Mittwoch, 29. Mai 2013

Kerzenlicht-Blues und Metallica.

Am späten Freitag Abend laufe ich vom Supermarkt meines Vertrauens heim, es regnet und ich habe natürlich erstens eine Sommerjacke an (es ist Mitte/Ende Mai, da ist das theoretisch nicht so ganz falsch) und zweitens liegt mein Regenschirm (den ich mal in der S-Bahn fand, ich hätte mir im Leben keinen eigenen gekauft) ganz entgegen seiner eigentlichen Bestimmung schön warm und trocken auf der Kommode im Flur.

Perfekt.

Ich laufe die Fuhle entlang, dann kreuze ich den Parkplatz unter der Brücke des Ring 2, der fast ganz Hamburg durchquert und auf dem gern mal Biker oder Fahrer von Schwanzverlängerungen das Gas richtig hochreißen, was ich dann in meiner Wohnung höre. Nachts finde ich das sehr angenehm. Es gibt, das ist mein vollkommener Ernst, zum Einschlafen nichts entspannenderes, als Großstadtlärm. Oder Regen. Heut Nacht hab ich beides.

Die Autos flitzen vorbei, zur Linken bauen sich die typischen Barmbeker Rotklinkerbauten auf und ein paar Meter vor mir seh ich ein flackerndes Licht. Das gehört da nicht hin. Das war noch nie da.

Ein paar Schritte später entpuppt sich das Licht als einsame Kerze im fast schon schaufenstergroßen Fenster einer Erdgeschosswohnung, die in der letzten Woche noch leer stand.

Jetzt beleuchtet die Kerze schwach einen Raum, in dem nur ein Tisch, einige Stühle mit stoffbezogenen Sitzflächen und irritierenderweise ein großes Holzfass stehen. Auf dem Fass eine kleine Musikanlage, die Jazz/Blues in den Raum dudelt. Vier Personen sind im Raum, zwei Männer, zwei Frauen, alle um die 50 und alle elegant gekleidet, die Männer mit weißem Hemd, dunkler Weste samt Einstecktuch und dunkler Stoffhose, die Frauen in dunklen Abendkleidern. Ein Paar tanzt im Takt der Musik durch den sonst leeren Raum, das andere prostet sich mit Weingläsern zu.

Es ist skurril.

Wär da nicht diese semimoderne Stereo-Anlage, ich hätt mich in nem anderen Jahrzehnt gewähnt. Total abgefahren!

Sowas kenn ich aus dem Fernsehen, selbst in Berlin hab ich das noch nicht erlebt.

Und dann in Barmbek?

500 Meter von meiner Wohnung entfernt?

E.T.'s Ankunft eben hier ist in etwa genau so wahrscheinlich...

Ich hab sicher ein paar Minuten vor der Fensterscheibe im Regen gestanden und zugeschaut. Entweder wurde ich nicht bemerkt oder denen da drin war es einfach egal. Das Geschehen dort hatte was! Solche Anblicke erwarte ich hier in meiner Hood einfach nicht. Hat mich kurzzeitig ziemlich in seinen Bann gezogen.

Als ich weiter ging, wurde ich recht schnell aus meinen nächtlichen Tagträumen gerissen.

"Exit light! Enter night! Take my hand! We're off to never never-land!"

Metallica. "Enter sandman". In vollster Lautstärke. Mein viertliebstes Lied der Band. Riss mich komplett aus meinen Gedanken.

Hinter der Fensterscheibe, wieder im EG, schüttelt einer die Mähne, headbangt, als gäb's kein morgen mehr, zeigt die Pommesgabel* und gibt einen Scheiß drauf, was Nachbarn, Passanten oder sonstige von ihm halten. Die Haare fliegen, der nicht zur Pommesgabel erhobene Arm spielt Luftgitarre, Wacken goes Wohnzimmer. Geil!!

Das ist Barmbek wie ich es liebe! Hart und mit der "drauf geschissen-Mentalität". Zehn Meter weiter wird im Kerzenlicht herumgeschwoft. Geht beides. Auf einem Haufen.

Hier geh ich nie wieder weg. Es sei denn, es geht nach Berlin.

Und da würd ich das hier, dieses Dorf innerhalb eines 1,7-Millionen-"Dorfes", dann vermissen. Barmbek, my love...


*Pommesgabel: Ich kann leider mal wieder nicht verlinken, daher bei Interesse einfach mal selber...und so.

http://de.m.wikipedia.org/wiki/Mano_cornuta

Dienstag, 28. Mai 2013

Drei Wochen drüber

Zum Glück nicht die Lebensabschnittsgefährtin. Das wäre ein wenig ungünstig.

Das es sich um die gute Salami eines namenlosen Discounters handelt, die ihre Mindesthaltbarkeit um satte 22 Tage überschritten hat, find ich dann allerdings auch wieder nicht so angenehm.

Gestern zum Fernsehabend sollte es noch eine Kleinigkeit sein und grad, als ich herzhaft ins belegte Brötchen beißen wollte, fiel mein Blick aufs auf die Salamiverpackung gedruckte Ablaufdatum.

06.05.2013.

"Moment, die hast du doch erst am Samstag (25.05.) gekauft?!?" hab ich gedacht, hielt das Ganze aber zuerst für einen Etikettierfehler - und hab statt Brötchen Schokolade gegessen.

Heut also wieder in die Filiale und guck an, da stehen drei weitere fast volle Kartons, die auch alle laut Aufdruck theoretisch Anfang des Monats den Weg alles Irdischen hätten gehen sollen, stattdessen aber immer noch im Kühlregal auf Käufer warten.

Das wollt ich dann doch genauer wissen.

"Guten Tag, mein Name ist Fährlich, ich kaufe hier ein! ... Haben Sie mal wieder den Praktikanten an die Etikettiermaschine gelassen?"

"?"

"Na hier! Vorletztes Jahrhundert abgelaufen. Fast zumindest. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?"

Da wurd die gute Frau Mitarbeiterin dann leicht hektisch und durchwühlte die übrigen Kartons auf der Suche nach dem Fehler, es führte zu nichts.

"Neeh neeh, wir kriegen das schon so angeliefert. Wenn das da so drauf steht, dann ist das Zeug seit so drei Wochen kaputt! Alles auf den Müll!!"

Anscheinend werden bei diesem Discounter die Mitarbeiter besser überwacht, als die Ablaufdaten der Ware...

Ich stell mich ja sonst nicht so an, paar Tage drüber ist kein Problem, das geht (meist) noch klar, zumindest, wenn ich's aus dem eigenen Kühlschrank fische.

Aber drei Wochen?

Im Supermarktregal??

Das find ich dann doch ein bisschen übertrieben...

Montag, 27. Mai 2013

Die Bitch in der Bahn

Früher Sonntag Morgen. So gegen 1.30 Uhr. Heimweg.

Das Heimspiel in Wembley zwischen Pest und Cholera war sehenswerter als erwartet und zu meiner Verwunderung und Erleichterung sind so gut wie keine betrunkenen Fußball-Schreihälse unterwegs, ich sehe nur zwei Mädchen mit Bayerntrikots und Sektpulle und einen Typen in schwarz-gelb, der gesenkten Hauptes auf einer Treppe hockt. Ob er trauert oder sich übergeben muss, kann ich nicht erkennen. Es ist mir auch vollkommen egal.

Ich stehe auf dem Bahnsteig der U Sternschanze und warte. Vier Minuten noch.

Ein paar Meter weiter steht eng umschlungen ein Pärchen, sie so 22, er so 24. Sie komplett in schwarz, Lederjacke, Leggings, schwere Doc Martens und den unvermeidlichen Hipsterinnen-Dutt auf dem Kopf, der so gar nicht zum Rest passen will. Er hingegen ist farbenfroh gekleidet. Die sich anziehenden Gegensätze und so.

Beide können die Finger nicht voneinander lassen. Es wird geknutscht, gefummelt, am Ohrläppchen geknabbert, selbst wenn man wollte, man könnt's nicht übersehen.

Eine Gruppe Halbstarker beobachtet feixend, andere sehen eher genervt aus, einige schauen angeekelt. Kann man wohl als Neid interpretieren.

Und ich denk mir "Alter, der Typ wird heut Nacht noch verdammt glücklich!"

In der Bahn geht es so weiter.

Kurz vor der U Hoheluftbrücke wird's noch leidenschaftlicher, man könnte meinen, die beiden haben irgendwo eine Kamera versteckt und geben jetzt alles.

Die Bahn hält, er drückt sie an sich, schaut ihr verträumt in die Augen, sie strahlt zurück, eine letzte Umarmung, dann steigt er aus.

Das überrascht mich. Doch kein happy end für ihn.

Sie winkt, wartet, bis sich die Bahn in Bewegung setzt und den Bahnhof verlassen hat, setzt sich dann auf die freie Bank mir gegenüber, schaut mich an, lächelt unglaubwürdig schüchtern und guckt dann dreißig Sekunden lang Löcher in die Luft.

Dann holt sie ihr Handy aus der Tasche und drückt die Schnellwahltaste.

"Hi Süße, ich bin ihn endlich los! ... Ja, hat was gedauert. Der denkt echt, ich würd was mit ihm anfangen! Krass oder?? ... Ja, bin gleich bei dir! Dann Sekt und dann suchen wir uns richtige Kerle, heut mal China Lounge, ja?"

