Samstag, 30. November 2013

Santa Pauli:Weihnachtsmarkt, Touris und Schwengel aus Schokolade

Als Kollege O. meinte, wir könnten nach einem gemeinsam besuchten Handballspiel den Abend ja bei einem Getränk auf "Santa Pauli", dem "geilsten Weihnachtsmarkt der Stadt" auf dem Spielbudenplatz direkt an der Reeperbahn ausklingen lassen, dachte ich zuerst an einen Scherz.

Das ich die Reeperbahn nicht leiden kann und das dort herumlaufende Volk oft am liebsten fies lachend mit einem Leopard-Panzer höchstpersönlich überrollen wollen würde, wenn ich es denn dürfte, sollte inzwischen bekannt sein...

...ist O. aber egal.

"Wird dir gefallen, der Markt. Im Ernst!" sagt er. Und ich nicke schwach und gutgläubig.

Jetzt muss man wissen, dass ich was Weihnachtsmärkte angeht, ein absoluter Spießer bin. Mir reichen ein paar gemütliche beleuchtete Buden mit leiser Musik und anständigem Glühwein zu anständigen Preisen. An einem Alsterfleet im Hamburger Innenstadtbereich gibt es so einen Weihnachtsmarkt, klein, gemütlich, von Touristen verschont, zusammengefasst: Große Klasse!

Doof und orientierungslos wie ich aber nunmal bin, finde ich den nicht mehr wieder. Das nervt mich, lässt sich aber nicht ändern.

Einer der meiner Meinung nach tollsten Weihnachtsmärkte, auf dem zumindest ich je gewesen bin, ist der auf dem Berliner Gendarmenmarkt, zwar hat man dort auch die eine oder andere Touristengruppe und zahlt sogar einen Euro Eintritt, aber das Ambiente holt das lässig raus. Der Deutsche und der Französische Dom sind feierlich beleuchtet, der Brunnen mitten auf dem Platz ebenso, auf den Stufen hoch zum Schauspielhaus singt ein Chor stimmungsvolle Lieder und es gibt (natürlich zu vollkommen wahnwitzigen Preisen) einen Haufen leckeres Zeug zu kaufen (oder zum mehrfachen Probieren, um es dann nicht zu kaufen).



Natürlich surft der Markt voll auf der touristischen Welle mit, mir gefällt er aber trotzdem. Liegt vielleicht daran, dass ich in der Hauptstadt immer noch ein wenig touristisch unterwegs bin - anscheinend zumindest dann, wenn es um Weihnachtsmärkte geht.

Hier zuhause in Hamburg würde ich freiwillig keinen Fuß auf die Märkte auf dem Rathausmarkt, auf dem Gänsemarkt oder am Jungfernstieg setzen, lieber verbrenne ich mich demonstrativ in einer Rentier-Uniform selbst. Über den schlimmen Weihnachtsmarkt in meiner Nord-Barmbeker Nachbarschaft wollen wir mal lieber gar nicht erst ein Wort verlieren...

Jetzt also "Santa Pauli" direkt an der Reeperbahn.

Ich bin alles andere als optimistisch und hätte ich nicht vorm und beim Handball bereits ein paar Bier gehabt, ich hätte Kollege O. vermutlich den Vogel gezeigt und wäre heim gefahren. Da er aber sehr enthusiastisch ist...

Vom "Santa Pauli" genannten Weihnachtsmarkt auf dem Kiez hatte ich bisher ein klares Bild. Touris, Titten, unlustige Schlüpfrigkeiten. Halt voll auf das Volk ausgerichtet, dass die Reeperbahn so bevölkert. Normale Menschen findet man dort ja so gut wie gar nicht und ich bin extrem ungern dort...ich lauf da nur ab und an durch, wenn ich auf dem Weg zu meinem Lieblings-Club unten am Hafen bin. Die Reeperbahn und ihre Seitenstraßen finde ich durchweg gruselig.

Wir betreten den Markt und der erste Eindruck ist - positiv. Ich bin verwirrt. An sich hatte ich mir vorgenommen, direkt laut los zu pöbeln. Das fällt aus.

Eine Band spielt Musik. Deutsches Indiezeugs, Vorbilder "Jupiter Jones" oder "Wir sind Helden". Vielleicht auch wuargs! Tim Bendzko. Nicht weihnachtlich, aber ganz gut. Habe ich schon schlimmer gehört.



Wir schlendern über den Markt auf der Suche nach einem Bier für O. oder einem weißen Glühwein für mich.

Auf dem Weg findet sich so einiges.

Es gibt ein Porno-Casting...Karaoke...



...und Penisse aus Schokolade in verschiedenen Farben...



