Mittwoch, 15. Januar 2014

Gefahrengebiete

Zwei Wochen ist 2014 nun alt und viel ist bisher noch nicht passiert. Geschrieben habe ich fast gar nichts.

Kumpel F.´s Gesundheitszustand war bis jetzt das alles überstrahlende Thema des Jahres, ansonsten hat es nur für ein paar Ämtergänge gereicht und für ein paar kurze Seitenblicke darauf, was in der Nachbarschaft grad mal wieder so abgeht.

Einen langen, mit ungläubigem Kopfschütteln begleiteten Seitenblick habe ich der momentanen politischen Situation in meiner sogenannten Heimatstadt gewidmet. Das "Gefahrengebiet" in Pauli und Altona, das dann nun zunächst in drei kleinere "Gefahreninseln" - für mich bereits jetzt das "Unwort des Jahres" - aufgeteilt wurde, welche dann offiziell, ich meine, es sei am Montag gewesen, auch aufgelöst wurden. Alles wieder beim Alten also.

Denkste.

Denn die hamburger Polizei ist ja jederzeit befugt, eigenständig neue "Gefahrengebiete" aus zu rufen und die Cops, Entschuldigung, die hamburger Polizisten dürfen weiter fröhlich Personenkontrollen durch führen, wenn sie grad mal Lust dazu haben. Oder wenn der Lieblingsverein verloren hat und die schlechte Laune raus muss. Oder wenn die werte Ehegattin mal wieder nicht in Stimmung ist.

Scheißegal, rein in die Kampfmontur und draußen auf der Straße ficken. Und zwar jeden, der "verdächtig" aussieht.

Solche Leute, die im Winter einen Schal tragen zum Beispiel. Ein Schal ist verdächtig. Mitte Januar. Bei Wind und Regen. Verdächtig. Geht nicht. Nur böse Autonome tragen Mitte Januar einen Schal. Aus Vermummungszwecken. Zack, Platzverweis.

Oder dunkle Klamotten. Müssen nichtmal schwarz sein, dunkelblau, dunkelgrün, das reicht auch. Peng, verdächtig. Als Goth muss mans in Hamburg zur Zeit schwer haben. Oder als Emo. Obwohl, als Emo hat mans ja eh immer schwer. Man erlegt sich das "es schwer haben" ja quasi selbst auf. Jetzt hat mans eventuell noch ein bisschen schwerer als sonst. Einfach die doppelte Ritz-Ration und dann passt das.

Was GAR nicht geht, sind Kapuzen. Farbe egal. Die Freundin eines Kumpels haben sie in Altona gecasht. Als sie grad nach dem Laufen ins Wohnhaus eintreten wollte, während sie, da es regnete, eine Kapuze trug. Eine mintgrüne. Verdächtig. Es ist schon reichlich absurd und mehr als sinnbefreit, wenn man vor dem eigenen Wohnhaus ein 24-stündiges Aufenthaltsverbot wegen einer mintgrünen Kapuze, die gegen Regen schützen soll, kassiert.

Im Ernst, was soll das? Was denken sich die Cops, Entschuldigung, die hamburger Polizisten, wenn sie so eine Aktion durchziehen? Wenn sie eine Joggerin, die beim typischen hamburger Schietwetter eine (hellgrüne) Kapuze trägt UND grad im Begriff ist, in ihre eigenen vier Wände zurück zu kehren, vor der Haustür ansprechen, die Personendaten kontrollieren und wegen absolut NICHTS bestrafen? Gibt es IRGENDEINEN auch nur HALBWEGS logischen Grund für so eine Aktion?

Nein. Gibt es nicht. Sowas nennt sich schlicht und ergreifend "Schikane".

Mich selbst hat es am Montag Abend erwischt. Als das "Gefahrengebiet" und selbst die "Gefahreninseln" schon offiziell Geschichte waren.

Montag Abend gegen 18.30 Uhr lief ich auf dem Steindamm Richtung Lohmühlenstraße/Klinikum St. Georg, um dort F. zu besuchen.

Dunkle Jacke? Check. Dunkler Schal? Check. Dunkle Hose? Check. Verdächtig?

Check.

Sie werden mich wohl zum Stehen bleiben aufgefordert haben, da mir aber via Kopfhörer "August Burns Red" ins Hirn brüllten, habe ich das nicht gehört. (Und meine Kopfhörer hätte man sehen können, die sind nicht dunkel, dass sind so weiße Hipster-Dinger. Ja, ich weiß...bisschen peinlich.)

Also gab`s die Pranke auf die Schulter und als ich mich umdrehte, hatten zwei der insgesamt fünf Cops, Entschuldigung, der hamburger Polizisten, die Hand am Pfefferspray und am Schlagstock.

