aber im Umkreis von 15 Kilometern um ihre Homebase herum nichtmal ein klitzekleines bisschen auskennt, fuhren wir strikt nach Navi. Linksrum, rechtsrum, halblinks, halbrechts, bla. Cousinchen folgte den Anweisungen der Computerstimme genauestens.

Nochmals links ab, direkt wieder rechts - und dann standen wir auf den Gleisen.

Jetzt ist so ein japanischer Kleinwagen zwar für vieles kompatibel, nicht aber für Schienenverkehr. Das war recht unpassend in dem Moment.

Man kann sich in etwa vorstellen, in welcher Hektik Cousinchen, Tantchen und ich die Karre, zum Glück wiegt die ja leer so gut wie nichts, von den Schienen wieder auf die Straße bugsiert haben.

Dass die Gleise nicht mehr genutzt werden, habe ich dann später am Abend via Google herausgefunden. Hab ich Cousine und Tante bis heute nicht erzählt, ich freu mich immer noch über die erschrockenen Gesichter und die weit aufgerissenen Augen, wenn die Geschichte wieder aufgewärmt wird. Mit Vorliebe von mir. Natürlich. An Weihnachten hab ich mir den Spaß mal wieder gegönnt.

Daddy hat nun vom Christkind auch ein Navi bekommen (und Chromfelgen nachempfundene Radkappen für den Familien-Kombi! Bling bling! Pimp Dad`s ride!), ich bin gespannt auf erste abenteuerliche Geschichten! Das wird bestimmt lustig!

Ich würde ja auch gern eine peinliche Navi-Geschichte über mich erzählen, aber - da gibt`s keine. Als ich noch ein Auto hatte, gab es meines Wissens nach noch keine Navis, ich hab noch auf Autobahn-Rasthöfen anhalten und gefaltete Straßenkarten studieren müssen, die sich NIE wieder in die Ursprungsform zurück falten ließen! Oder ich hab einfach nach dem Weg gefragt. Obwohl ich ein Kerl bin und ich das rein genetisch im Prinzip gar nicht tun sollte. Kerle fragen nicht nach dem Weg. So heißt es doch.

Ich schon.

Morgen geht`s wieder auf die Autobahn, ab in die Hauptstadt. Hoffentlich ohne navigatorische oder anders geartete Katastrophen. Aber bei meinem Glück...

3 Kommentare:

  1. Jaja, es gibt Faltpläne und Falkpläne.

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  2. Und ich meinte vermutlich beides. Ein unzusammenfaltbarer Falk-Faltplan. Definitiv aber nicht kompatibel mit dem gleichzeitigen Führen eines KFZ. Soviel steht fest.

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  3. Das absolute "Alters-outing": zugeben, dass man noch Falkpläne kennt bzw. damit hantiert hat :-) wunderbare Story ! Und die Sache mit den Männern, die nicht nach dem Weg fragen, hat einen historischen Ursprung: warum zog Moses mit dem Volk Israel 40 Jahre durch die Wüste? Eben darum. :-)
    Liebe Grüße
    Ginger

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