Dienstag, 5. November 2013

Kühltruhen gegen Eistiger: In der O2 World beim Eishockey

Sportveranstaltungen besuche ich gerne.

Ich saß schon in diversen Ländern in Fußballstadien, ich habe diverse Basketballspiele feiernd mitverfolgt, ich saß bei Boxkämpfen in Ringnähe und habe Schweiß und manchmal Blut spritzen sehen, ich habe mir American Football angeschaut, gut, das war eine Amateur-Liga, es knallte aber trotzdem ordentlich, ich habe in den USA einige Baseballpiele live im Stadion gesehen, die Regeln verstanden und bin seitdem glühender Fan.

Außerdem habe ich in Hamburg den Marathon und das Radrennen namens "CyClassics" mehrmals angeschaut, meist verschlafen (oder immer noch wach) am frühen Sonntag, denn auf einer Teilstrecke laufen bzw. fahren die Teilnehmer mir fast durch mein Schlafzimmer. Da kann man sich also auch gleich direkt an die Strecke setzen und den übermüdeten Motivator geben.

Jetzt also Eishockey.

Ein Sport, mit dem ich im TV absolut gar nichts anfangen kann, weil ich nämlich nie sehe, wo dieser verdammte Puck ist, den die Spieler hin und her bolzen. Ich sehe die Teams kreuz und quer übers Eis flitzen, ab und an fällt mal einer hin, und plötzlich leuchtet dann ein kleines Lämpchen hinter einem Tor, weil irgendwer unbemerkt von mir den Puck ins Netz gehauen hat. Dann wird sich gefreut und man haut dem Torschützen aus Freude auf den Helm, so kenn ich das zumindest, ich sitze dann vorm TV und weiß nicht, wie und warum das Tor nun eigentlich gefallen ist und wer es erzielt hat, weil der Puck meist selbst in Zeitlupe noch viel zu schnell fliegt.

Aber die Stimmung soll ja großartig sein bei Eishockey-Spielen, das höre und lese ich immer wieder.

Also nahm ich die nette Einladung, die ich letzte Woche bekam, natürlich gern an. "Ich bin an zwei Freikarten für das Spiel am Freitag geraten, vielleicht hast du ja Lust?"

Ich hatte.

Die Anreise zur O2 World gegenüber der Arena des HSV gestaltete sich dank Schienenersatzverkehrs, einem Fußmarsch durch den Diebsteich-Tunnel (einen der vermutlich ätzendsten Orte der Stadt, ich werd separat nochmal drüber schreiben, wenn ich Beweisfotos habe) und einer Fahrt in einem vollgestopften Shuttle-Bus zur Halle recht abenteuerlich, entertained wurden wir durch einen Irren, der auf seinem ollen Holland-Damenrad parallel zum Bus einen Wheelie auf dem Gehweg hinlegte. Mit nem Mountain Bike kann das ja auch jeder...

An der O2 World angekommen wurde das Dosenbier weggehauen, die hinterlegten Karten wurden abgeholt und hinein ging`s ins Vergnügen.

Die Sitzplätze mit prima Sicht auf`s Eis waren schnell gefunden. Also auf und eine Runde umschauen und orientieren. Und neues Bier organisieren. Entspannt wurde smalltalkend eine Runde gedreht, das Bier geleert und sich gemeinsam über das abwechslungsreiche Publikum gefreut. Vom uralten ins hellblaue Freezers-Trikot gekleideten Ehepaar jenseits der 80 über Großfamilien im Einheitslook über Hardcore-Fans von der Statur eines Vierzigtonners über Jugendgruppen mit Justin-Bieber-Frisuren über anscheinend allein oder paarweise angereiste und großteils echt hübsche junge Frauen, die vielleicht darauf hofften, nach dem Spiel einem der Stars des Teams über den Weg zu laufen, zumindest waren sie teils aufgebrezelt wie für eine Nacht auf dem Kiez, war eigentlich alles vertreten. Das hatte ich so nicht erwartet.

Meine beiden Highlights des Rundgangs kamen in klein und extrem niedlich...


...und in eckig, bunt beschriftet und auf einer weißen Tischdecke.


So ein Käsesoßen-Automat sollte in keinem guten Haushalt fehlen! Ich war begeistert!

Ein weiteres Bier später saßen wir mit noch einem weiteren Bier, man will ja vorbereitet sein, auf unseren Plätzen, das Prozedere vor dem Spiel war beeindruckend, Laserblitze, die Namen und Konterfeis der Spieler wurden auf`s Eis projeziert, großes Kino! Ich war zu dem Zeitpunkt schon begeistert.


Das Spiel an sich war spannend, ist aber schnell erzählt.

Anstoß erstes Drittel, irgendwas passiert, 1-0 für die Freezers, "Juhuu Juhuu", mit der Klatschpappe klatschen (das Zeug ist recht lustig, man darf es aber nicht zu lange benutzen, denn sonst hat es was von Selbstgeißelung wie beim Albino-Mönch im "Da Vinci-Code" von Dan Brown), irgendwas passiert, Drittelpause.

Toilettengang und neues Bier und hübsche Frauen gucken.

Anstoß zweites Drittel, irgendwas passiert, Auftritt des Freezers-Maskottchens ein paar Meter neben uns,


irgendwas passiert, 2-0 für die Freezers, "Juhuu Juhuu", mit der Klatschpappe klatschen, über den Gegner lästern, "Wie, und das soll jetzt der Tabellenführer sein?", Strafe folgt auf dem Fuß, zack, Gegentor, nur noch 2-1 für die Freezers, Drittelpause.

