Sonntag, 9. Juni 2013

Rocktag (Part 2) / Momentaufnahme: Elbstrand

Dunkler, von der Sonne aufgeheizter Sand unter den nackten Fußsohlen, das hatte ich ewig nicht mehr. Großartig!

Wir sitzen an unseren Platz nah am Wasser und haben eine gute Zeit, lassen uns mit zusammengekniffenen Augen die Sonne ins Gesicht scheinen, blinzeln dabei, lachen, haben Spaß, beobachten die Menschheit um uns rum, lästern und genießen den Abend.

Ein Bodybuilder läuft vorbei, Oberarme wie Hulk, nur nicht in grün, natürlich aber mit den passenden Tribal-Tattoos, ohne die geht's ja nicht, er trägt klischeetreffend ein Jeanshemd mit abgeschnittenen ausgefransten Ärmeln. Und ich dachte, sowas gibt's nur im Film...in seiner Begleitung eine Paris Hilton für Arme, blondiert und dümmlich kichernd schleift sie einen "Hund" von der Größe einer zu klein geratenen Wanderratte an der Leine über den Elbstrand, der für das bemitleidenswerte Tier wie eine Kraterlandschaft auf dem Mond wirken muss.

Freundin M. entfährt bei dem traurigen Anblick ein "Das ist aber kein Offroad-Hund, guck mal, der fällt immer in die Löcher!" ("Löcher" im unebenen Elbstrandboden...)...

Ein paar Meter weiter werfen zwei Jungs in hautengen Karohemden und Flip-Flops einen Football hin und her, jedes zehnte Mal fangen sie ihn sogar. Eine tragische Vorstellung. Ich bin kurz davor, das Elend zu unterbinden und einen Monolog über Wurftechnik und so zu beginnen...

...aber Freundin M. bemerkt das und reagiert genau richtig. "Hey, hast du nicht n paar Alster eingekauft?? Ich mag eins haben!"

Grad nochmal gut gegangen...

Freundin M. kennt mich halt.

Je dunkler es wird, desto mehr Menschen bevölkern den Elbstrand, den Sonnenuntergang kann man von hier zwar nicht sehen, der findet in unserem Rücken statt, dafür beleuchtet er aber die Elbe und die gegenüber liegenden Container-Terminals in einem warmen rotgoldenen Licht und der Anblick lässt selbst mir als ausgewiesenem Hasser dieser Stadt den Mund offen stehen und setzt irgendwelche doofen Glückshormone frei, die mir unaufgefordert "Schönste Stadt der Welt, schönste Stadt der Welt!!" ins Ohr hauchen.

Aber das ist natürlich bullshit.

Um uns herum tobt die Welt.

Ein paar Kinder bauen eine Matschburg, jedes Mal, wenn ein größeres Schiff vorbei fährt, erfassen die heranrollenden Wellen die Burg und reißen sie teilweise ein. Das kommentiert ein etwa 5-jähriger mit einem vehementen "Eyh Papa, Wellen sind scheiße!!", dann baut er den eingebrochenen Teil der Sandburg wieder auf.

"Erinnerst du dich als wir noch Kinder war'n und am Strand die tollsten Burgen gebaut haben. Wie die Sonne unterging und die Flut langsam kam und die Wellen ohne Gnade uns langsam alles nahmen." (Kettcar - Hippie)

Papa zuckt mit den Schultern. Und die Frau neben ihm, vermutlich Mama, tippt auf dem Smartphone und kichert wie ein verliebter Teenie und kümmert sich einen Dreck um Juniors Sorgen.

Rechts von uns versuchen zwei Jungs, ihren Grill anzufeuern. Es klappt nicht.

Ein riesengroßer Containerpott wird vorbei geschleppt, ein großes "Oooh" und "Aaah" am Strand, ich schieße wie viele andere auch ein paar Fotos und bin beeindruckt. Rein optisch schwimmt da grad mein Wohnblock vorbei.

Die Jungs nebenan sind nun zu zweit dabei, ihren Grill irgendwie zum Laufen zu bringen, es sieht abenteuerlich aus.

Die Sonne ist inzwischen komplett untergegangen. Und das Panorama ist spektakulär.

Die Wellen klatschen vor der Hafenkulisse aus beleuchteten Containerkränen und vorbeiziehenden großen Segelschiffen und kleinen Hafenfähren und riesengroßen Containerpötten und winzigen Schnellbooten an den Strand.

Die zwei Jungs rechts von uns haben ihren Einweggrill endlich startklar und einer der beiden packt ein einsames Würstchen auf das Gitter. Und wendet es alle fünf Sekunden.

"Ist bestimmt aus Tofu, sonst hätten die mehr davon!" kommentiert Freundin M. das mit scharfer Stimme und erstaunlich sarkastischer Frauenlogik. Vermutlich hat sie sogar Recht.

Der andere Typ nimmt, während sein Kumpan die Wurst dreht, tiefe Schlucke aus einer edel aussehenden Flasche mit Siegel. Looks like Whiskey. Aber vermutlich ist es nur billiger Weinbrand. Freundin M. schüttelt sich bei dem Gedanken.

Sie verabschiedet sich dann Richtung nahegelegene angesagte Strandbar, dringendes Bedürfnis und so.

Ich sitze und beobachte.

Zwei Schäferhunde apportieren von ihren Haltern hineingeworfene Stöcke aus dem tiefschwarzen Wasser, die Tussi und der Bodybuilder laufen wieder vorbei, der Spielzeughund lugt nun aus einer Korbtasche, gut für ihn.

