Sonntag, 27. April 2014

Ein Gastbeitrag von "bb-dd": Illustre Illustrierte und das Drumherum

Bevor ich bloggte, schrieb ich wie beispielsweise der Kiezneurotiker oder Tikerscherk (die aus gewissen Gründen ihren Blog grad geschlossen hat...ich habe aber Hoffnung, dass sich das bald wieder ändert!) auf einem inzwischen geschlossenen Bewertungsportal.

Ich habe mir dann überlegt, dass ich auf meinem Blog keine Restaurant-Bewertungen oder ähnliches machen möchte, hier möchte ich lieber persönlichere Texte, Alltagsgeschichten und dergleichen posten.

Dennoch wollte ich auch weiter bewerten und fand dafür das Bewertungsportal GoLocal.

Dort schreibe ich also hin und wieder mal wenig weltbewegendes Zeug, habe aber schon ein paar prima Menschen kennengelernt oder wieder entdeckt.

Unter anderem die mir schon zu Qype-Zeiten sehr sympathische "bb-dd" - ja, ich frage mich auch, was das Kürzel bedeutet. Ich habe eine (vermutlich nicht ganz falsche) Theorie, das war`s aber auch schon.

Auf jeden Fall hat sie bei GoLocal einen Text rausgehauen, den ich sehr abgefeiert habe. Inklusive Lachtränen und Schnappatmung.

Es geht um Zeitschriften. Auf Frauenthemen spezialisierte Zeitschriften, die in Wartezimmern von Arztpraxen oder bei Friseuren ausliegen und die sehr wahrscheinlich niemand lesen würde, lägen sie nicht grad eben da auf dem Präsentierteller.

"bb-dd" hat sich dem Thema mal angenommen. Und ich darf das Ergebnis hier veröffentlichen, was mich sehr freut:


Illustrierte (besonders die berühmten „Frauenpostillen“)sind wie Mc Donald’s und Dschungelcamp. Liest keiner, geht keiner hin, guckt keiner - dennoch existieren sie! Und vermutlich gar nicht mal so schlecht.

Böse Zungen behaupten, diese Gazetten seien nur erfunden worden, um den armen Friseurinnen zwischendurch eine wohlverdiente Pause von zuweilen nervigem Kundinnengequatsche zu ermöglichen. Ansonsten seien sie völlig überflüssig.

Falsch, liebe Kritiker! Die bilden! Echt jetzt!

Man stelle sich vor: Als Kandidat bei „Wer wird Millionär“ und an der Frage scheitern, von wem Heidi sich gerade getrennt hat. Die 50-Euro-Frage! Puppig leicht! Jeder weiß es! Nur DU nicht!

Da hilft doch nur noch die Papiertüte über dem Kopf beim nächsten Gang zum Bäcker. Ach, was sag ich: Zeugenschutzprogramm!

Oder bei der Diskussion in der firmeneigenen Teeküche nicht mitreden zu können, wenn erörtert wird, welche Robe das Model X neulich auf dem roten Teppich getragen hat-und welcher Schönheitschirurg für die Schlauchbootlippen von „Model und Schauspielerin“ Y verantwortlich zeichnet. Pein-lich!

Ich könnte jetzt natürlich behaupten, daß ich über all diesen Schwachsinn erhaben bin und beim Friseur meinen eigenen Lesestoff mitbringe. Das Handelsblatt, einen (ledergebundenen) Tolstoi oder zumindest ein Reclam-Heftchen im handtaschenfreundlichen Format. Im Internet kann man ruhig angeben; kennt mich ja kaum einer hier. Aber es wäre natürlich gelogen.

Friseur heißt Wellness! Und dazu gehört für mich auch, unter dem kuschelig warmen Climazon meinen Espresso zu süffeln, nicht ständig vom Telefon gestört zu werden und anspruchsloses Zeug zu lesen. Eben das, was der Friseur beim Lesezirkel im Abo hat. Gottlob sind nie Fachzeitschriften dabei, so daß ich kein schlechtes Gewissen haben muß, wenn ich doch zur „Trivialliteratur“ greife.

Die AMS kreist in der Regel im Herrensalon, da komm ich nicht dran. Bleibt die Wahl zwischen den verschiedenen Frauenzeitschriften. Und die Wahl der Qual.