Neues Bier und hübsche Frauen gucken.

Anstoß drittes Drittel, irgendwas passiert, 3-1 für die Freezers, Juhuu Juhuu, mit der Klatschpappe klatschen, über den Gegner lästern - Spielunterbrechung.

Spielunterbrechung aufgrund einer Werbeaktion des Engtanz-/Abschuss-/und Restefick-Schuppens "Thomas Read" auf der Reeperbahn. Halbnackte junge Frauen springen zwischen den Zuschauern auf der Gegengeraden umher und verteilen Freibier. Das ganze wird unterlegt mit schlechter RnB-Mucke. Nach einer Minute ist der fast schon peinliche Spuk vorbei und die Hälfte der Bierverteilerinnen ritzt sich in der Umkleide vermutlich erstmal ob des unwürdigen Nebenjobs... Das ein Spiel der höchsten deutschen Liga für sowas unterbrochen wird...wow. Ich wusste gar nicht, dass das überhaupt möglich ist.

Spielunterbrechung beendet, keine Halbnackten mehr zu sehen, irgendwas passiert, zack, Gegentor, nur noch 3-2 für die Freez...ZACK, Gegentor, oh, es steht 3-3. Das ging fix.

Auf ein Mal ist es recht still in der Halle. Das Spiel war schon gewonnen und jetzt das... In der Reihe hinter mir schlägt eine Hübsche die Hände vor`s Gesicht - allerdings wohl eher, weil sie sich zu Tode langweilt und ihr Kerl, komplett in hellblauer Freezers-Uniform gekleidet, seit über zwei Stunden kein Auge für sie hatte. Und wenn doch, dann erklärte er ihr, was grad auf dem Eis passierte - was sie aber so wenig interessierte, wie das momentane Wetter in Islamabad oder ob der Torwart des Gäste-Teams Linksträger oder Rechtsträger ist. Und er bemerkte es nicht. Dabei hatte sie sich extra hübsch gemacht, nicht billig "hübsch", sondern tatsächlich wirklich hübsch. Sie hatte sich den Abend wohl anders ausgemalt und ich habe so etwas wie Mitleid.

Ist aber egal jetzt, denn die Verlängerung geht los.

Angriff, Schuss, TOR, 4-3 für die Freezers, Juhuu Juhuu

Feierabend.

18 Sekunden Verlängerung, dann Tor, dann Schluss.

Spielende.

Ich bin verwirrt. Ich wusste ich nicht, dass es beim Eishockey ein "Golden Goal" gibt, welches im Fußball ja (zurecht) so grandios gescheitert ist, "Schland" durch Oliver Bierhoff aber dennoch 1996 einen Titel verschaffte.

Ausgang. Warten auf den Bus zur S-Bahn-Station. Nachtaufnahme.


Ab Richtung St. Pauli. Abschlussbier. Dann in die U3 und heim.

Aufschlag im heimischen Wohnzimmer gegen 1.15 Uhr. TV-Programm checken. Eine Lieblings-Serie läuft von 1.25 bis 4.00 Uhr.

Punktlandung! Rein in den Fernsehsessel, Chips links, Getränk rechts...

Ruhe. Zufriedenheit. Und Orgelmusik im Hinterkopf.

Dät-dät-däää-dät, dät-dät-däää-dät...DÄT-dät-däää-dät...DÄT-dät-däää-dät...Dädädädät-dädääää!

Die Schweineorgel. Wird ausgeschaltet. Im Kopf.

Ich habe nach wie vor absolut keine Idee von Regeln und wie was warum passiert. Und mir hat eine anständige Hauerei gefehlt, denn das gehört für mich zu einem Eishockeyspiel dazu.

Ansonsten: Großartig!

Da bin ich gern öfter dabei!

4 Kommentare:

  1. Huiii, endlich haste mal echten Sport genossen :D Und dann auch noch am Tag der Ladys-Night, wo Damen halben Preis zahlen, mit anschließender Ladys-Party im Thomas Read.
    Btw, Schweden ist aktueller Weltmeister im Eishockey.

    Aber das ist ja das coole, es gibt kein Unentschieden, nur Gewinner und Verlierer. Deshalb Verlängerung und/oder Penalty schießen...das musste ich meinem Freund auch erstmal erklären.

    Leider sind wir in Sachen Eishockey noch ein bisschen "vorsichtig", ich wage zu behaupten, das wir sogar regelrecht langsam sind, wenn man mal in Finnland oder Schweden war, dann kann man ein richtig gutes Spiel sehen, die machen keine halben Sachen. Heja Sverige och hyvää Suomi :)

    VG aus Ohlsdorf

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ah, die Ladies-Night erklärt dann natürlich die ganzen - nun ja, Ladies :) Wir haben uns tatsächlich gewundert, dass es beim Eishockey so eine hohe Frauenquote gibt! Das war wirklich erstaunlich :)

      Dass es bei Spielen in Skandinavien mehr zur Sache geht (vermutlich sowohl auf dem Eis als auch auf den Rängen), habe ich schon vermutet, ist ja schließlich National-Sportart. Das muss schon ein tolles Erlebnis sein! Bei den Freezers hat es mir aber auch sehr gut gefallen, wenn es sich ergibt, dann geh ich sicherlich mal wieder hin! Vorher vielleicht dann doch mal ein wenig schlau lesen, damit ich ansatzweise verstehe, was da eigentlich grad im Spiel passiert ;)

      Grüße aus Barmbek!

      Löschen
  2. Echt klasse geschrieben.
    Als wäre man dabei gewesen... ;-D

    AntwortenLöschen