An der Kellinghusenstraße steigt sie aus, das Handy noch am Ohr, sie lächelt noch einmal schüchtern rüber und ich frag mich, wer ihr das jetzt eigentlich noch abkaufen soll?

Als sie die Bahn verlassen hat, prusten zwei Mittzwanziger im Sitzabteil gegenüber los, der eine presst von Lachkrämpfen geschüttelt "Meine Fresse, was für ne Schlampe!" hervor.

Fast möchte man zustimmen..

Samstag, 25. Mai 2013

Skandal im Sperrbezirk!

Seit gut sechs Wochen herrscht Verwirrung in der Nachbarschaft. Unsicherheit. Hinter vorgehaltener Hand wird getuschelt, die Köpfe werden zusammen gesteckt und manch einer wurde schon puterrot vor Scham, Entrüstung, schaute ungläubig, war sprachlos vor Entsetzen oder Überraschung.

Es ist passiert! Das Unaussprechliche ist geschehen! Hier bei uns, diesem Dörfchen Fuhle-Kiez im Dorfe Barmbek-Nord im recht groß geratenen Dorf Hamburg. Mitten unter uns und keiner hat was bemerkt.

Und es hätte auch niemand was bemerkt, wäre da nicht dieses Fenster im Parterre zwei Häuser die Straße hoch, das seit sechs Wochen nachts immer schön rot beleuchtet ist.

"Skandal im Sperrbezirk! Skandal um Rosie!"

Jawoll, es ist soweit! Wir haben einen Nachbarschaftspuff!

Nicht, daß mich das jetzt allzu sehr betreffen oder erfreuen würde, mir geht die Sache relativ am Heck vorbei...aber die allgemeinen Reaktionen sind der Knaller! Solch Getuschel und solche Gerüchteküche hab ich nicht mehr erlebt, seit ich anno '98 aus meinem 2000 Seelen zählenden Heimatdorf im niedersächsischen Nichts, wo jeder alles über jeden wusste und weitertratschte, abgewandert bin, selbst Studentenwohnheime oder ähnliche Mikrokosmen reichen nicht an das Empörungspotenzial heran, das in meiner Nachbarschaft im Moment fast greifbar ist. Als sei die Luft damit aufgeladen.

Vor allem die Alteingesessenen und die RICHTIG Alteingesessenen, die, die hier seit schon immer wohnen, die hier ihren wohlverdienten Lebensabend verbringen und für die ich nach 11,5 Jahren immer noch im Prinzip "der Neue" bin, die gehen richtig ab.

Kittelschürze trifft Cord-Hut trifft Gehstock auf der Kopfsteinpflasterstraße und dann geht's los! "Damals...!" - "Jaaa, damals!!" - "Besser war's!" - "Jaaa, besser war's!" - "Viel besser!!" [in meinem Kopf hör ich diese Wortfetzen grad in Dieter Nuhr's Stimmlage. Kommt gut!] Dazu immer wieder Kopfschütteln und verächtliche Blicke in Richtung betreffender Wohnung.

Vor vierzig Jahren hätten sie sich vielleicht aus Protest noch am zum Haus gehörigen Mülleimer angekettet oder wäre auf den Eingangstreppen in den Hungerstreik getreten, heute geht nur noch Kopfschütteln und Tuscheln.

Und böse Blicke, aber die gehen ja immer. Die kriegt auch jeder ab, der an betreffendem Haus auch nur vorbei läuft, ohne sich einen Scheißdreck um das rote Fenster und die leise Musik, die von dort zu hören ist, schert. Ab jetzt ist jeder, der sich nähert, direkt ein Puffgänger. Ich lauf täglich mehrmals vorbei, "der Neue" dürfte dann jetzt in Augen der in die Jahre gekommenen Nachbarschaft endgültig unten durch sein. Wie schade...

Meine liebe Omi mit ihren 83 Jahren hat sich übrigens scheckig gelacht, als ich ihr am Telefon von den neuen Möglichkeiten in der Nachbarschaft erzählte. "Na denn mal zu!" hat sie gesagt und wollte dann wissen, ob das denn wenigstens "ne Süße" wäre, die dort arbeitet, denn im TV hatte sie ein paar Tage vorher was über die Mädels, die an der Reeperbahn stehen, gesehen und die sagten ihr wohl nicht so zu. Davon sollte ich doch bitte keine mit nach Hause bringen. Krieg ich hin, Omi. Versprochen!

Ob dort "ne Süße" arbeitet oder vielleicht sogar mehrere, konnte ich Omi nicht beantworten, denn ich hab noch nie jemanden in der Wohnung gesehen. Nicht Weiblein, nicht Männlein, ich seh immer nur das erleuchtete Fenster. Keine Rosie, keine Kundschaft. Nur das rote Licht.

"Die Rosie hat ein Telefon, auch ich hab' ihre Nummer schon.

Unter 32-16-8 herrscht Konjunktur die ganze Nacht.

Und draußen im Hotel d'Amour langweilen sich die Damen nur,

weil jeder, den die Sehnsucht quält ganz einfach Rosies Nummer wählt."

(Spider Murphy Gang - Skandal im Sperrbezirk, 1989)

Ich wohn noch nicht in der Reeperbahn 2.0. Wird auch nie passieren. Zumindest nicht hier in Barmbek.

Auch wenn die Nachbarschaft sich so aufführt und Sodom und Gomorrha schreit.

Solange sie es noch kann...

Donnerstag, 23. Mai 2013

Suchanfragen, die zu meinem Blog führten: Die Top fünf der letzten Monate

Ich mag ihn ja, den Namen meines Blogs.

Der fiel mir spontan ein, ich weiß gar nicht mehr, weswegen.

Ich hab Komplimente bekommen, "lustig" sei das und "ein schönes Wortspiel".

Hat mich damals gefreut, freut mich immer noch, ein Teil des Blognamens entwickelt sich aber so allmählich zum Eigentor: Das böse F-Wort!!

In den Statistiken dieses meines Blogs kann ich ja verschiedenste Dinge nachvollziehen, zum Beispiel, wie oft am Tag/in der Woche/im Monat meine Seite aufgerufen wurde, von welcher verlinkenden Seite die meisten Besucher "zu mir" kamen oder welche Suchanfragen Menschen bei Google, Yahoo oder sonstigen Suchmaschinen eintippen und irgendwo in den Ergebnissen eben wieder auf meinen Blog zu stoßen.

Die Ergebnisse der letzteren Möglichkeit sind verstörend!

Zum einen, weil ich nicht weiß, wie man durch solche Suchbegriffe bei MIR landet, zum anderen, weil ich mich frage, wer zur Hölle solche Dinge überhaupt sucht!? Und warum?!?

Ich hab mir dann überlegt, ich mach da alle zwei Monate oder so eine Top Five draus, zensiert natürlich, das versteht sich.

Eine Top Five der fiesesten Suchanfragen, die (warum auch immer) zu meiner Seite leiteten.

Viel..."Spaß":

5. "Kotzen in Barmbek"

4. "frei f*** für mitfahrgelegenheit"

3. "Blut im Stuhl"

2. "aufgepickt und im Auto gef****!"

1. "Hund Frau F***en!"

Nichts davon ist erdacht. Das ist alles Original. Sowas geben Menschen in Suchmaschinen ein und landen dann auf meinem Blog.

Erschreckend...

(Die zwei übelsten Sucheingaben habe ich nicht veröffentlicht, denn die haben mich schockiert. Eindeutig pädophil, das solch ein Menschenmüll sich auf meinen Blog verirrt, habe ich nicht gedacht, gehofft oder erwartet. Leider kann ich der Polizei nichts melden, ich habe ja weder IP noch Namen.)

Ich hoffe, in so etwa zwei Monaten kann ich eine weniger eklige "Top Five" posten.

Ich fänd das gut. Aber mit dem F-Wort im Titel...

CSI:HH (2) - Team Barmbek

Kurz nach drei Uhr nachts. Durchs auf Kippe stehende Fenster höre ich seltsame Geräusche, ein Kratzen, ein Schaben, ich kann es nicht einordnen, ziehe den Vorhang weg und öffne mein Fenster im dritten Stock komplett.

Mein Freund F. hat seinen Schatz, ein 3er BMW Coupé, vor meinem Haus geparkt, mit der Bitte, ich möge doch ein Auge drauf haben. Er selber ist mit seinem anderen Schatz, seiner besseren Hälfte, für eine Woche nach Rom verschwunden. Das Auto der besseren Hälfte, ein alter verbeulter Fiat-Kleinwagen, steht derweil "eingeparkt" halb auf dem Gehweg, halb auf der eh schon engen Straße, auf ihn aufpassen soll ich nicht. Ich lasse das mal unkommentiert so stehen.

Nachdem ich den Vorhang weg gezogen und das Fenster geöffnet habe, sehe ich zuerst nichts, aber als sich meine Augen an die Dunkelheit angepasst haben, sehe ich zwei Gestalten, die versuchen, sich hinter den geparkten Autos auf der anderen Straßenseite zu verstecken. Ich starre auf sie runter, sie zu mir hoch.