"Wir haben sie aufgefordert, stehen zu bleiben! Warum sind sie nicht stehen geblieben?" - "Ich habe Musik gehört. Laut." Auf die Kopfhörer zeigend: "Hiermit!" - "Wir müssen sie durchsuchen!" - "Und zwar weil...?" - "Weil sie sich verdächtig verhalten." - "Verstehe. Dunkle Klamotten und so. Ich sehe autonom aus. Wo versteck ich bloß auf die Schnelle meine Wurfgeschosse?"

Da guckt er doof, der Cop, Entschuldigung, der hamburger Polizist. Aber er berappelt sich schnell.

"Ausweis muss ich sehen!" - Ich hätte so gern gefragt, wie das Zauberwort heißt. Aber dem Cop, Entschuldigung, dem hamburger Polizisten, tropfte das Adrenalin schon aus den Ohren, man sah ihm an, das er grad nichts lieber wollte, als mich, den Asi, den rein optisch steineschmeißenden Asi zur Raison zu bringen.

"Nix Aufenthaltsverbot, direkt einknasten für 24 Stunden. Den linken Schmutz ordentlich ficken!", vielleicht hat er sowas gedacht. Zumindest sah er mich so an. Hätte er vor Geilheit gesabbert, es hätte mich nicht gewundert.

Ich habe ihm den Gefallen nicht getan und ihm statt einer weiteren "Diskussion" freundlich lächelnd meinen Perso überreicht. Coitus interruptus, Arschloch!

Den Platzverweis habe ich trotzdem kassiert. Verifizierter Name, verifizierte Adresse, keine Waffen oder ähnliches am Mann - alles vollkommen egal. In dieser Stadt reicht es momentan, wenn man eine Jacke oder einen Schal in der falschen Farbe trägt. Und sich eventuell in der "falschen" Gegend aufhält. Sowas kenne ich sonst nur aus Dokumentationen über Straßen-Gangs auf N24. In Oakland sollte man weder rot noch schwarz tragen, wenn man nicht erschossen werden möchte. Nur mal so als Warnung.

In Hamburg sollte man momentan bestenfalls einfach gar nichts tragen, dann lassen einen die Cops, Entschuldigung, die hamburger Polizisten wahrscheinlich in Ruhe. Wobei, Exhibitionismus steht auch unter Strafe, oder?

...

...

(Ich verurteile immer noch Stein-, Böller-oder-Flaschenwürfe auf Demos sowie Angriffe jeglicher anderer körperlicher Art auf Cops, Entschuldigung, hamburger Polizisten (und auch auf Beamte anderswo auf diesem Planeten) aufs Schärfste. Es ist ätzend, dumm und es bringt vor allem einfach mal NICHTS. Außer, dass die Springerpresse tags darauf wieder alle, die auf die Straße gehen, über den gewaltbereiten "böse Autonomen"-Kamm schert.

Raus auf die Straße zum Demonstrieren - JA. Dagegen sein, was hier in HH und anderswo grad so passiert - JA. Konstruktive Kritik am Status Quo - JA.

Randale, fliegende Steine, brennende Autos - NEIN.)

Platzverweis hin, Platzverweis her, drauf geschissen, ich habe Kumpel F. trotzdem wie geplant im AK St. Georg besucht und ihm erzählt, was mir passiert war.

Er hat sehr gelacht und mir die funktionierende rechte Hand zum fist bump hingehalten.

Es geht momentan bergauf mit ihm und nur das zählt!

12 Kommentare:

  1. Ugh, das nenn ich mal gelebtes Stanford-Prison-Experiment. Schade, dass man so direkt sehen kann, wie einzelne Cops ihre kurzzeitige Macht derart missbrauchen.
    Wenn mich einer bei Regen wegen der Kapuze, auch noch vor'm eigenen Wohnhaus, kontrolliert und mir einen Platzverweis reindrückt, wäre mir das eine Beschwerde bei den Vorgesetzten wert, weil unverhältnismäßig und unbegründet. Was soll sowas? Damit verhindert man doch gar nüscht, sondern sorgt nur noch für mehr Unmut bei den Unbeteiligten.

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    1. Guter Vergleich zum Stanford-Experiment, FrauJ! Ich musste auch an den Fall denken, denn ich sehe da durchaus Parallelen.

      Ich habe besagtem Mädel auch geraten, mal auf dem zuständigen Revier vor zu sprechen oder zumindest eine Mail zu verfassen, aber sie traut sich nicht so recht. Hat wohl ordentlich Respekt vor eventuellen zukünftigen Konsequenzen, da betreffendes Revier sich in direkter Nachbarschaft zur Whg befindet und wer weiß, wie die Kollegenschaft es findet, wenn einem der ihren "ans Bein gepisst" wird...