Die Verlagserzeugnisse für die betagtere Damenwelt? Hier ist viel vom Adel die Rede, auch von Volksmusik. Themen, bei denen ich wirklich nicht mitreden kann. Aber durchaus amüsant, zwischen den Zeilen mit viel (unfreiwilligem) Witz geschrieben. Jesses! „Kronprinzessin Schneewittchens süßes Geheimnis!“ Nein, ich fass es nicht! „Versteckt sich da etwa ein Babybäuchlein? Eine enge Vertraute der Prinzessin lüftet nun das Geheimnis: Es wäre unter Umständen vielleicht möglich!“ Und eine Woche später erfahren wir vermutlich, daß das „süße Geheimnis“ wohl doch nur ein Stück Kuchen zuviel war -keine Ahnung, so oft geh ich nicht zum Friseur.

Frau Renates (wahlweise Monikas oder Klaras) Beratungsforum amüsiert mich immer besonders. „Mein Enkel hat „Scheiße“ gesagt-ich bin bestürzt über die Erziehung meiner Tochter“ oder „Er schlägt mich grün und blau-aber soll ich ihn wirklich verlassen?“ Da bastele ich mir immer gern im Geiste die Antworten zusammen, die ich auf so was verfassen würde-aber die würden natürlich nie in Druck gehen.

Das „Forum Gesundheit“ überblättere ich geflissentlich. „Woran erkennt man Gallensteine?“ Oder: „Die Warnzeichen für..“Alle jene Symptome stelle ich dann sofort fest und bin versucht, mit noch nassen Haaren direkt beim nächsten Doc einzuchecken.

Dann gibt’s noch die „Hochglanzzeitschriften“ mit ganz viel Werbung und vielen bunten Bildchen, die mir unbekannte Frauen in Gala-Plünnen zeigen. Zu lesen gibt’s da quasi nix, so daß ich diese Postillen in etwa 1 Minute durch hab und nach dem nächsten „Fachgebiet“ greife.

Eine Zumutung und scheinbar der neueste Schrei in der Welt des Printmediums: Die Zeitschrift für die „junggebliebene Frau“! Oha!

Verdolmetscht also: „Du bist über 40, also schmeiß noch mal ordentlich mit Konfetti, bevor dir der Sargdeckel ins Gesicht fällt! Falten sind toll; zelebriere sie, die Kerle gucken eh nicht mehr! Die Wechseljahre-kein Grund, den Strick am Fensterkreuz zu befestigen; sieh das Positive: Haarausfall, Hitzewellen, Depressionen und übelste Gewichtszunahme zeigen dir, daß du einen neuen Lebensabschnitt erreicht hast (also den letzten!)“

Nö, muß ich nicht haben. Mit diesen Themen befasse ich mich lieber, wenn’s so weit ist.

Bleiben die „gedruckten Freundinnen“ für das jüngere Damenvolk, die ganz große Zielgruppe für verkappte und offene Werbung. Werbung für jeden erdenklichen Mist! Und natürlich die Anleitungen für den einzig wahren (Life-)Style.

Da muß es in die Vollen gehen. Denn die Zielgruppe (Mittzwanziger/Anfangsdreißiger) kämpft bekanntlich an vielen Fronten. Optimalerweise perfekt geschminkt und gekleidet.

Diese Zeitschriften mag ich besonders. Was da abgeliefert wird, ist Realsatire vom Allerfeinsten. Wer das wirklich ernst nimmt, ist Burnout-gefährdet, ohne auch nur 5 Minuten gearbeitet zu haben.

Gertenschlank müssen wir sein! Größe 34 wär gut; Size Zero besser. Schließlich können wir über gefühlte 100 Seiten mehr oder weniger traumhafte Outfits an 15-jährigen Models anschauen und die zumeist elend teuren Plünnen dank der Bezugsadressen am Ende des Heftes käuflich erwerben. In Größe 42 kommen die alle nicht gut.

Moderne Frauen kochen göttlich, gern und mit leichter Hand; es ist mit den tollen Rezepten im Heft auch kein Problem, „nach dem Büro“ (von dem hier immer gern die Rede ist) ein 18-gängiges Menü für die vielen Freunde, Mann und Kinder zu fabrizieren. Selbst davon essen sollten wir natürlich nichts, sonst ist’s bald vorbei mit Size Zero.

Haben wir doch mal zugeschlagen, werden wir aber nicht im Stich gelassen: Diättipps gibt’s jede Woche neu. Die Zucchiniplempe kann man sich ganz zeitsparend anrühren, während „nach dem Büro“ die 4-stöckige Kuppeltorte für die vielen Freunde, Mann und Kinder auskühlt.