Daß sie entdeckt sind, wissen sie. Daß ich sie auf keinen Fall einfangen kann (oder will), wissen sie auch. Deswegen rennen sie los und ich, oben an meinem Fenster im dritten Stock und in Schlafklamotten, versuche gar nicht erst, zu folgen. Viel mehr versuche ich, mir einzuprägen, wie die beiden aussehen. Das gelingt erstaunlich präzise.

Dann ziehe ich straßentaugliches Zeug an und gehe nach unten, um zu schauen, was überhaupt los war.

Vielleicht wurde ja nur besoffenen Koppes "Verstecken" gespielt und an Autos gab es gar keine Schäden.

Aber dem ist nicht so. Bei zwei Wagen wurden Schlösser geknackt, eine Seitenscheibe wurde zerstört, dabei habe ich gar kein Klirren gehört, ein Radio wurde wohl auch entwendet, es baumeln zumindest Kabel aus dem Armaturenbrett. Bei F.'s Wagen wurde sich am Schloß zu schaffen gemacht, bis ich es bemerkte. Ein paar Lackschäden, sonst ist da nicht viel passiert.

Ich rufe die Polizei hinzu und die ist schnell da. Zwei junge Polizisten, ich dürfte der älteste hier auf der Straße sein.

"Sie haben angerufen? Es soll hier Auto-Aufbrüche gegeben haben?"

"Richtig. Die beiden Wagen dort. Und bei dem BMW wurds versucht!"

"Aha, der ist ein bisschen zerkratzt am Schloß, sonst seh ich da aber nichts?"

"Die Typen haben am Schloß rumgemacht, deswegen ist da ja der Lackschaden. Dann haben die bemerkt, daß ich sie sehe und sind rennen gegangen."

"Da sind Sie absolut sicher?"

"Natürlich, ich habs ja beobachtet, von meiner Wohnung dort oben! Ich ruf Sie doch nicht zum Spaß her."

"Herr Fährlich, beruhigen sie sich!"

"Ich bin aber doch vollkommen ruhig?!? Ich erzähle Ihnen doch nur, was ich beobachtet habe und versuche, zu helfen??"

"Sie müssen das in einem ruhigeren Tonfall tun! Das gefällt mir so nicht!"

Ich stehe diesem Klotz von Polizisten gegenüber, warte darauf, daß er sich lachend auf den Oberschenkel haut, er tuts aber nicht.

Er schaut mich weiterhin todernst an.

Sein Kollegah untersucht inzwischen die aufgebrochenen Wagen. Er fummelt herum, er funzelt mit der Taschenlampe, er macht schwer auf CSI, dann verkündet er "Ja, das ist was hier. Vielleicht geht's hier um Diebstahl!"

Er schaut ernst in die Nacht.

Sein Kollege schaut ernst in die Nacht.

Es hat etwas aus einem Teenie-Film. Der Sternenhimmel, die Stille der (arschkalten) Mai-Nacht, vermutlich zirpen irgendwo auch Grillen und ich hör es bloß nicht. Wenn die sich gleich küssen, wie das in solchen Filmen in solchen Momenten immer passiert, muss ich mich übergeben.

"Vielleicht geht's hier um Diebstahl", stimmt, die Möglichkeit, daß die Besitzer der Wagen ihre Türschlösser und die Seitenscheibe mutwillig selbst zerstört und eingeschlagen und ein Radio ebenso mutwillig auf eigene Faust entwendet haben, zur Perfektion der Täuschung sogar noch das komplette Armaturenbrett zerdeppert haben, sie besteht. Sie ist sogar äußerst wahrscheinlich...

" 'Tschuldigung, ich bin nicht vom Fach, aber wäre es nicht vielleicht sinnvoll, mich zu fragen, wie die Typen ausgesehen haben? Um dann eine Fahndung raus zu geben? Eventuell auch mal die Umgebung absuchen, allzu weit können die ja noch nicht weg sein?" frage ich mal vorsichtig in die Runde und der CSI-Mensch nickt hektisch und zustimmend, während der andere mich von oben bis unten mustert, "good cop/bad cop" at its best.

Vermutlich verdächtigt er mich und traut mir nicht über den Weg. Widerwillig lässt er sich die Geflohenen dann aber doch beschreiben und funkt die Daten in den Äther. Sein Kollege verfolgt mit dem Strahl seiner Lampe derweil interessiert ein Eichhörnchen, das über die Äste flitzt. Chief Wiggum in Aktion.

Ich laufe hoch in meine Wohnung, um meinen Ausweis zu holen, den hatte ich in der Aufregung im ersten Moment vergessen, bad cop nahm das mit einem verächtlichen Kopfschütteln zur Kenntnis. Menschen, die ohne persönliche Papiere am Körper ihre vier Wände verlassen, wo gibt's denn das! Ist ja wie bei den Hottentotten hier...

Als ich drei Minuten später keuchend wieder auf der Straße stehe (das Treppensteigen hat der Teufel erfunden) und mein uniformierter Freund meine Daten aufnimmt, krächzt es aus good cop Wiggums Funke.

"Wagen 69 an Team 08/15: Die Verdächtigen sind gestellt!"

Meinen Perso bekomme ich mit den Worten "Na, da haben sie ja Glück gehabt!" zurück gereicht.

Dann hechten die beiden in ihr Fahrzeug und zischen ab.

Und jetzt? Hätten nicht Halter ermittelt und informiert werden müssen? Ich wurde nichtmal gefragt, ob diese mir bekannt sind (was sie abgesehen von F. nicht sind). Hätte nicht zumindest behelfsmäßig das Fenster verschlossen werden sollen/gar müssen? Wenn nicht gegen mögliche weitere Räuber, dann zumindest zB der Witterung wegen? Und muss ich mich eigentlich wie ein Idiot und ein Verdächtiger behandeln lassen, nur weil einem Typen in Uniform anscheinend mein Gesicht nicht passt??

Nach diesem Erlebnis wundert mich auf jeden Fall nicht mehr, daß die Bereitschaft, die Polizei zu rufen, bei einigen nicht mehr ganz so ausgeprägt ist. "Soll doch wer anders anrufen und sich veräppeln lassen!"

Daß ich vermutlich einfach Pech gehabt habe, ist mir klar und natürlich schau ich ab jetzt nicht nur noch interessiert zu, sollte ich nochmals so eine Beobachtung machen. Aber, liebe Polizei Hamburg, schickt mir bitte nie wieder solche Hampelmänner vorbei! Dagegen ist die "Police Academy"-Reihe ja Kindergeburtstag...(und dabei ist sie eigentlich großartig!)

Ich habe dann an die Wagen, deren Fahrer mir unbekannt waren, Zettel mit kurzer Schilderung des Geschehens und meiner Handynummer geklebt, das erschien mir die vernünftigste Lösung zu sein. Beide haben sich gemeldet, sich herzlich bedankt und ich bin nun zwei Mal zum Grillen in der Nachbarschaft eingeladen!

Kumpel F. kommt morgen aus Rom zurück. Mit nem Bier und nem Schulterklopfen kommt der aus der Nummer jetzt nicht mehr raus...

Mittwoch, 22. Mai 2013

CSI:HH (1) - Team Wandsbek

Es ist etwa 17.40. Uhr, als ich am letzten Freitag an der Wandsbeker Chaussee aus der S1 steige, ausnahmsweise habe ich mir sogar eine Fahrkarte gekauft, denn meine Monatskarte gilt ja leider zwischen 16-18 Uhr nicht. Und wir wollen ja nicht schwarzfahren...

Ich nehme die Rolltreppe, warum laufen, wenn man auch gefahren werden kann.

Oben am Ende der Rolltreppe sehe ich Uniformierte, zunächst denke ich an eine Abgangskontrolle des HVV und erschrecke, bekomme Herzrasen, geschuldet den guten alten Zeiten, als man gern auch mal ohne Fahrschein unterwegs war, die Kontrolleure auf den Bahnsteigen konnt man ja wunderbar durchs Fenster erspähen und dann rechtzeitig die Bahn verlassen, aber diese Abgangskontrollen sind eine Pest!

Allerdings habe ich ja einen Fahrschein, was ich recht schnell realisiere und außerdem sind das auch keine Mitarbeiter des HVV, sondern Cops, die da den Eingangsbereich des S-Bahnhofs bevölkern.

Kurz überlege ich, wer sympathischer ist, die Staatsmacht oder Kontrolleure im ÖPNV, aber da kann ich mich nicht mit mir einigen.

Als ich auf die Straße trete, bietet sich ein ungewohnter Anblick. Die Wandsbeker Chaussee, diese sechsspurige Rennstrecke, auf der ständig dicke SUV's mit getönten Scheiben und Nobelkarossen mit röhrenden Motoren Geschwindigkeiten im dreistelligen Bereich aufbieten und tiefergelegte Rostlauben, deren grad volljährig gewordene Besitzer auch mal im Konzert der Großen mitspielen wollen, in ihren VW Golfs oder Opel Astras an jeder Ampel gnadenlos von einem vollbeladenen Sprinter stehen gelassen werden, ist dicht. Nicht vom Feierabendverkehr, sondern von den Cops abgesperrt. Nur für ein paar Meter, der Querverkehr über Brauhausstraße/Hammer Straße an der Kreuzung mit der W'beker Chaussee läuft, aber die Chaussee selbst ist zu.

Auf knapp 50 Metern. Denn diese paar Meter dienen als Parkplatz für unzählige Polizeiwagen und aus allen Himmelsrichtungen kommen mehr an.