      Klar, hat ein bisschen was von einer Verschwörungstheorie, aber nach dem, was in letzter Zeit in der Stadt ab ging, ist ihre Befürchtung vielleicht gar nicht sooo weit her geholt....? Man weiß es nicht.

      Ich hätte mir das auch in keinem Fall bieten lassen. Soviel steht mal fest.

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    2. Ja, die Bedenken deiner Bekannten verstehe ich. Das unangenehme Gefühl ist schließlich bereits da und der Schaden angerichtet. Mir wäre da auch komisch, auf genau das Revier zu gehen und mich zu beschweren.
      Zumal m.E. diese ganze Aktion mit dem "Gefahrengebiet" doch die Falschen trifft. Ich finde das bedenklich, denn es erzeugt bei den Unbeteiligten nur Angst, Kälte und Misstrauen gegenüber den Staatsvertretern und letztendlich auch dem Staat selbst.

      Pauschal würde ich nicht sagen, dass Polizisten überwiegend simpel gestrickt wären. Ich kenne ein paar, die echt was können und auch noch versuchen "Freund und Helfer" zu bleiben, obwohl der Job hart ist (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/bundespolizei-in-geldnot-basteln-sie-sich-einen-papp-streifenwagen-a-790064.html).
      Allerdings gibt es leider auch die paar Polizisten, die eher "schwierig" sind... und solche Gefahrengebiete öffnen meiner Meinung nach einem Machtmissbrauch Tür und Tor.

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    3. Was sagt denn eigentlich der Bürgermeister dazu? Der gehört doch einer Partei an, die auf der Seite der kleinen Leute gegen Missstände vorgeht. Die sich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auf die rote Fahne geschrieben hat und Menschenrechte über alles stellt?

      Wahrscheinlich eine rhetorische Frage...

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    4. Hallo FrauJ, danke für den Link! Der Text war mir bisher unbekannt, ich hatte schon einiges diese Reglementierungen etc betreffend gehört/gelesen, aber das es teilweise so krasse Ausmaße annimmt, hatte ich nun nicht gedacht. Da kann man nur mit dem Kopf schütteln.

      Ich habe natürlich auch schon gute bis sehr gute Erfahrungen mit Polizeibeamten gemacht, das wollte ich nicht unterschlagen! Da war durchaus schon der ein oder andere tatsächliche "Freund und Helfer" dabei und darüber war ich immer sehr froh und dankbar. Wahrscheinlich bleiben wie fast überall auch hier die negativen Erfahrungen weitaus länger im Gedächtnis als die positiven. Der Polizist nimmt mich (genau wie ich ihn) im Nachhall der Demos der letzten Wochen vielleicht momentan einfach anders wahr und assoziiert eher negatives (er den Randalierer, ich den Robo-Cop) als positives (er den hilfsbereiten Zeugen, ich den Freund und Helfer). Ich bin kein Psychologe, aber ich denke, das ist schon ein Stück weit Kopfsache.

      Die wie du schön formulierst "schwierigen" Beamten werden momentan ihre helle Freude haben und ihre neuen Möglichkeiten mit Eifer ausnutzen, was ihren (zahlreichen) Kollegen, die einfach nur einen guten Job machen wollen, eben das wahrscheinlich extrem erschwert. Genau so verhält es sich auf der anderen Seite, eine Minderheit wirft Böller oder Flaschen und direkt steht jeder, der ansatzweise nach linker Denke aussieht (und sei es nur des schwarzen Schals wegen), unter Generalverdacht.

      Die schwarzen Schafe auf beiden Seiten, wie viele auch immer es sein mögen, machen da so einiges kaputt.

      Was das altonaer Mädel angeht, mein letzter Wissensstand ist, dass mein Kumpel mal bei der Wache vorsprechen wollte. Ich glaube sogar, dass er das heute...bzw gestern (Wahnsinn, ich habe vor 0 Uhr mit dem Tippen begonnen. Wo ist die Zeit hin?!) tun wollte. Habe aber noch nichts von ihm gehört. Vielleicht gibt es dazu bald Neues zu berichten.

      Schönen Samstag!

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    5. Hallo "Anonym", da stellst du eine gute Frage! Ich muss gestehen, ich weiß nicht, ob der Herr Bürgermeister sich zu der Thematik geäußert hat. Ich gehe davon aus, habe aber nichts in der Richtung gelesen (oder es ist einfach nicht hängen geblieben). Kann mir nicht vorstellen, dass dazu geschwiegen wurde - andererseits würde das aber ja zum momentanen Chaos in der Stadt passen.