Die beiden Jungs von rechts sind verschwunden, der Einweggrill brennt vor sich hin, lodernde Flammen, als ich grad löschen will, rauschen aus dem Hintergrund Jugendliche heran, die rein optisch mit ihren Sleeves und Septums nachts Spießbürger aus U-Bahn-Haltestellen vertreiben und regeln das. Und lachen mich an. "Yeah Alter, wir warn schneller!!" Fist bump. Find ich gut.

Gegen 23.30 brechen wir auf gen Heimat, letzte Fähre erwischen. Noch ne Kleinigkeit in der Schanze essen. Den Abend ausklingen lassen.

Als ich dann gegen halb zwei in der Bahn nach Hause sitze, brennt das Gesicht leicht von der Sonne und der Sand rieselt aus Schuhen, Hosentaschen und irritierenderweise aus den Haaren.

Aber das macht nichts, das nehm ich in Kauf.

Rocktage gehen immer.

11 Kommentare:

  1. So gut und atmosphärisch gschrieben! Als wäre man selbst dabei gewesen. Wilst du mal ein Bild von dem schwimmenden Wohnblock einstellen? Ich liebe große Schiffe, und
    Hamburg ist schon auch ne geile Stadt!

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  2. Hi TS, mal wieder danke ich für die Blumen :)

    Ein Foto kann ich leider nicht einstellen, das klappt via Handy leider nicht (oder aber ich mach's falsch...), ABER google doch mal nach "NYK Vesta", da findest du haufenweise Bilder von dem Pott und die sind alle besser als meine, ich hab das Riesenschiff nur mit Mühe komplett aufs Display bekommen...

    Wenn du große Schiffe so magst, dann google doch auch gleich mal nach "CMA CGM Alexander von Humboldt", das ist das momentan weltgrößte Containerschiff, das wurde vor ein paar Tagen im Hafen getauft. Absolut beeindruckend!! Ich war total baff! Das Ding ist mal eben fast 400 Meter lang. Das sind dann zwei Wohnblocks...echt Wahnsinn!

    (Meine erste Antwort hab ich gelöscht, da hatte sich der Fehlerteufel eingeschlichen ;) )

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  3. Krass! Und schön! Danke für den Hinweis. ich bin beeindruckt.
    http://www.google.de/imgres?client=firefox-a&hs=kpW&sa=X&rls=org.mozilla:de:official&biw=1440&bih=655&tbm=isch&tbnid=wvj2HOuN7vUwnM:&imgrefurl=http://www.bildarchiv-hamburg.de/hamburg/hafenelbe/hafen/85_containerfrachter_nyk_vesta/033_8026_0509_ladung_container_frachter.html&docid=8kE90SYDd4ufGM&imgurl=http://www.bildarchiv-hamburg.de/hamburg/hafenelbe/hafen/85_containerfrachter_nyk_vesta/033_8026_0509_ladung_container_frachter.jpg&w=800&h=474&ei=6FS2Ud3DEZKThQe6loGwAw&zoom=1&iact=hc&vpx=444&vpy=126&dur=138&hovh=173&hovw=292&tx=147&ty=126&page=1&tbnh=139&tbnw=241&start=0&ndsp=24&ved=1t:429,r:2,s:0,i:90
    Leider ist der nächste ernst zu nehmende Hafen ziemlich weit weg. Muss mal wieder nach Hamburg. Im Herbst vielleicht.

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    1. Ja, ein großer Hafen ist eins der paar Dinge, die B nicht zu bieten hat. Das würde mir bei eventuellem Weggang aus HH dann auch wirklich fehlen (so als einziges neben der Schanze und meiner lauschigen Nachbarschaft).

      Das verlinkte Foto ist klasse, du kannst in etwa erahnen, wie wahnsinnig das Ding "in echt" war. Mich beeindruckt man so schnell eigentlich nicht, aber in dem Moment stand mir der Mund offen wie ein Scheunentor.

      Sollte es dich mal nach HH verschlagen, mach Meldung wenn du magst :)

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    2. Ich frage mich immer, wie die das schaffen, dass da kein Container vom Schiff fällt. Bei höherem Seegang könnte das doch mal passieren.

      Eindrucksvoll ist es aber. Nicht schön. Aber eindrucksvoll.

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    3. Hi "Anonym", ich hab da auch schon überlegt. Das wird wohl alles irgendwie fest vertäut sein, womit auch immer, Stahlseile oder sowas, aber ob das schon der ganze Trick ist? Keine Ahnung...

      Ich frag mal den Kumpel M. aus der Hauptstadt, der kennt sich in dem Bereich aus, vielleicht kann der uns helfen :)

      (Vielleicht liest er ja sogar mit...?)

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    4. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  4. Ach, Övelgönne-das ist so eins von den vielen Dingern, um die ich Euch Hamburger beneide. Und wenn ich das so lese, tut's mir fast (aber auch nur fast!!;-)schon wieder ein bißchen leid, daß ich meinen diesjährigen Sommerstädtetrip schon in Berlin gebucht hab..

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    1. Ja, der Elbstrand ist klasse, den würd ich überall vermissen, da kann zB in B (und auch anderswo) nichts mithalten. Abende an der Spree oder am Landwehrkanal sind großartig, Elbstrand ist aber dann doch noch ne Liga höher.

      Einer der wenigen Vorteile Hamburgs gegenüber der Hauptstadt.

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