Soviel Alarm gibt's sonst nur ab 23 Uhr beim Schanzenfest, wenn die Vorstadtjugend mal wieder "politisch" wird.

Die Beamten scheinen sich für ein kleines Juweliergeschäft gegenüber zu interessieren, das mir bis dato nie aufgefallen war, obwohl ich sechs Jahre lang fast direkt ums Eck gearbeitet habe. Verrückt.

Was ist denn nun eigentlich los?!?

Ich frage einen der Polizisten, der sich, an eine Wand gelehnt, augenscheinlich langweilt. "Isn Einsatz. Straße gesperrt!" quetscht er zwischen den Zähnen hervor, um dann wichtigen Schrittes und mit Hand an der Waffe (!) zu einer anderen Gruppe auf besseres Wetter wartender Cops herüber zu laufen - um sich erstmal eine Kippe anzustecken. Anschließend wird gemeinsam gescherzt und gelacht und herum gealbert, meine Freunde und Helfer haben wohl einen entspannten Nachmittag. Einer liegt auf der Motorhaube (s)eines Einsatzfahrzeugs und lässt sich sichtlich entspannt die Sonne ins Gesicht scheinen. "Mensch, den Job könnt ich auch!" denk ich mir bei dem Anblick.

Würd aber trotzdem gern wissen, was los ist.

Also frage ich die Suffis, die die Stromkästen vorm Eingang zur S-Bahn zu ihrem persönlichen Stammtisch gemacht haben, die stehen hier von früh bis spät und schießen sich mit Billigstoff vom Kiosk ab, die haben garantiert was gesehen.

Momentan filmen sie kollektiv die Szenerie, einer erbarmt sich aber, sein nagelneues hochklassiges Smartphone, das ich mir nicht leisten könnte, sinken zu lassen und kurz zu erläutern, was los ist.

"Überfall. Hat geschossen."

Dann bedeutet er mir, daß sein Bier, vermutlich das etwa fünfzehnte heute, leer ist und wankt Richtung Kiosk.

Na, das klingt ja beruhigend. Irgendwer hat überfallen und geschossen, gefasst wurde er anscheinend noch nicht, die Staatsgewalt macht derweil Raucherpause oder knufft sich freundschaftlich in die Seite.

Ich bin ja nicht vom Fach, aber Verbrecherjagd hab ich mir anders vorgestellt.

Irgendwie action-geladener. Mit was machen und so. Rennen, mit gezückter Waffe in Unterschlupfe eindringen. Ab und zu mal wen "zu Boden bringen". Oder Knüppel aus dem Sack, einfach so, so wie auf Demos gegen steigende Mietpreise oder Leerstand von Wohnhäusern.

Aber bei echten Verbrechen ist wohl Kippe und Kollegen knuffen erste Wahl. Kann ich auch verstehen, wer will sich schon nem pistoleschwingenden Schurken gegenüber stellen. Hätt ich auch keine Lust drauf... da versteh ich die Jungs schon.

Ich mache meine Einkäufe. 25 Minuten später komme ich wieder am Einsatzort vorbei. Der Verkehr rollt wieder (ansonsten hätte es vermutlich Aiusschreitungen gegeben, Hamburger Autofahrer sind eh tickende Zeitbomben, im Feierabendverkehr aber nochmal unzurechnungsfähiger!), 50% der Polizeiwagen sind verschwunden und gescherzt oder geknufft wird in Uniformiertenkreisen auch nicht mehr, stattdessen tauscht man ernste Blicke aus und gestikuliert wild.

(Vorgestern stand dann in der Morgenpost, daß der Täter zum Nachdruck seiner Forderung, den Tresor zu öffnen, in die Wand schoss. Der Tresor war allerdings leer und der Täter ist weiterhin flüchtig.)

Ein paar Minuten später stehe ich auf dem Bahnsteig, meine Bahn kommt in sieben Minuten.

Von links kommt eine junge Frau heran, ich seh sie an und denk noch "Na, die kann aber nicht gesund sein, klapperdürr und Gesichtsfarbe wie ein Liter Vollmilch!", da streckt sie den Arm aus, bekommt meine Jacke am Kragen zu fassen und dann drehen ihre Pupillen nach oben weg und sie wird ohnmächtig. Klappt vor mir zusammen wie ein Kartenhaus.

Jugendliche fünf Meter neben mir lachen und zücken die Handies, ich hocke neben ihr und habe keine Ahnung, was zu tun ist. Das erste, was mir einfällt: Der Kopf muss weich liegen! Vermutlich totaler Quatsch, aber ich ziehe meine Jacke aus und lege sie unter ihren Kopf.

"Seitenlage, stabile Seitenlage!!" höre ich von links, ein Mann um die 60 kommt hinzu, kniet sich neben mich, während seine Frau gleichzeitig die filmenden Jugendlichen beschimpft, nach Hilfe ruft und den Notruf gewählt hat.

Tatsächlich kriege ich es hin, sie in die stabile Seitenlage zu bringen, an dem Gerücht, daß man in Notsituationen altes Wissen abrufen kann, ist vielleicht doch was dran. Mein letzter Erste-Hilfe-Kurs war im letzten Jahrtausend, eventuell wäre eine Auffrischung nicht so ganz verkehrt.

Der RTW ist schnell da, auch Polizisten von oben auf der Straße haben auf das Rufen der Dame reagiert (unter anderem der Raucher und der Sonnenanbeter) und so sitzen sie, ihr Mann und ich nun auf einer Bank und beobachten aus der Entfernung, was die Ärzte tun. Mein Gott, hätte ich grad gern eine Zigarette...

Nach fünfzehn Minuten oder so wird das Mädchen in einen Rollstuhl gehoben und abtransportiert. Sie ist sehr angeschlagen aber stabil sagt der Sanitäter, bevor er sich für die Hilfe bedankt und dann verschwindet.

Der Herr neben mir gibt seiner Frau einen dicken Schmatzer auf die Wange und sagt (ich schwöre, daß das wahr ist!) "Heut trink ich, bis die Lichter ausgehen!". Sie nickt und antwortet "Mach das. Und ich geh dann zur Ulla!"

Donnerstag, 16. Mai 2013

Der Abgang einer Legende. (Danke Thomas!)

Eigentlich wollte ich vorerst nicht mehr über Fußball schreiben, denn erstens gehe ich davon aus, daß das relativ uninteressant für viele ist und zweitens dachte ich, daß das Thema nach dem erreichten Nichtabstieg erstmal für mich durch sei.

Ein Auswärtsspiel noch in Nürnberg, das war's dann für meinen Verein. Sommerpause. Ich hätte mir eventuell noch zwei mir vollkommen egale deutsch/deutsche Finalspiele national (DFB-Pokal) und international (Champions League) angesehen, hätte eventuell darüber noch ein paar Worte verloren, das wär's dann aber auch gewesen zu dem Thema, bis Mitte August oder wann die neue Saison startet.

Der Text, der eigentlich für heute gedacht war, rückt ins zweite Glied. Kommt dann morgen. Oder so. Ich muss nochmal über Fußball schreiben, es tut mir leid!

Oder besser: Nicht über Fußball, sondern über einen Mann namens Thomas Schaaf.

Denn Thomas Schaaf wurde gestern nach knapp mehr als vierzehn Jahren beurlaubt. Ist jetzt nicht mehr Trainingsleiter von Werder Bremen. Mal eben so. Zack, Feierabend!

Ich hab das zuerst nicht geglaubt, ohne TS konnte ich mir meinen Verein nicht vorstellen (kann ich immer noch nicht und werd es auch in einer Woche nicht können). Aber dann kam die Meldung in den Nachrichten, verbreitete sich im Internet und sozialen Netzwerken.

"Thomas Schaaf und Werder Bremen gehen getrennte Wege!"

"Eine einvernehmliche Entscheidung" sagt Thomas Eichin, der seit satten drei Monaten den Manager bei Werder mimt, seit dem Abgang von Klaus Allofs in diese Kleinstadt im Braunschweiger Speckgürtel. Eichin sagt auch, daß es "das beste für den Verein" sei, daß TS gegangen wurde, Entschuldigung, ist.

Jemand, der vor drei Monaten aus einem komplett anderen Sport (Eishockey) ins Management eines Fußball-Bundesligisten gewechselt ist, weiß also eher, was "das beste für den Verein" ist, als jemand, der seit 1972, also seit 41 Jahren, Mitglied eben dieses Vereines ist?

Besser als jemand, der mit dem Verein in seiner aktiven Spielerlaufbahn zwei Mal Deutscher Meister und zwei Mal Deutscher Pokalsieger wurde und ein Mal sogar den Pokal der Pokalsieger, den es heut nicht mehr gibt, gewann?

Besser als jemand, der den Verein in seinen vierzehn Jahren als Trainer zu drei Pokalsiegen und einer Meisterschaft geführt hat?

Wollt ihr mich verarschen???

TS ist weg. Eichin ist da.

Es kann nur ein schlechter Witz sein...

Dankeschön Thomas Schaaf für alles! Für die großartigen Jahre! Für die vielen Erfolge, die mitreißenden Spiele, für die Spieler, die unter Ihnen in Bremen zu Stars geworden sind, Miro Klose, Johan Micoud, Ailton, Thorsten Frings, Mesut Özil, Claudio Pizarro...

