Mittwoch, 21. August 2013

Allein in der U4

Montag Abend, die Eltern sind wieder gen Süden unterwegs, nachdem sie und ich vormittags aus dem niedersächsischen Nichts nach Hamburg in die große Stadt gefahren waren, um mich erstens wieder auf dem Heimatplaneten Barmbek-Nord abzusetzen und um zweitens, so Mutters Masterplan, wie ein personifizierter wildgewordener Hühnerhaufen die Mönckeberg- und die Spitaler Straße auf und ab zu flitzen, in der Hoffnung, ein paar Schnäppchen machen zu können.

Beides gelang.

Während Daddy den Familienkombi fluchend durch den Feierabendverkehr auf dem Ring 2 Richtung Autobahn steuerte, saß ich in meiner Bude und langweilte mich. Vier Tage lang Hektik und lauter Menschen um mich herum, dazu noch ein "Hund", der zwar nicht ganz normal, dafür aber umso liebenswerter ist und nun: Ruhe.

Nur der obligatorische Motorradfahrer auf dem Ring 2, der den Motor seiner Maschine so hoch reißt, daß man ihn vermutlich bis nach Eppendorf hören kann.

Ansonsten nix. Keine Mutter, die einen vom Sitzplatz vertreibt, weil noch der Tisch gewischt werden muss, kein Vater, der sich in den Vollbart nuschelt, kein "Hund", der einem grunzend um die Beine rennt um Aufmerksamkeit zu erhaschen und Streicheleinheiten einzuheimsen.

Dann kommt mir ein Gedanke: Ich hab ja noch das Gruppenticket des HVV, mit dem die Eltern tagsüber durch die Stadt gefahren sind und ich kann es ja bis nachts um 3 noch nutzen! Das eröffnet mir, der nur eine auf diverse Stadtteile begrenzte Monatskarte besitzt, ja ganz neue Möglichkeiten! Legal nach Poppenbüttel, Othmarschen oder zum AirPort fahren, ohne sich ständig Sorgen um lästige und verhasste Abgangskontrollen machen zu müssen, ein ungewohntes Gefühl.

Da das Wetter aber typisch hamburgisch ist (lies: Es regnet wie aus Eimern), fallen manche Optionen leider aus, liebend gerne wäre ich zum Beispiel auf einer Hafenfähre durch die Gegend gefahren, ein Mal mit der Linie 62 raus bis nach Finkenwerder oder mit der 64 bis nach Teufelsbrück und dann wieder zurück zu den Landungsbrücken. Aber Fähre fahren geht nur auf dem Oberdeck mit Wind um die Nase, im geschlossenen Unterdeck hat es nicht viel mehr Charakter als eine stinknormale S-Bahn-Fahrt. Bei Regen fallen Fährfahrten also aus. Mist.

Dann fiel mir ein, daß die U-Bahn-Linie 4 ja seit relativ kurzer Zeit fährt, von Billstedt bis in die HafenCity. Und die Station "HafenCity Universität" soll doch so prima beleuchtet sein mit von der Decke hängenden Quadern (ein verdammt hässliches Wort!), die in verschiedensten Farben illuminiert werden. Ich hatte davon Bilder im Internet gesehen und fand die Idee sehr schön, mit Illuminationen bin ich ja eh leicht zu ködern. Beleuchte irgendwas bunt, drei Minuten später steh ich staunend davor.

Also auf, zunächst zum Berliner Tor, von da aus wird U4 zur HafenCity gefahren und von dort geht es dann, wenn ich ganz mutig und nicht zu müde bin, bis raus nach Billstedt.

Die U4 fährt über den Hauptbahnhof und Jungfernstieg und ab dort wird es komisch. Denn alle steigen aus und ich habe den kompletten Zug für mich allein. Sechs Waggons, alle leer, außer mir, der wie immer im zweitletzten Waggon sitzt. Ich bin der einzige Passagier. Das ist wirklich ein sehr komisches Gefühl! In Horrofilmen taucht in solchen Situationen immer der maskierte Schlitzer auf und schlitzt auf. Ich bin mir ziemlich sicher, daß das keinen Spaß macht.

Noch dazu fährt die Bahn vom Jungfernstieg zur nächsten Station "Überseequartier" in einem groooßen Bogen unter der Stadt gefühlte fünfzehn Minuten, in Wahrheit sind es nur vier. In der Station warten einige Personen auf die Bahn in die Gegenrichtung, zu mir steigt niemand dazu. Eine gesamte U-Bahn nur für mich allein. Verrückt.

An der Endhaltestelle "HafenCity Universität" steige ich aus, der Fahrer, der auch aus seiner Kabine geklettert ist und die fünf Minuten bis zur Rückfahrt wohl auf dem Klo verbringen will, schaut mich verdutzt an. Er hatte wohl nicht mit einem Fahrgast gerechnet. Er verschwindet durch die Tür, die nur HVVer benutzen dürfen und nach der Bahn hab ich nun auch einen kompletten BahnHOF für mich!

Es ist niemand da! Ich könnte mich nackt ausziehen und Purzelbäume schlagen, es würde schlichtweg niemand bemerken...außer dem Bahnfahrer auf dem Scheißhaus vielleicht. Wenn er da ein Fenster hat.

Es herrscht absolute Stille. In einer U-Bahn-Station! In einer Millionenstadt! Es ist absolut skurril.

Die über dem Bahnsteig hängenden Quader beleuchten die Szenerie in lila, rot, blau, grün, orange, es ist schön anzusehen, allerdings nicht so schön, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte gedacht, die ganze Station sei in "farbiges Licht" getaucht, dafür ist sie aber ganz einfach viel zu groß. Die Farben reflektieren ein wenig von den Wänden, das wars. Schade, ich hatte mehr erwartet. Ich finde die Idee dahinter allerdings weiterhin richtig gut!

Ich habe mein Telefon gezückt und die letzten verbleibenden Akku-Reste für ein paar Fotos verbraucht, damit man einen kleinen Eindruck von oben beschriebenem bekommt. Es sind keine guten Fotos, aber besser als nichts.











(Das letzte Foto zeigt einen Ausgang der Station "Überseequartier". Mir gefiel das Motiv.)

Nach Billstedt bin ich dann nicht mehr gefahren. Ich war seit sechzehn Stunden wach und ziemlich im Eimer. Und außerdem wollte ich nicht nach Billstedt.

Und die bis in den nächsten Morgen geltende Gruppenkarte habe ich am Berliner Tor einer Gruppe irischer Touristen geschenkt, die die nächtliche Stadt erkunden wollte und alle herzten und drückten mich deswegen und schenkten mir zum Dank ein handwarmes Kilkenny in der Dose. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das trinken mag...ich denke nicht.

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