Trendy müssen wir sein! Und zwar jede Woche auf’s Neue! Denn die Trendscouts, die extra für uns die Clubs des Big Apple und andere mega-angesagte Örtlichkeiten durchforsten, geben sich wirklich Mühe. Peeptoes in Pink-Glitter, mit 16-cm-Plexiglasabsatz (ab 799 €)! Gummistiefel mit schrillem Schmetterlingsprint, toll zum Kostüm für die After-Work-Party! Die Goldlamee-Bikerjacke und der „mädchenhafte“ Blumenrock im A-Schnitt passen jetzt in LA am besten zur Netzstrumpfhose und „süßen Ballerinas“ im Audrey-Style!

Und nächste Woche dürfen wir Klamotten im Wert von zigtausend Euro in die Altkleidertonne schmeißen, denn dann sind die „angesagten Looks“ megaout. Und das wollen wir doch nicht..

Einen Top-Job müssen wir haben! Die Klientel der einschlägigen Gazetten schuftet niemals in der Werkstatt, niemals am Kranken-oder Pflegebett, niemals an der Wursttheke. Alles zu anstrengend und zeitraubend. Glamouröser ist „das Büro“ oder vielleicht noch „die Agentur“. Macht Sinn. Denn schließlich muß ja auch die nicht unerhebliche Kohle rangescheffelt werden, die man für den perfekten Style hinblättern muß.

Toll geschminkt müssen wir sein! Und das in jeder Lebenslage. Nach einem morgendlichen Wohlfühlbad mit Teelichten auf dem Badewannenrand und Räucherstäbchen, Peeling, Rasur und Eincremen beginnen wir mit der „Foundation“. Himmel, was ist das jetzt schon wieder? Der letztens „gelesene“ Artikel hat mich nicht wirklich darüber aufgeklärt; Eingeweihte wissen so was. Jedenfalls wurde eine Doppelseite mit den „Foundations, die wir jetzt dringend brauchen“ vorgestellt. Fast alles Nobelmarken,fast alles unermeßlich teuer. Daneben muß natürlich Make Up, Rouge, Concealer, Puder und dergleichen die letzte Pore verstopfen, bevor wir uns mit Kajal, Eyeliner, Eyeshadow, Antiglanzcreme und Wimperntusche zur Nofretete tunen-oder den „Nude Look“ anlegen, weil es eine besondere Herausforderung ist, sich stundenlang so zu schminken, daß jeder denkt, man wäre ungeschminkt. Weiter geht’s mit dem Lippenkonturenstift, dem Lippenstift, dem Gloss. Kaffeetrinken oder Essen im Büro ist damit natürlich gestorben. Leute wie ich müßten sich dann das lebensnotwendige Koffein eben mittels Infusion zuführen, und Essen macht eh dick (Size Zero!). Was tut man nicht alles!

Aber fertig sind wir noch lange nicht. Nach dem sorgfältigen Ankleiden mit den neuen oberheißen Klamotten müssen wir uns noch unseren Haaren widmen. Auch dafür gibt’s tolle Frisurentipps, die sich „ganz schnell und kinderleicht“ von einem Friseurmeister umsetzen lassen. Verspielter Haarknoten, eine Strähne für Strähne geglättete Mähne oder romantische Korkenzieherlocken?

Spätestens an dieser Stelle lasse ich das Blättchen sinken und verschlucke mich vor Lachen am Espresso.

Wer schafft das? Um so ein Programm „vor dem Büro“ abzuspulen, müßte ich den Wecker auf 2 Uhr nachts stellen, damit ich gegen 9 am Schreibtisch andocken könnte. Hat die Nacht der modernen Frau von heute mehr Stunden als meine?

A propos: Schlafen dürfen wir sowieso nicht! Ist wirklich mega-uncool. Nach der Schicht zur Couch schleppen? Niemals! Wir schleppen unsere 10 Kosmetikkoffer (einer dürfte bereits für die Foundations draufgehen) und unsere Coiffeurausrüstung mit ins Büro, um uns nach einem stundenlangen Sitzungsmarathon ein paar kühlende Kompressen unter die Augen zu schmeißen und auf After-Work-Party zu stylen. Die Stilettos trägt Frau von Welt ohnehin in jeder Lebenslage am Fuß oder im Staubbeutel bei sich.

Für die AWP das Muß, damit die Männer reihenweise umfallen: Zum tiefroten Lippenstift (Ihr Styleberater rät: Dramatischer Kußmund nie im Büro, erst später!) die nicht minder dramatischen Smokey Eyes. Hand auf’s Herz: Kriegt jemand von Euch die ohne Visagist hin?

Gegen 21 Uhr (denn wer Karriere machen will, muß Überstunden schrubben) schlagen wir dann in einer gerade in Insidermagazinen angepriesenen Lounge auf, kippen diverse Prosecci oder Cocktails und flirten, was das Zeug hält. Auch dazu bietet das Frauenmagazin tonnenweise lebensnotwendige Ratschläge.. Der Vollprofi verausgabt sich auf dem Dancefloor und tanzt die Nacht durch-die ohnehin schnell vorbei ist, denn allerspätestens um 3 müssen wir ja schon wieder in der Badewanne liegen, um uns „schön für’s Büro“ zu machen.