...oder als Seife.



Es gibt auch was zum dran lutschen!



...zum Beispiel einen leckeren Salmiak-Lollie! Der hat natürlich nur aus Versehen und mit viel Phantasie die Form eines männlichen Genitals. Klar. Is ja n Weihnachtsmarkt hier, keine Erotik-Messe.

Apropos Genital: Wer auf dortige Behaarung steht, diese aber nicht selbst anzüchten kann...auch dem wird hier geholfen.



Das grelle Hintergrund-Pink sei bitte entschuldigt, das war nicht meine Idee. Das Bild lässt vermutlich jeden fünften, der es anschaut, erblinden. Eins, zwei, drei, vier...du bist!!

Falsches Schamhaar kostet allerdings einen Batzen:



Schlecht lesbar auf dem Bild: Das Toupet "Heidi" (das mit den Zöpfen, ich nenne es "Wikinger") kostet 46,50€, alle anderen Toupets kosten "nur" 39,50€. Jetzt frage ich mich, wer solchen Scheiß kauft? Wo das ja auch so realistisch aussieht...

"Hey Schatz, wir sind jetzt schon so lange zusammen und ich dachte, ich frische unser Liebesleben mal etwas auf. Deshalb hab ich mir für nur 46,50€ auf dem Weihnachtsmarkt ein Schamhaartoupet gekauft und mit Sekundenkleber über den Schritt gepappt und guck mal, jetzt seh ich untenrum aus wie ein Wikinger! Oder wie "Yosemite Sam", den magst du doch so!"

Brrrrrrrr.... Bei dem Gedanken wird mir kalt...

Kalt. Glühwein!



Der erste Glühwein des Jahres! Wieder voll entgegen meiner selbst erdachten und auferlegten Regeln, Glühwein trinke ich eigentlich erst nach dem ersten Advent UND nachdem ich zum ersten Mal "Last christmas" von "Wham!" im Radio oder TV gehört habe.

Regeln sind zum Brechen da, zum ersten Mal seit in etwa immer gab es den ersten Glühwein vorm ersten "Last christmas", auf das ich übrigens wunderbar für den Rest meines Lebens verzichten könnte.

Natürlich waren die spärlichen 0,25 Liter weißen Glühweins ein VERDAMMT teurer Spaß, da kommt er wieder durch, der Touristenfallen-Hintergrund. 3,80€ plus 2€ Becherpfand habe ich gezahlt (normaler roter Glühwein: 3,30€)...grausig!! Das ist mehr als ambitioniert! Aber geschmeckt hat es mir, wenigstens das.

Als ich die nun leere Tasse zurück gab, fiel mir auf, dass es selbst auf den Pfandmarken nicht ohne zweideutige Zote geht.



Santa Pauli, "der geilste Weihnachtsmarkt der Welt!"

Ins Strip-Zelt, welches zwar nichts mit Weihnachten oder Markt zu tun hat, dafür aber umso mehr mit St. Pauli, haben wir es nicht geschafft. Es fehlt mir ehrlich gesagt auch nicht. Pauli ist nicht wirklich mein Fall. Pauli und meinen Kiez trennen Welten und das ist gut so.

Aber den Weihnachtsmarkt "Santa Pauli" habe ich mir komplett anders vorgestellt. Mehr nackte Haut, mehr Silikon, mehr Sinnlosigkeit, mehr Stumpfsinn, mehr gröhlendes tittengeiles Touri-Volk mit der Kamera im Anschlag.

Ist (noch) nicht so!

Ich bin überrascht und gleichzeitig beruhigt.

3 Kommentare:

  1. Schniedelseife....was für ein Wort.

    Der Markt am Gendarmenmarkt kostet, glaube ich, mittags/am frühen Nachmittag keinen Eintritt. Ich war dort nur einmal, mir ist der irgendwie zu klein. Der Markt am Schloss Charlottenburg ist übrigens auch sehr schön.

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    1. Das kann sein Amelie, ich meine auch, ich hätte so etwas gelesen. Bin grad zu faul zum Googlen... Allerdings ist der Vormittag jetzt nicht so meine Weihnachtsmarkt-Zeit ;) Wenn überhaupt, dann am Abend, wenn alles beleuchtet ist.

      Den Markt am Schloß Charlottenburg kenne ich nur von Bildern, sieht schön aus, den möchte ich mir auf jeden Fall auch mal ansehen. Dieses Jahr wird das leider nichts werden, ich schaff es erst nach Weihnachten wieder in die Hauptstadt.

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  2. Ich mag St. Pauli eigentlich, aber das hier geht gar nicht. Schöner Rant übrigens. :)

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