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  2. Respekt, dass Du Dich so gut unter Kontrolle hattest. Ich kriege immer Blutrausch wenn mich ein so ein geistig minderbemittelter Prügel-Bulle, äh Pozilist, anspricht. Meistens kriegen die dann irgendwann mit, dass ich sie verarsche und auf die Sinnlosigkeit ihres Daseins hinweise. Dann werden die richtig aggro und ich wünschte mir ich hätte mich zurückgehalten.

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    1. Ich habe auch innerlich gekocht und wild geflucht, aber ich habe, nach dem solche Situationen zwei, drei Mal eher doof endeten, mit der Zeit gelernt, mich ruhig zu verhalten. Gern auch mit nem (natürlich gefakten) Lächeln und nem flotten Spruch auf den Lippen, bisschen Ironie, bisschen Sarkasmus, so Sachen, die der durchschnittliche Streifeschieber meist nicht bemerkt. Immer schön "bitte" und "danke" und "Einen schönen Tag noch, Herr Schutzmann"...manchmal sieht man dann an deren Blick, dass sie selber innerlich auch kochen, das aber deutlich schlechter verstecken können als man selbst. Dann muss ich immer sehr grinsen. Dem Cop direkt ins Gesicht ;)

      Meine Erfahrungen mit Pfefferspray und "zu Boden bringen" habe ich gemacht (Schlagstock glücklicherweise noch nicht, toi toi toi), ein Mal reicht, das willste nicht öfter haben.

      Subtilität ist schon was Feines!

      "Ich krieg Blutrausch!" gefällt mir übrigens echt gut! Kannte ich noch nicht!

      Wenn Du mal wieder "Feindkontakt" hast - stay safe! ;)

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    2. Leichter gesagt als getan. Dein Beispiel zeigt ja wieder exemplarisch, dass Pozilisten im Allgemeinen nicht die hellsten Kerzen auf der Torte sind. Wer den kausalen Zusammenhang zwischen Kopfhörern und ausbleibender Reaktion auf ein Kommando nicht herstellen kann ist einfach nur dumm. Dumme Menschen machen mich rasend. In dem Fall sind diese dummen Menschen vom System auch noch mit Sonderechten ausgestattet. Es hat seinen Grund, weshalb die Einstellungskriterien bei der Pozilei auf körperlicher Fittness und nicht auf geistiger Leistung basieren: dumme Menschen lasse sich besser führen.

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    3. Vermutlich wirst du damit den Nagel auf den Kopf treffen. Ich kenne die Einstellungskriterien nicht genau, ein Großteil der Streifeschieber, mit denen ich bisher in Kontakt (sowohl negativer als auch positiver Form!) gekommen bin, waren doch eher..."simpel gestrickt". Das ist wahr.

      Vielleicht habe ich mir diese "Selbstkontrolle" im Laufe der Zeit während meines letzten Jobs angeeignet, die Klientel, mit der ich da zu tun hatte, war gelinde gesagt tragisch. Da kam man mit Argumenten etc nicht weit, das lief straight gegen die nächste Wand. Ich hab mir angewöhnt, den Gegenüber einfach reden zu lassen, nett zu lächeln und "Fick dich, Arschloch!" zu denken. Das spart eine Menge Nerven. Aber neeh, ist manchmal nicht leicht, da haste Recht.

      Hab einen guten Start ins Wochenende!

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  3. Kind wurde neulich- in der Schanze wohnend- kontrolliert, weil schwarz gekleidet. Zimmermannskluft. Berufskleidung, also. Macht nix: schwarz und jung ist verdächtig genug.

    Es ist nicht mal mehr mit "absurd" zu beschreiben, was die schwarzen Staatsdiener sich da grad erlauben (dürfen!)


    Die HH Exilantin

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    1. Und dabei sollte man doch wirklich meinen, dass eine Arbeitskluft von Freizeitklamotten relativ deutlich unterscheidbar ist. Ich zumindest habe damit absolut keine Probleme. Aber ich trage ja auch keine Uniform...

      Gab`s noch den allseits beliebten Platzverweise dazu oder kam dein Kind ungeschoren davon? Der/die Arme hat es sicherlich in den letzten Wochen nicht leicht gehabt. Ich zumindest war ganz froh, ein Stück weit weg von der Schanze zu wohnen. Ich erinnere mich noch an die Mai-Krawalle 2008, als mein Viertel Hauptschauplatz war und in meiner Straße die Mülltonnen brannten und die Robo-Cops vor der Bude vorbei sprinteten - regelmäßig (wie in der Schanze) bräuchte ich das echt nicht.

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