Danke für das Autogramm auf meiner Eintrittskarte nach dem Vorbereitungsspiel gegen Stuttgart 2004 in meiner Heimat Meppen, die prangt mit Ihrer zugegebenermaßen seltsamen Unterschrift angepinnt an der Wand meiner Wohnung. Und danke auch für das "Eyh, wie hat dir das Spiel denn gefallen, sach doch mal!", nachdem ich abgedreht hatte und Ihnen Ihre Ruhe lassen wollte. Knappe zehn Minuten haben wir gequatscht, getrennt durch die Streben eines Gittertores, zum Schluß haben wir uns lange Sekunden die Hand geschüttelt und uns gegenseitig Glück und alles Gute gewünscht.

Ohne diesen Mann mit dem Oberlippenbart und dem spröden typisch norddeutschen Humor wird mein Verein nie wieder der sein, den ich seit fast 30 Jahren liebe. Da fehlt jetzt was.

Der Verein verweigert TS nach über 40 Jahren Zugehörigkeit einen anständigen würdevollen Abschied. Beurlaubt ihn stattdessen vorm letzten Ligaspiel, wo ihn zumindest die mitgereisten Auswärtsfans gebührend verabschiedet hätten.

Das ist unglaublich.

Eklig!

Ein Armutszeugnis!

Da ist es mir peinlich, Fan zu sein...

Danke Thomas Schaaf!

Für alles!

Mir werden Sie fehlen!

Mittwoch, 15. Mai 2013

Sportfreunde Stiller, da war doch was...

Gestern Abend waren die "Sportfreunde Stiller" zu Gast bei TV Total und das fand ich recht amüsant. Ein grundsympathischer Auftritt, der Brugger Peter (der Sänger) durfte noch ein wenig herum moderieren, was er auch ganz gut auf die Reihe bekam, dann durften sie noch ihren neuen Song spielen, ich fands durchaus unterhaltsam, denn ich mag die Jungs sehr gern.

Die Jungs, das meine ich so: musikalisch hats mit meinen Präferenzen null zu tun, die alten Alben sind ok, nicht schlecht, das neue kenn ich nicht.

Das Sympathischste an der Band sind aber definitiv die Menschen!

Den meisten dürfte zumindest "'54,'74,'90, 2006, ja so stimmen wir alle ein!" von der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, als die Welt zu Gast bei Freunden war, bekannt sein und trotzdem der Text mit "Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein" weiter geht, hat's ja dann doch wieder mal nicht geklappt mit dem Weltmeistertitel.

Denn Italien hatte im Halbfinale in der Verlängerung die Leidenschaft im Bein, was einen Doppelschlag in der 119. und 120. Minute bedeutete, halb Deutschland hatte danach zwar das Herz in der Hand, aber leider galt die Menge boykottierter Pizza-Lieferdienste oder die Menge in Panoramafenster italienischer Restaurants geschmissener Pflastersteine nicht als Ausgleich oder gar Entschädigung. Oder Entschuldigung.

Das Ende ist bekannt.

Genug der Fußballreferenzen.

Irgendwann vor ganz vielen Jahren bekam ich eine SMS von einer Freundin. "Die Sportfreunde Stiller geben in HH Autogramme, magst du hingehen und für mich welche holen?" Natürlich willigte ich ein, um dann zu erfahren "geht noch bis 18 Uhr!"

Blick auf die Uhr. Handy sagt 16.50 Uhr. Wird Zeit...

Um 17.45 entere ich den Elektro-Großhandel meiner Wahl, sprinte die Rolltreppen hinauf, denn natürlich findet das ganze Zeug wieder gaaanz oben statt, keuchend komme ich da an und bin tatsächlich der letzte, der in die VIP-Zone, begrenzt mit Paketband, hochsicherheitsstyle, hinein darf.

Zwei Teenie-Mädels, die dreißig Sekunden nach mir ankommen, werden mit "Sorry, zu jung!" abgewimmelt...das ist "Ihr seid zu spät, verpisst euch!" auf vornehm bei so einer Veranstaltung.

Ich als letzter in der Reihe der "Autogrammjäger", der nun noch etwas Zeit zum Palavern hatte, ward von Bandseite "beauftragt", das Zeug der Mädels heran zu schaffen, damit auch die noch ihre Unterschrift bekommen. So waren die dann auch sehr glücklich und zogen mit Kusshänden von dannen.

Ich wollte mich von der Band verabschieden, wurde aber aufgehalten.

"Wir wolln losziehen, wo geht das hier entspannt?"

Es ist klasse, wenn "Promis", auch wenn das hier vielleicht nicht exakt zutrifft, so tiefenentspannt sind und auf dem Boden bleiben. Und sich an und in ner Absturzkneipe, in die ich sie schleppte, erfreuen.

Oder nem Straßenmusiker Geld in seinen Hut werfen und applaudieren, wenn er "Under the bridge" spielt und das verdammt gut.

Oder wenn die einen dann nach Umarmung in die Nacht entlassen und anstatt ein Taxi zu nehmen, lieber zu Fuß heimwärts stiefeln, Arm in Arm in die ungefähre Richtung.

Eine prima Nacht. Mit prima Menschen. Ewig her, vorhin wieder dran erinnert. Ich mag sowas!

Dienstag, 14. Mai 2013

#idiots

Als ich vorhin vom Einkaufen heim kam, blitzten in der Nebenstraße blaue Lichter und beleuchteten die einsetzende Dämmerung.

Vor Hausnummer sieben oder acht standen zwei Fahrzeuge, ein kleiner Notarztwagen und ein großer RTW, die enge Einbahnstraße mit Kopfsteinpflasterbelag war dadurch komplett blockiert. Einige weiß gekleidete Sanitäter rannten hektisch herum und ich lief lieber einen Umweg nach Hause, als dort direkt vorbei zu gehen.

Direkt hinter dem RTW, mit kaum zwei Metern Abstand, saß ein junger Kerl in einem aufgemotzten Ungetüm, hupte unentwegt und gestikulierte, begleitet von lautem Geschrei, wild den Medizinern zu, ob sie nicht vielleicht noch langsamer ihren Job machen könnten, er hätte schließlich Termine.

Den Rückwärtsgang einzulegen und 40 Meter rückwärts zur vorherigen Abzweigung zu rollen, schien wohl zuviel Aufwand zu sein. Oder schlicht unwürdig.

Drei Minuten später in meiner Wohnung hörte ich ihn durchs Fenster immer noch hupen und schreien.

Manche Leute möchte man gern an den Ohren aus ihrem dämlichen tiefergelegten Reiskocher ziehen und sie den verchromten Sportauspuff schlucken lassen!

#idiots #they_are_everywhere

Schlusspfiff!

Aus, aus, das Spiel ist aus!!!

Wieder nur Unentschieden, dieses Mal zuhause gegen Frankfurt, seit mittlerweile zwölf Spielen kein Erfolgserlebnis mehr - alles egal, denn theoretisch reicht der eine Punkt, wenn beim letzten verbliebenen relevanten Spiel in Düsseldorf nichts mehr passiert. Zwei Minuten noch zittern...

Wie lang zwei Minuten werden können ist Wahnsinn!

Die Hände sind feucht, der Blick schweift ziellos durch die Gegend und streift andere Menschen, das kuschelnde Paar auf der Bank in der Ecke, die Gruppe monopolyspielender Dreadlockträger, von denen zumindest einer mein über 90-minütiges Leiden mal zur Kenntnis nahm, allerdings mit einem Kopfschütteln, der Suffi, der seit Mitte der ersten Halbzeit mit dem Kopf auf dem Tisch in seiner eigenen Spuckepfütze schläft, alle sind sie da und keiner sieht auch nur ansatzweise angespannt aus, während ich Sekunden zähle.

"Wie können die denn alle so ruhig sein, das ist hier doch grad wichtig!" denke ich und selbst die Denkstimme klingt gedämpft, als könne sie die gesamte konzentrierte Anspannung in mir kaum durchdringen.

Gespannter können Nerven unmöglich sein, wenn der Kommentator jetzt ein falsches Wort...

"Abpfiff in Düsseldorf" sagt er, "Glückwunsch nach Bremen!", das hör ich aber schon gar nicht mehr auf meinem Weg vor die Tür in eine ruhige Ecke.

Mein Verein steigt nicht ab.

Klingt so simpel, bedeutet (mir) so viel.

Das kann niemand verstehen, der sowas noch nie erlebt hat und so einige (zB der werte Kumpel M.) werden mir jetzt virtuell den Vogel zeigen. Kann ich fast komplett nachvollziehen! Ich frag mich ja selbst, warum ich mir das Jahr für Jahr wieder antue (das Fan-sein, nicht den Abstiegskampf, Gott bewahre!), gesund ist das unter Garantie nicht!

Aber ich würd solche Momente im Leben nicht missen wollen.

Natürlich gibt es viele wichtigere Dinge...aber ohne Lebensjahre, die beim Fußball verloren wurden oder graue (Bart-)Haare, die beim Fußball dazu gekommen sind, macht's doch auch keinen Spaß. Vermute ich. Kenn's ja nicht anders. Ich bin mir aber ziemlich sicher.