Ich fasse zusammen: Gefühlt einen halben Tag stylen, einen halben Tag shoppen, einen halben Tag tolle Menüs zaubern und die Bude saisonal dekorieren, stundenlang mit Freundinnen zum Chai Latte treffen, einen halben Tag unseren Mann bepuscheln und uns für seine Hobbies interessieren, einen halben Tag die Kinderschar bespaßen, anderthalbtage einen Managerposten ausfüllen wie ein Kerl oder besser, die Nacht mit Tanzen, Saufen und Flirten verbringen-alles in 24 Stunden. Hab ich was vergessen?

Von Fensterputzen, Bügeln oder Spülmaschine ausräumen ist natürlich nie die Rede. „Das bißchen Haushalt“ beschränkt sich in der quietschebunten Trendwelt auf Blumenstecken und Serviettenfalten. Haben die alle Personal? Muß wohl.

Wieviel man im Monat verdienen muß, um die Kosmetik nebst den allerneuesten „Düften“, die teuren Klamotten, den Clubeintritt, Sonnenstudio, Maniküre, Pediküre, das Personal und die unzähligen Accessoires zu bezahlen, mag ich nicht mal schätzen. Für Erbinnen oder reiche Ehefrauen mag das zu bewerkstelligen sein, aber wozu geistert dann ständig „das Büro“ „die Kollegin“ „der Chef“ und ähnlich unerfreuliches Vokabular durch die Postillen?

Highlights der letzten Friseurbesuchslektüre: „Das passende Portemonnaie für’s Büro“ (Hä??) und „Wann hatten Sie Ihr letztes Handpeeling?“ (Noch nie).

Und weil das alles so maßlos übertrieben ist, machen mir diese Blättchen auch so viel Spaß. Als Lebenshilfe ist das für mich gnadenlos untauglich. Smokey Eyes stehen mir nicht, meine Haare machen ohnehin, was sie wollen, welches Portemonnaie ich in meiner „Bürohandtasche“ habe, interessiert meinen Chef null. Allerhöchstens, was drin und seiner Ansicht nach stets zu viel ist. In Stilettos tun mir die Füße weh, für die angesagten Overknees bin ich zu klein.. Sollte ich doch ein klitzekleines bißchen deprimiert sein, wenn die Zeitung gelesen ist?

Keine millionisierten Wimpern! Kein diamantisierter Gloss-Shine in den Haaren (zumindest nicht mehr, wenn ich auf dem frisch frisierten Kopf einmal geschlafen wurde)!

Rauhe Pratzen, die niemand schütteln mag, weil ich wieder mal kein Handpeeling gemacht hab! Der Lippenstift auf der Kaffeetasse! Lidstrich verrutscht! Keine Gelnails! Billige Handtasche vom Trödel! Und nach „stundenlangen Sitzungsmarathons“ statt Salätchen und AWP Pizza, Glotze und Couch! Eine Schande ist das..

Und doch! Es könnte schlimmer sein. Mein Traum von der Journalistenkarriere hätte in Erfüllung gehen können. Und anstatt für „Geo“ oder schöne Reisemagazine durch die Welt zu jetten, könnte ich in der Redaktion einer Frauenzeitschrift sitzen, mit Todesverachtung dieses Zeugs schreiben müssen und mich abends (auf der Couch statt auf der AWP) mit dem Gedanken „Hast du dich dafür durch Abi, Studium und Volontariat gequält?“ in den Schlaf weinen;-))




Ein Äquivalent, in dem es dann um die auf Männer ausgelegten Blätter geht, ist bereits in Arbeit. Wurde mir gesagt. Und ich freue mich darauf und darf den Text dann hoffentlich auch wieder hier veröffentlichen - denn "bb-dd" zieht es leider nicht in die Welt der Blogger.

Ich finde das sehr schade.

4 Kommentare:

  1. Dass bb-dd keinen eigenen Blog hat, sondern ihre Brillanz immer noch auf einem kommerziellen Bewertungsportal verschwendet, ist an Tragik nicht zu überbieten.

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  2. @ underdog-
    sehe ich genau so.
    Sie kann einfach schreiben!

    @thorge-
    mein Blog ist wieder offen, für alle! Ich lass mich doch nicht unterkriegen ;)

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  3. @underdog: Die brauchen ab und an so ein Elfenbeintrum. Es dient der Realverortung.

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