Nach etwa zehn Minuten war's genug der Ruhe, also nochmal rein, um die Jacke aufzusammeln und die Rechnung zu begleichen. An der Bar drei Wandschränke in HSV-Trikots, die Vergangenheit hat gezeigt: Das ist nicht immer gut!

Ich werde gemustert, mustere zurück, zahle meinen Zettel und versuche, möglichst unauffällig zu verschwinden. Man hat ja mit den Jahren dazu gelernt.

Ich bin allerdings zu langsam, 1,95 mal 115 Kilo Kampfgewicht versperren mir den Ausgang und eine Pranke erwischt meine Schulter.

Und dann donnert mich eine Stimme an:

"Alter, es gibt Wodka! Du hast doch Grund zu feiern! Kommst du freiwillig oder muss ich dich tragen??"

Ein Angebot, das ich nicht ausschlagen kann. Und will...sicher ist sicher.

Eine Stunde und diverse Wodka später wanke ich nachhaltig angeschlagen gen U-Bahn.

Und freu mich.

Endlich nach Hause und runterkommen.

Nächste Saison gern wieder, dann aber bitte ein Endspiel um Europa und nicht um Liga zwei...danke!

Samstag, 11. Mai 2013

Erst der Nazi, dann das Endspiel.

Gestern lief ich durchs Viertel und dachte mir nichts Böses.

"Eyh Zecke!!"

Dreck.

Denny, der Hausnazi, hat mich gefunden.

Im Treppenhaus war ich ihm noch geschickt ausgewichen, als ich auf der Treppe runter in den zweiten Stock hörte, wie er vor sich hin murmelnd seine Wohnung abschloß. Ich machte in Manier eines Ballett-Tänzers relativ lautlos auf dem Absatz kehrt, wartete ein paar Minuten in meiner Wohnung, um dann im sicheren Gefühl von "der erwischt mich heut nicht mehr" meine Butze zu verlassen.

Und eine knappe Stunde später hat er mich dann doch. Ätzend!

"Na Zecke?" bleckt er mich an, die wenigen Haare frisch blondiert, die sehen jetzt aus, als wären das Spinnweben auf seinem Kopf. "Morgen absteigen oder was, Zecke??"

Ok, er muss also einen ähnlich dämlichen Kompagnon in der Nähe haben, denn wenn er allein ist, nennt er mich zwar auch "Zecke", was mich völlig kalt lässt, allerdings tätschelt er mir dann auch gern mal mitleidig die Schulter, was ich über mich ergehen lasse, des Hausfriedens wegen.

Ich frage gelangweilt nach dem rechten...Befinden, was er mal vollkommen ignoriert.

"Du Zecke steigst morgen ab!" - "Geht rein rechnerisch nicht, Denny." - "HSV gewinnt morgen!!" - "Denny, das wär großartig!! Das spielt Werder derbe in die Karten!"

Er erstarrt, die Spinnwebenhaare wehen im Wind.

Hinter ihm taucht ein Glatzkopf auf, riesengroß, ein Orc in Menschenform, in altdeutscher Schrift steht "Hamburger Jungs" auf seinem entblößten Unterarm, der auch lässig als Unterschenkel durchgehen könnte.

Der Orc beugt sich zum dünnbehaarten armseligen Nazinachbarn und redet in einer Tiefe, in der ich nichtmal rülpsen kann.

"Er hat Recht! Und ich gehe jetzt!"

Ich steh da, Denny steht mir gegenüber. Er schaut mich unsicher an, ich könnte ihn grad treffen. Linker Haken, rechter Haken, was auch immer.

Bringt aber nix gegen die Dummheit. Und trägt nicht zum Hausfrieden bei...

Das "Wer guckt zuerst weg"-Duell gewinne ich innerhalb von Sekunden, das gewinn ich immer, sogar gegen Katzen, er rennt los und folgt "Zahog", dem bleichen Orc, so nenn ich seinen Mitstreiter ab jetzt.

Die Laune ist hin. Heim.

Vorbereiten. Auf das wichtigste Spiel seit langer Zeit.

Und wenn es läuft, wie ich will, dann hat auch der Depp aus dem zweiten Stock was davon. Ein nettes Bildchen an der Haustür, einen lieben Brief, man weiß es nicht...

Vielleicht mag ja wer Daumen drücken ab 15.30. Uhr

Ich wäre sehr dankbar!

Mein Puls ist jetzt schon zu hoch, wie soll das erst beim Spiel werden...

Mittwoch, 8. Mai 2013

Ehemalige Beziehungen und ehemalige Besichtigungen

Ich habe vorhin in einem anderen Blog gelesen, wie sich an den Einzug in die (in dem Fall ehemalige) Wohnung erinnert wurde und da hab ich mal den Fernseher stummgeschaltet und mich im Sessel zurückgelehnt und überlegt, wie das denn bei mir war, als ich vor mehr als einer Dekade in meine Wohnung im besten Stadtteil der angeblich schönsten Stadt der Welt eingezogen bin, die ich inzwischen liebgewonnen habe (die Wohnung, nicht die Stadt), obwohl ich anfangs nicht damit gerechnet habe, länger als ein Jahr hier zu leben. Denn man war ja jung und vielleicht auch cool, vor allem aber "dagegen", fast egal, worum es ging, erstmal einfach "dagegen", aus Prinzip und so.

Und wenn man zu vor etwas mehr als einem Jahrzehnt "dagegen" war, dann hatte man in Hamburg eigentlich nicht so viel Auswahl, um das Wohnviertel zu wählen. Schanze, Pauli, Altona, das war's dann eigentlich auch.

Die Schanze lag da zwar schon in den schweren letzten Atemzügen und war längst nicht mehr so anti, wie ich mir das vielleicht eingebildet hatte und aus dem Fernsehen kannte, man wurde zwar alle drei Meter angequatscht, ob man nicht "was bräuchte" und hier und da lag noch einer mit der Nadel im Arm vollgekotzt im Hauseingang, was mich, den Dorfdeppen, aus mir heut unerfindlichen Gründen faszinierte, politisch war das aber alles kaum noch.

Gut, die Leute in der Roten Flora konnte man im Gegensatz zu heute damals noch ernst nehmen und es gab noch keinen Galao-Strich, keine Feiermeile für Vorstadtkiddies mit Lust auf alternativen Flair mit eventueller Chance auf Randale am Schulterblatt, aber die Schanze hing politisch an lebenserhaltenden Maschinen. Am ersten Mai Team Black gegen Team Green, das war damals noch ehrlich. Heute nippen Pöseldorfer Krawalltouristen während des Steineschmeißens am Mate-Tee oder Piccolo.

Ätzend!

Genau wie Steine schmeißen übrigens.

Oder Autos anzünden. Zwei Mittelfinger für die Wagensportliga.

Damals wollt ich trotzdem unbedingt schanzennah wohnen...

...nach Checken der Mietpreise war ich dann plötzlich anderer Meinung. Und ich habe das nie bereut...

Ich hatte mir drei Wohnungsanzeigen ausgesucht, da wollte ich zu den Besichtigungen gehen. Eine in Bramfeld (ich wusste damals nicht, daß es da nichts gibt und fühlte mich bei Ankunft an der annoncierten Wohnung an mein 2000-Seelen-Heimatdorf erinnert - nur in schäbiger), eine in Osdorf (17 Stockwerke hoch, der Eingangsbereich türkisblau gefliest wie ein verdammtes Schwimmbad, auf dem gefühlt quadratkilometergroßen asphaltierten (Park)platz(?) vorm Haus spielte eine Gruppe Grundschüler mit einem langen Fleischermesser. Ich hab mir die Wohnung gar nicht erst angesehen, meine Begleitung hatte Angst, das Auto zu verlassen. Ich selbst hatte maximal Respekt. (Bitte hier zwinkernden Smilie einfügen))

Es ist übrigens immer gut, bei Wohnungsbesichtigungen eine Begleitung zu haben, die nach Beziehung aussieht, das habe ich festgestellt. Vergeben scheint man seriöser zu wirken als als Single. Ich weiß nicht, warum das so ist, hatte aber trotzdem zu den Terminen meine Exfreundin quasi reaktiviert (was irritierend war, da die Trennung recht frisch war...dann auf verliebtes Paar zu machen war...nennen wir es "eine Herausforderung").

Und bei der dritten Wohnungsbesichtigung in Barmbek, der Besichtigung der Wohnung, in der ich just in diesem Moment sitze und tippe, war genau das der Knackpunkt.

Es waren etwa 2600 Interessenten anwesend, die Maklerin, streng mit Dutt und Hornbrille, sah aus wie wahlweise eine gemeine Lehrerin oder frisch aus nem Softporno entsprungen, die Mieterin und ihr Freund, waren natürlich auch da, er ein Kanadier, mit dem ich mich direkt wunderbar verstand, da er seltsamerweise Baseball Eishockey vorzog und bei Baseball kann ich punkten, gewann doch ein um hundert Ecken Verwandter mal die amerikanische Meisterschaft. True story!!

Die ehemalige Lebensabschnittsgefährtin entertainte derweil die Noch-Mieterin, vermutlich mit Geschichten über kleine kuschelige Entenküken oder Jason Statham, irritierenderweise ihr liebster Schauspieler. (Statham "Schauspieler" zu nennen...in meinen Augen zumindest fragwürdig)

Was sie erzählt hat, hab ich nie erfahren, es hat aber funktioniert. Die Mieterin liebt sie, ihr Freund mich, er nötigt mir alle 30 Sekunden eine hohe Fünf ab, er ist Fan der Toronto Blue Jays und ich konnte ihn davon überzeugen, zumindest ein Sympathisant des Teams zu sein, was natürlich vollkommener Quatsch ist. Während der hohen Fünfen tanzt er wie ein Derwisch und brüllt was mit "fucking" und "awesome" und so. Seine Freundin und meine "Freundin" beobachten das mit verstörten Blicken.

Dann ist Feierabend. Die aus dem Porno entsprungene gemeine Lehrerin, die nebenberuflich auf Maklerin macht, macht Schluß. Alle raus, Besichtigung zuende. Ich hab nicht ein Wort mit ihr gewechselt, was mir Sorgen macht. Meine "Freundin" hingegen grinst wie ein Honigkuchenpferd auf Ecstasy.

Am Tag drauf, als ich grad wieder Wohnunganzeigen durchkrame, klingelt das Handy. Die Maklerin. Zitternde Finger.

"Herr Fährlich, Gratulation, Sie haben die Wohnung! Blablabla. Und grüßen sie Ihre reizende Freundin von mir, es war mir eine Freude, sie kennen zu lernen! Blablabla...bla!"

Seit über einem Jahrzehnt rätsele ich darüber, was für Worte die beiden gewechselt haben. Ich werd's vermutlich nie erfahren, die damalige Begleitung, die heut zum engen Freundeskreis gehört, grinst und geht, wenn ich das Thema anspreche.

Es ist zum...!

Aber es hat funktioniert. Und das ist, was zählt!

Barmbek, my love!

Samstag, 4. Mai 2013

Das Dachboden-Dilemma

Vorletzte Woche gab es Post vom Vermieter.

Man solle bitte bis zum 2.5. seine jeweiligen Abteile im Keller oder auf dem Dachboden namentlich kennzeichnen und mit einem (neuen) Schloß versehen, ansonsten würden diese geräumt und von Vermieterseite verschlossen. Eigenbedarf oder was weiß ich.

Das war vollkommen sinnlos, da an jedem Abteil ein Vermerk mit der zugehörigen Wohnung angebracht ist, warum sollte also der Nazi aus Etage zwei ein Namensschild anpinnen, wenn bereits "2. OG Mitte" vermerkt ist?

Aber so weit, so gut.

Da ich mein Dachbodenabteil seit meinem Einzug vor über einem Jahrzehnt nicht ein einziges Mal genutzt hatte und auch seit Jahren nicht mehr auf dem Dachboden war, war mit dieser Verlust erstmal relativ egal, sollte der Vermieter sich halt die staubigen vier Quadratmeter zurückholen, ich brauchte das Ding im Stockwerk über mir eh nicht (zudem gab es die Möglichkeit, das Abteil jederzeit erneut zu okkupieren).

So ließ ich also die Frist zur eh überflüssigen Kennzeichnung des meiner Wohnung zugehörigen Abteils verstreichen und sah vorgestern aus dem Fenster dabei zu, wie Männer in rot/grauen Overalls Möbel, Kartons und sonstiges durchs Treppenhaus aus dem Haus schleppten und dabei fluchten. Das ganze Zeug wurde dann in einen Sprinter geschmissen und vermutlich entsorgt.

Gestern Abend gegen 21 Uhr klingelte es Sturm an der Tür und ich wurde um mein freitagabendliches Serienvergnügen gebracht (und weiß jetzt nicht, wer der Mörder war, verdammt!).

Ein Blick durch den Türspion, die Nachbarin von unten, die immer wortlos vorbeiläuft, wenn man sich zufällig begegnet und die auf mich irgendwie den Eindruck macht, als hätte sie nicht alle Latten am Zaun.

"Na herrlich. Das wird sicher ein Spaß jetzt" dacht ich mir. Tür auf.

"Nabend, was gibt's denn?"

"Meine Möbel sind weg!" (Okay, direkt zum Thema)

"Ähm...wäre da nicht die Polizei die passende Anlaufstelle wenn Sie beraubt wurden?"

"Du bist Schuld!" (Schau an, wir duzen uns)

"Bitte WAS?!?"

"Ja, deine Schuld, ich hab sie in deinem Abteil abgestellt! Und jetzt sind sie weg!" (Haha, ich weiß, wo sie sind!)

"Aber den Brief vom Vermieter haben Sie schon bekommen? Und...verstanden?"

"Das war dein Abteil, du hättest aufpassen müssen! Meine Möbel sind weg, du zahlst das!" (Und so weiter)

Ich hab der "Dame" erklärt, daß ich gern auf ihren Kram aufgepasst hätte, hätte sie mich doch darüber informiert, daß sie ihn in meinem Abteil abgestellt hat, wär ja kein Ding gewesen, da ich's ja eh nicht nutzte. Hat sie nicht verstanden oder verstehen wollen. Will sich jetzt beim Vermieter über mich beschweren mit der Geschichte.

Wahnsinn. Die Bekloppten sterben echt nicht aus.

Nachdem die Furie abgerauscht und ich wieder im Fernsehsessel versunken war, klingelte es nochmal. Seufzendes Aufrappeln. Blick durch den Türspion. Junger Mann, unbekannt.

"Hi, ich bin der Nachbar von gegenüber, ich hab das grad mitgehört, war nicht zu vermeiden...bin neu im Haus und wenn Sie oder du das Abteil da oben nicht brauchen...ich schon. Für mein Zeugs. Und: Ich hab kaltes Bier!!"

Na bitte, es geht doch! Endlich ein normaler Mensch!...

Lobet den Herrn.

Vorhin im Bus: Da sind sie wieder, die Cribs und die Bloods vom Weltkirchentag.

Unmengen von ihnen!

Wo kommen die alle her? Und noch wichtiger: Wo wollen sie hin??

Ins Hamburger Nichts anscheinend, Berne, Farmsen, da gondelt die Buslinie hin, nachdem ich von Bord bin. Was wollen sie da? Missionieren vielleicht? Die Eingeborenenstämme, die in Bramfeld weit ab jeglicher Zivilisation leben? Man weiß es nicht. Glasmurmeln scheinen sie nicht dabei zu haben...

Dafür aber Gesangbücher und die eine oder andere Akkustik-Gitarre natürlich auch. Ich ahne Fürchterliches...

Und es kommt, wie es kommen muss.

Fröhlich beschwingt und frisch erleuchtet werden die ersten Zeilen angestimmt und nach ein paar Sekunden schmettern 20-25 Cribs und Bloods zusammen im Chor.

Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren, meine geliebete Seele, das ist mein Begehren.

Und so weiter.

Mein Begehren ist grad ein ganz anderes...

Mir gegenüber steht ein Junge, der Mund steht offen, die Augen weit aufgerissen. Er starrt mich an. "Scheiße Alter!!" Seine Stimme klingt erschrocken und verwirrt.

Als ich (endlich) aussteige(n darf), setzt der Chor der Erleuchteten zum nächsten Kanon an. Ich war lange nicht mehr so froh, zuhause angekommen zu sein.

Freitag, 3. Mai 2013

Klotzfest, Kirche, Holger.

Gestern war ich auf einem Konzert.

Kein so richtiges Konzert, eher ein Kurzauftritt des sehr politisch angehauchten deutschsprachigen Hippers und Hoppers Holger Burner, den ich sehr mag. Der spielte nämlich gestern mit zwei Co-Musikanten auf dem "Klotzfest", einer Veranstaltung, die auf diverse Missstände in diesem unserem "Schland" aufmerksam machen möchte, seien sie nun gesellschaftlicher, außen-oder-innenpolitischer oder sonstwelcher Natur.

Der Name "Klotzfest" rührt daher, daß das ganze Ding neben dem sogenannten "Kriegsklotz", einem Mahnmal für im ersten Weltkrieg gefallene Soldaten, stattfindet. Dieser "Kriegsklotz", der äußerst martialisch daherkommt, zeigt Soldaten, die ins Gefecht ziehen, dazu die Inschrift "Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen" (die Punkband "SLIME" drehte den Spieß um: "Deutschland muss sterben damit wir leben können".

Ein kleiner hässlicher Österreicher mit verkümmertem Schnauzbart fuhr auf den Klotz 1936 bei dessen Einweihung voll ab, daß exakt 88(!) Soldaten in den Stein gemeißelt wurden, darf man aber wohl als Zufall verbuchen.

Mir war dieser riesige Steinblock schon einige Male aufgefallen, nie positiv, eher im Sinne von "Wer hat sich den Scheiß ausgedacht?", ich bin bis gestern aber nie auf die Idee gekommen, das mal zu recherchieren.

Jetzt steh ich also neben dem Ding vor der Bühne, höre Holger Burner zu, ein bisschen zumindest, und habe Kino im Kopf. Der verfickte kleine Ösi, wie er vor dem verfickten Steinklotz steht und geifernd seine Dummheit und seine Parolen heraus brüllt in einem Tonfall wie ein mieser kleiner Köter, dem jemand fortwährend in die Eier tritt.

Vielleicht stand er damals an der gleichen Stelle, an der ich grad stehe?

Das ist eine ziemlich ekelhafte Vorstellung...

Und die begleitet mich auch in der restlichen Zeit, davon kann nichts ablenken. Burner und seine Kollegen rappen und hippen und hoppen, es hilft nicht.

Kopfkino.

Der Endvierziger im Arsch-frisst-Hose-Style, der sich robotermäßig zu den Beats bewegt und dabei in etwa so gelenkig ist wie ein Finnwal... Großartig!

Kopfkino.

Die Besucher des evangelischen Kirchentages, die von einem Gottesdienst zum anderen wechseln und dabei an der Bühne vorbei kommen, verstört schauend ob der recht deutlichen Wortwahl Holger Burners, manche müssen danach wohl zur Beichte, sechs "Ave Maria" sollten die Schande reinwaschen, pray to the Lord, Halleluja. Großartig!!

Kopfkino.

Was mich bei denen irritiert hat: Was sollen die verschiedenfarbigen Halstücher? Rot und blau. Das kenn ich. Hab ich schonmal gesehen.

In nem Ghetto-Vorort von St. Louis, weit weg von Kirche und so, da waren die Blauen die "Cribs" und die Roten die "Bloods". Und die mochten sich nicht.

Kopfkino.

Ich sehe, wie die Kirchentagsbesucher mit den roten Tüchern sich vor denen mit den blauen Tüchern aufbauen und unmissverständliche Gesten senden...

Zack. Wieder hellwach. Was war das? Kurz umschauen. Holger Burner verabschiedet sich vom Publikum, jemand gröhlt "Tod dem Rechtsstaat!", keiner applaudiert, stattdessen umarmen sich die Pseudohippienutten auf der Bierbank vor mir zum Abschied, endlich mal auf ner politischen Veranstaltung gewesen, jetzt aber Prosecco!!

Und irgendwo hockt Holger Burner und schreibt ein Lied darüber...

Mittwoch, 1. Mai 2013

Brauerei-Quälerei

Samstag war Brauereifest bei Holsten.

Und ich war da. Mit Vorfreude sogar.

War da verabredet mit einem Freund, den ich schon zu lange nicht mehr gesehen hatte und freute mich auf einige nette Geschichten von seinem Trip nach Kiew, von dem er am frühen Samstag Morgen zurück gekommen war und von dem er mir schon ein paar Bilder gesendet hatte, die nach Erklärungen verlangten.

In der Bahn war alles überraschend entspannt, selbst als ich an der Holstenstraße ausstieg, war das Elend nicht zu erahnen. Viele Menschen, ja. Aber noch alles schön. Da hab ich noch gedacht, daß das ja vielleicht ne ganz gute Idee gewesen sein könnte, die Wohnung zu verlassen.

Zehn Minuten später stand ich vorm Eingang zum Gelände der Brauerei, nippte am mitgebrachten Bier und revidierte sämtliche vorherigen positiven Gedanken.

Halb Hamburg ist erschienen, alle die sind da, die sonst die Reeperbahn bevölkern, weswegen ich diese so gut es geht meide und mich dort nur alle Jubeljahre mal herumtreibe. Da sind Junggesellen-und-Junggesellinnenabschiede, die Kerle als Schlümpfe, ihre weiblichen Pendants als Pipi Langstrumpf verkleidet, da sind Gruppen der Generation über meiner, die ich als Kegel-oder-Schützenvereine einordne, außerdem eine Menge Fußballfans, die sich auf die jeweiligen Niederlagen ihres persönlichen Hamburger Teams am Tage darauf eintrinken und natürlich wimmelt es von Teenietruppen aller Formen und Farben, die nur zwei Dinge gemein haben: Hormonüberschuß und Blutalkohol.

Und all das rollt in Massen Richtung Bühne, auf der in einer knappen Stunde "Kettcar" spielen sollen. Ich hätte das ahnen müssen, die Band kostenlos in Kombination mit Bier für zwei Euro zieht Publikum an. Und jetzt ist es zu spät zur Flucht, denn ich steh mittendrin. Fuck!

Erstmal ein Bier, ich mag zwar Holsten nicht besonders, aber das ist jetzt auch egal.

Auf Bühne Nummer zwei, vor die ich mich leider zunächst verirre, vergewaltigt eine Coverband die Doors, Stones oder Led Zeppelin (die grausigste Version von "Stairway to heaven", die ich je ertragen musste...), das Volk schwoft dazu im Engtanz und schunkelt Arm in Arm. Kurz bevor mein Kopf explodiert, schickt mir N. endlich seinen Standpunkt. "Links vor der Bühne. Jetzt! Antreten!"

Im Slalom umkurve ich die Unmenschenmengen, die mir in einer nicht für möglich gehaltenen Langsamkeit im Weg herum "laufen", ich nutze jede sich bietende Lücke, um schnellstmöglich voran zu kommen, ständiger Spurwechsel wie auf einer überfüllten Autobahn, sinnlos, nervenaufreibend, ... rechts ran, neues Bier, kurz durchschnaufen. N. schreibt "Stehen links vor der Bühne beim Bierstand. Immer noch! Wo bleibst du!?"

Ich kämpfe mich durch das Gedränge, meinen Bierbecher hoch über den Kopf haltend, nach mehreren Minuten bin ich fast am Stand angekommen, mindestens die Hälfte meines Bieres hat sich dank Geschubse und Gerempel über meine Jacke verteilt und läuft mir aus den Haaren, da vibriert das Handy schon wieder.

"War zu voll da. Geh da nicht hin! Sind jetzt weg von der Bühne. Hinten bei den Burgern. Die sind echt gut!!"

Arschlecken, da komm ich doch grad her?!? Fluchend mache ich mich auf den Rückweg, vorher exe ich das restliche bisschen Getränk, damit ich zumindest nicht noch nasser werde. Bin noch keine drei Meter weit gekommen, da knallt es, jemand rennt unkoordiniert in mich hinein, verteilt seinen Becher Gesöff über meine Hose, die war bisher trocken geblieben und bleibt taumelnd vor mir stehen.

Ein Typ von vielleicht zwanzig, maximal, sich auf den Beinen zu halten fällt ihm nicht leicht, seine BP-Cap, die ihn nicht unbedingt sympathischer macht, hängt schief über dem geröteten Gesicht mit dem Oberlippenflaum und sein linkes Auge fixiert mich. Das rechte verdreht sich alle paar Sekunden in eine andere Himmelsrichtung. Ein verstörender Anblick. Nach kurzer Zeit gröhlt er "Holstööön!!!" und rennt weiter, voll rein in die Umstehenden. Sowas kenn ich eigentlich nur von Konzerten, nur sind da keine Kleinkinder oder ältere Menschen im Publikum. Ich muss wohl ziemlich fassungslos aussehen, denn jemand klopft mir beruhigend auf die Schulter und zuckt entschuldigend mit seinen. "Jung, du brauchst erstmal ordentlich n Bier!" wird mir nahegelegt.

Inzwischen hat das Konzert begonnen und ich bin wieder hinten (und gefühlt unten) angekommen, dort, wo N. angeblich vor der Burgerbude wartet. Was er natürlich nicht tut. Er ist nun wieder ganz woanders teilt er per SMS mit, da würd er samt Gang nun aber WIRKLICH warten.

Ich sehe mich vorm inneren Auge selbst als Comicfigur, mir steigt Dampf aus Nase und Ohren, über meinem Kopf thront eine Sprechblase, "TUUUT TUUUT!!" und mein Kopf ist hochrot.

Reicht jetzt! Ich beweg mich keinen Meter mehr! Ich habe grad reeelativ gute Sicht auf die Bühne und stehe nicht weit von einer Box, kann also sogar recht gut hören, ist ja nicht sooo unwichtig bei nem Konzert.

Klar, ich steh mal wieder im Durchgang, da, wo ich stehe, wollen und müssen immer unbedingt alle durch latschen, gern auch zeitgleich vor und hinter mir längs. Denn auf das kleine Fleckchen zwischen den Buden, in dem eh schon viel zu viele stehen, da passen auch noch mehr rein. Atmen? Überbewertet.

Meine gute Sicht hat sich auch bald erledigt, darin positioniert sich gekonnt ein knutschendes Pärchen, was wieder die Besoffskis in meiner Umgebung auf den Plan ruft. "Eyh, zeig ma was eyh!! Tittööön!!!" "Nutte Alter, die würd ich auch gern mal..."

Warum immer ich?

Ein letzter Versuch. Paar Meter weiter hinten. Ich stehe noch keine halbe Minute da, da nimmt der Papi vor mir seinen Windelscheißer aus dem Kinderwagen (warum man mit einem Kleinkind im Kinderwagen um diese Uhrzeit in diesem Umfeld sein muss...irgendwer erklär es mir bitte!) und setzt ihn sich auf die Schultern. Direkt vor mein Gesicht. ... ... ...

Bevor die Springerpresse in der Sonntagsausgabe vom Amokläufer auf dem Brauereifest berichten muss (oder darf), beschließe ich, daß es mir reicht.

"Screw you guys, I'm goin' home!"(Eric Cartman)

Am S-Bahnhof fährt die Bahn ein, als ich gerade die Treppe herauf komme. Sie ist fast menschenleer. Ich suche mir einen Platz, setze die Kopfhörer auf, strecke die Beine aus, ein nettes DJ-Set wummert mir in die Ohren.

Es geht doch!